Köln und die Alweg-Bahn
Ute Beatrix Sardemann











Köln und die Alweg-Bahn
Die ersten Pläne
Die Nahverkehrsverbindung Köln - Opladen
Die linksrheinische Ersatzstrecke Industriegebiet Niehl/Merkenich - Dormagen
Die Alweg-Bahn als Zubringerlinie für den Flughafen Köln/Bonn
Die Alweg-Bahn für die Anbindung der Neuen Stadt - Chorweiler
Eine neue Alweg-Demo-Strecke am Fühlinger See
Resümee
Literatur
Bildnachweis


















Köln und die Alweg-Bahn









Die Vorgeschichte dieses Beitrages zeigt, dass Recherchen mitunter eine unerwartete Richtung nehmen können. Ausgangspunkt waren einige vor etlichen Jahren im Rheinischen Bildarchiv entdeckte Fotos von einem großen Architekturmodell, die unter dem Titel ''Zukunftsmodell für Köln'' archiviert und mit dem Verweis auf eine 1972 im Kölner Stadtmuseum ausgerichtete Ausstellung ''Straßen - gestern, heute und morgen'' versehen sind. 1 Das Modell, das in der Ausstellung ''Straßen - gestern, heute und morgen'' präsentiert wurde, zeigte in einem von Hochhäusern bestimmten urbanen Rahmen diverse der zeitgenössisch diskutierten Lösungen zur Abwicklung großstädtischer Verkehrsaufgaben auf: Der Individualverkehr sollte computergesteuert über Leitschienen geführt werden, für den öffentlichen Personenverkehr waren Cabinentaxis und Monorails (Einschienenbahnen) vorgesehen (Abb. 1). Es stellte sich die Frage, wie sich dieses Modell in die damals für Kölns Zukunft entwickelten Visionen einordnen ließ. Der Ausstellungskatalog enthielt keinerlei Angaben über dieses Exponat, doch ein Zugang zur Ermittlung war durch die im Modell enthaltene Monorail gegeben. Schließlich war in den 1950er Jahren auf dem Kölner Stadtgebiet die Alweg-Einschienenbahn

Abb. 1 Ausschnitt aus dem für die 1971 im Köln. Stadtmuseum ausgerichtete Ausstellung 'Straßen - gestern, heute und morgen' angefertigten Modell mit einer Schuco-Spielzeug-Nachbildung der Alweg-Bahn.









Abb. 2 Die in mehreren Ebenen geführte Alweg-Stadtbahn (Zeichnung: H. Barthelmess, 1952).

entwickelt worden. Tatsächlich ließ sich in der Alweg-Literatur der entscheidende Hinweis finden: Es handelte sich um ein eigens für die Ausstellung hergestelltes idealtypisches Modell ohne Bezug zu Köln, in dem allerdings eine Schuco-Spielzeug-Nachbildung der Alweg-Bahn Verwendung gefunden hatte. 2 Damit war die Hoffnung passé, bisher unbekannten Zukunftsvisionen der Kölner Stadt- und Verkehrsplanung auf die Spur gekommen zu sein. Doch waren im Zusammenhang mit den Recherchen über die Alweg-Bahn ganz neue Fragen aufgetaucht, die den Einsatz dieser neuen Schienentechnologie im Nahverkehr Kölns betrafen. Bevor diese Fragen im Einzelnen angesprochen werden, soll zunächst das Alweg-Forschungsunternehmen in kurzen Zügen vorgestellt werden.

Die Alweg-Forschungsgesellschaft wurde 1951 in Köln gegründet. Sie leitete ihren Namen aus den Initialen ihres Gründers und Finanziers Axel Lennart Wenner-Gren, einem aus Schweden stammenden, international tätigen Industriellen (Abb. 3), ab. Eine Arbeitsgruppe, der erfahrene Fachleute aus dem Eisenbahnwesen und der Flugzeugindustrie angehörten, arbeitete auf der Grundlage älterer Untersuchungsergebnisse an der Entwicklung einer Einschienenbahn, die bahnbrechende Innovationen im Verkehrswesen versprach. Der Spiegel wusste bereits im Mai 1952 über die unter großer Geheimhaltung im linksrheinischen Kölner Norden vor sich gehenden Entwicklungsarbeiten zu berichten: „In der Fühlinger Heide bei Köln wird jetzt die Eisenbahn des Jahres 2000 geplant und erprobt.“ 3 Ein halbes Jahr später, am 8. Oktober 1952, wurde der Öffentlichkeit der erste Testzug in verkleinertem Maßstab auf dem Fühlinger Versuchsfeld vorgestellt. Es dauerte fast weiter fünf Jahre, bis am 23. Juli 1956 am gleichen Ort der erste Zug in Originalgröße präsentiert werden konnte.

