Geschichtsseiten für Bad Münstereifel und Umgebung
Wirtschafts-, Verkehrs-, Heimat- und Kulturgeschehen





Die Geschichte
des
Stiftes Münstereifel
sowie der übrigen
Kirchen und Klöster der Stadt.

In Beiträgen dargestellt
von
Ad. Plönnis
Pfarrer

Bonn.
Verlag von P. Hanstein.
1891.





0. Widmung und Vorwort
1. Gründung d. Stiftes. Übertragung d. Reliquien seiner h. Schutzpatrone. Geschichte derselben
2. Die Stiftskirche
3. Stiftskloster - Statua et consuetudines
4. Die Jesuitenkirche - Jesuitenkloster
5. Die Salvatorkirche und das mit derselben verbundene Salvatorkloster
6., 7., 8. Das Kapuzinerkloster, das Carmelitessenkloster und das Marienhospital





1. Gründung des Stiftes. Übertragung der Reliquien seiner heiligen Schutzpatrone. Geschichte derselben

Die Stadt Münstereifel liegt in einem, von der Erft durchflossenen Thale, welches steile Gebirgszüge begrenzen. Ihre alten mit Epheu umrankten Stadtmauern, die Thürme, welche dieselben zieren, sowie die mächtige Schloßruine geben der Stadt noch heute ein Ansehen, welches an vergangene Jahrhunderte und die Zeit erinnert, in der der Bürgerstand mit Wehr und Waffen gerüstet, seinen Herrn und die städtischen Freiheiten mannhaft zu schirmen gewohnt war.

Das Schloß und die Befestigungen der Stadt wurden von den Grafen von Jülich, den Vögten des hiesigen Klosters, gegen Ende des 13. Jahrhunderts erbaut. Ihre Eroberungssucht und die steten Fehden mit dem Kölnischen Erzstifte waren dazu die nächste Veranlassung; es wurde zerstört in dem Schwedischen Kriege.

Die Ruinen verdienen wohl als Denkmal der Vorzeit erhalten zu werden: denn sie gehören zu den größten und schönsten am Niederrhein.

Ihre Entstehung und ihren Namen verdankt die Stadt dem in ihrer Mitte liegenden Stifte. Dasselbe leitet seinen Ursprung von der im Mittelalter berühmten Benediktinerabtei Prüm her.

In einem der rauhsten Theile der Schneeifel entstand diese Abtei, die sich, besonders durch die Gunst der karolingischen Fürsten, zu weiter Ausdehnung, zu großem Reichtum und Ansehen erhob und im Mittelalter ihre Stelle unter den hervorragendsten Klöstern Deutschlands behauptete.

Ihre Gründung verdankt sie Bertrada, einer fränkischen Prinzessin, wahrscheinlich eine Schwester Karl Martells 1); dieselbe beschenkte das Kloster mit vielen Gütern.

Den eigentlichen Grundstein zum Aufschwung der Abtei legte aber die reiche Schenkung Pipins und seiner Gemahlin Betrada, der Enkelin der eigentlichen Gründerin 2).

Das Kloster wurde mit Mönchen aus der Congregation von Meaux a. d. Marne besetzt, zugleich mit der Bestimmung, daß die Äbte und Mönche stets aus dieser Congregation stammen sollten, ihm Schutz und Hülfe zugesichert, und als Abt ein Verwandter des Königs Ufuerus eingesetzt, mit dem die eigentliche Geschichte der Abtei beginnt.

Der dritte Abt von Prüm war Markward 3), (829-854), aus dem Geschlechte der Grafen von Bouillon, vorher Mönch im Kloster Ferrières in Frankreich. Nicht allein in der Geschichte seiner Abtei, sondern auch in der Geschichte des fränkischen Reiches hat er eine hervorragende Rolle gespielt. In die politische Geschichte seiner Zeit, die durch die Familienstreitigkeiten des Karolingischen Hauses, durch die Empörung der Söhne Ludwig des Frommen gegen ihren Vater und durch deren Zwist untereinander getrübt war, hat er wiederholt handelnd eingegriffen. Der Abt stand in diesem Streite stets auf Seiten des alten Kaisers. Auch an den geistigen Bestrebungen seiner Zeit nahm Markward regen Antheil 4), ebenso die Mönche seines Klosters, deren Eifer für Kenntniß der klassischen Litteratur und Erwerb von deren Schriften mehrfache Angaben in den Briefen des Abtes Lupus von Ferrières beweisen. Der Abt starb am 29. Mai 853.