Beide Anlässe gerieten zu spektakulären Medienereignissen, die Teil einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit waren, mit der die Firma Alweg 4 ihre Entwicklungen bekannt zu machen und Aufträge zu akquirieren suchte. Jene Jahre waren angesichts des









zunehmenden Individualverkehrs durch eine intensive Diskussion über die Neuordnung des schienengebundenen Personennah- und Regionalverkehrs geprägt. Investitionsträchtige Grundsatzentscheidungen standen an. Hier hofften Wenner-Gren und sein Kölner Team, mit ihrem neuen Produkt eine Chance auf dem Markt zu gewinnen. Prominenten Gästen aus aller Welt, Journalisten, Vertretern aus der Politik, der Wirtschaft und dem Verkehrswesen wurde die Alweg-Bahn auf dem Fühlinger Versuchsfeld vorgeführt. Die Konstrukteure hielten Vorträge, um kommunale Rats- und Fachausschüsse, städtische und regionale Verkehrsbetriebe sowie Fachverbände von den Vorzügen und Einsatzmöglichkeiten des neuen Systems zu überzeugen. In firmeneigenen Broschüren und Fachpresse-Artikeln wurde das Prinzip des luftbereiften, auf einen aufgeständerten Fahrbalken aufgesattelte Fahrwerk erläutert, das geringe Fahrgeräusche und Entgleisungssicherheit versprach. Die nach aerodynamischen Gesichtspunkten gestalteten Züge wurden in einer dem Flugzeugbau entlehnten Leichtbauweise konstruiert. In suggestiven Darstellungen wurde veranschaulicht, wie sich die auf Stützen geführte Alweg-Bahn als Fernbahn pfeilschnell ihren Weg über Geländeunebenheiten, Bahntrassen

Abb. 3 Der Finanzier Wenner-Gren (Mi.) mit den Chefkonstrukteuren der Alweg-Bahn vor dem am 8.12.1952 in Köln-Fühlingen öffentlich vorgestellten Testzug.









Abb. 4 Vier Fotomontagen mit Stützen-Varianten der Alweg-Bahn.

und Autobahnen hinweg bahnen könne. In den Citys sollte die Alweg-Bahn als Stadtschnellbahn auf mehreren Ebenen oberhalb der verstopften Straßen störungsfrei den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bedienen (Abb. 2). Anhand von Fotomontagen wurde demonstriert, wie die Variabilität der Stützenformen die städtebauliche Einfügung der Hochbahn in die Umgebung gewähren würde (Abb. 4). Zum Schutz historischer Stadtkerne sollte sie streckenweise auch unterirdisch geführt werden können. Vor allem wurden die wirtschaftlichen Vorzüge gegenüber konventionellen Zweischienensystemen ins Feld geführt. Niedrige Betriebskosten, die industrielle Vorfertigung der Fahrbalken und Stützen, deren rasche Montage sowie die Mitbenutzung vorhandener Verkehrstrassen wurden genannt. Für den Fall der Neutrassierung wiesen die Alweg-Konstrukteure auf die geringen Grunderwerbskosten für die nur wenig Raum beanspruchenden Stützen hin. Das Ergebnis der zahllosen, vom Alweg-Team während der 1950er und 1960er Jahre weltweit für Städte und Regionen entwickelten Einsatzstudien war niederschmetternd. Realisiert werden konnten bis zum Erlöschen der Firma Anfang der 1970er Jahre lediglich eine temporär genutzte Alweg-Bahn für die Ausstellung ''Italia '61'' in Turin sowie einige Alweg-Ausstellungs- und Flughafenzubringer-Bahnen in den USA und Japan. Damit blieb der Erfolg weit hinter den visionären Erwartungen zurück, die Alweg-Bahn auf internationaler und europäischer Ebene im Regelbetrieb des öffentlichen Nah- beziehungsweise Regionalverkehrs etablieren zu können. 5 Bezeichnenderweise wurde unlängst im Zusammenhang mit dem Scheitern der Magnetschwebebahn Transrapid/Metrorapid mehrfach an das Schicksal der Alweg-Bahn erinnert.









Auch Reinhard Krischer führt in seiner 2003 veröffentlichten Monographie über die Alweg-Bahn solche Parallelen an. 6 Der Sohn eines langjährigen Alweg-Konstrukteurs wertete umfangreiches Schriftmaterial und viele mündliche Berichte ehemaliger Alweg-Mitarbeiter zur Technik, Geschichte und den Einsatzprojekten aus. Krischer schildert eindrücklich den Enthusiasmus, mit dem das Alweg-Team seine Forschungs- und Projektentwicklungen betrieb, geht aber auch auf die Enttäuschung ein, die sich angesichts der ausbleibenden Erfolge einstellte. Hierbei hat die Hoffnung, am Heimatort des Unternehmens die Chance zum Einsatz einer Alweg-Bahn im ÖPNV zu bekommen, eine besondere Rolle gespielt.

In Köln wird seit Beginn der 1990er Jahre wieder an die lange vergessene Alweg-Bahn erinnert. Ausstellungen, Katalogartikel und Aufsätze gingen seitdem unter technik- und wirtschaftsgeschichtlichen Aspekten auf die Fühlinger Entwicklung ein. 7 Darin werden auch die für Köln und sein Umland angestellten Alweg-Pläne angesprochen, um zu belegen, dass diese innovative Technik in den zeitgenössisch aktuellen Kölner Verkehrserwägungen durchaus eine Rolle gespielt habe. Hier werden eine Alweg-Verbindung von Köln nach Opladen, von der Kölner Innenstadt zum damals noch auf Porzer Stadtgebiet liegenden Flughafen Köln/Bonn in Wahn sowie zu der in den 1960er Jahren im linksrheinischen Kölner Norden errichteten Trabantenstadt Neue Stadt - Chorweiler angeführt und einige weitere auf den linksrheinischen Norden Kölns bezogene Alweg-Überlegungen genannt.

Die Kenntnisse über diese Projekte sind vor allem in Bezug auf ihren Konkretheitsgrad sehr lückenhaft, sieht man einmal von der geplanten Alweg-Verbindung Köln - Opladen ab. 8 Auch sind von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, bislang keine Bild- oder Planbelege bekannt. Verantwortlich ist u.a. das völlig Fehlen eines geschlossenen Alweg-Archivbestandes. 9 Es gibt allerdings eine umfangreiche Sammlung und Dokumentation der Initiative Wirtschafts-, Sozial- und Verkehrsgeschehen Rheinland 10, die u.a. lokale und überregionale Presseartikel enthält, durch die ein thematischer Einstieg in Bezug auf die öffentliche Diskussion ermöglicht wird. Ergänzend wurde hier Archivmaterial hinzugezogen, das die Entscheidungen und Beratungen auf der Ebene von Verwaltung und Politik sichtbar macht. Die Recherchen waren nur in begrenztem Maße möglich, 11 und es ist nicht auszuschließen, dass sich - z.B. in Privatsammlungen - doch noch projektbezogene Alweg-Unterlagen finden lassen. Deshalb kann dieser Versuch einer Rekonstruktion der Kölner Alweg-Projekte, die auch das Schicksal des Fühlinger Versuchsfeldes einbeziehen soll, nur vorläufig sein. Um diesen Beitrag nicht zu sehr mit Anmerkungen zu überfrachten, werden die Quellen in der Regel summarisch angeführt. Ausdrücklich wird mit Bezug auf das Thema Magnetschwebebahn/Metrorapid die Frage ausgeklammert, ob Köln damals die große Chance verwirkt hat, ein den vorhandenen Verkehrsmitteln überlegenes System in Betrieb zu nehmen.


















Ute Beatrix Sardemann in: Hörsaal, Amt und Marktplatz. Forschung und Denkmalpflege im Rheinland. Festschrift für Udo Mainzer zum 60. Geburtstag (hrsg. von Claudia Euskirchen, Marco Kieser u. Angela Pfotenhauer). Stuttgart 2005 (= Sigurd Greven-Studien Bd. 6). Verlag Schnell + Steiner, ISBN 3-7954-1766-x.

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