Unter den Schenkungen, womit Bertrada die Abtei Prüm dotirt hatte, befand sich auch das von der Eifel durchflossene Petersthal (die Umgegend der heutigen Stadt Münstereifel); in diesem waldigen Thale erbaute Markward im Jahr 829 oder 830 ein Münster oder Kloster, welches nun ein Mittelpunkt wurde, von welchem aus sich christliche Cultur und Sitte in die ganze Umgegend verbreitete.

(Borisus gibt als Jahr der Gründung 830 an, in Jul. Montiumque comitum Annal. I. 5; Mabillon 836 in den Annal. Ord. S. Bened. II., 545. Nachrichten aus fränkischer Zeit fehlen leider. Dagegen schreibt 1222 der Exabt Cesarius in seinem Commentar zu dem Güterverzeichniß: Constat conuentum monasteriensem ab eccl. Prumiensi a primis fundamentis fundatum esse; Beyer, I. 189).

Von diesem Münster leitet die Stadt Münstereifel auch ihren Namen her. Zuerst nannte man den Ort Neumünster, im Gegensatze zu dem alten Münster in Prüm, dem es seine Stiftung verdankt, oder auch Neumünster in der Eifel und an der Eifel. Das Neu- fiel mit der Zeit weg, und so entstand Münster in der Eifel oder abgekürzt Münstereifel.

In dem Güterverzeichniß der Abtei Prüm vom Jahr 893 heißt es: Novum monasterium, Beyer I, 177. Erzbischof Segewin von Köln schenkt 1086 der congr. S. Crisanti et Darie quod est in novo monasterio in pago Eifle den Novalzehnten in mehreren Ortschaften; Günther, Cod dipl. Rheno-Mosellan. I, 151 u. s. w. f. Floß, Romreise des Abtes Markward.

Um für dieses sein neuerbautes Münster Reliquien eines hervorragenden Martyrers zu erhalten, über dessen Leiden und Verehrung unter den Gläubigen ein Zweifel nicht obwalten könnte,begab sich Abt Markward, mit Empfehlungsschreiben des Kaisers Lothar versehen, im Winter des Jahres 844 nach Rom 5) und erhielt dort vom Papste Sergius die Leiber der berühmten Martyrer Chrysanthus und Daria.

An einem bestimmten Tage mußte Markward sich in die Laterankirche begeben. Dort lagen die Reliquien auf dem Altare. Während zu beiden Seiten Reihen von Clerikern standen und sangen, übergab der Papst mit größter Ehrfurcht und unter vielen Ehrenbezeigungen dem Abt die h. Leiber unter Anrufung des Namens Gottes und wies ihn an, auf ihre Verehrung wohl Bedacht zu nehmen, damit beide, er wie Markward, eine Beleidigung Gottes vermeiden möchten; er, daß er sie vergeben, Markward, wenn er den Heiligen nicht die gebührende Verehrung vorgesehen habe.

Die Klosterstiftung des Abtes soll sich ursprünglich an eine im Petersthal befindliche, und wie das Thal selbst, Prüm gehörige, alte Kirche angelehnt haben. Diese trug man ab und stellte eine würdige Gruft für die Seligen her, über welcher man später eine prächtige Kirche erbaute.

Im Sommer des Jahres 844 kehrte der Abt mit den Reliquien zurück. Hierauf wurden dieselben von Theganbert dem Chorbischof von Trier, am 25. Oktober, mit höchster Ehre und unter allgemeiner Freudenbezeigung in dem neugestifteten Kloster beigesetzt. Das Andenken dieser Übertragung wird noch jährlich an dem Sonntag nach dem 25. Oktober hierselbst feierlichst begangen.

Der Papst ließ auch dem Abte Markward durch den Bischof Marinus die Leidensgeschichte der Heiligen zustellen, mit der Weisung, von derselben Abschrift zu nehmen; sie ist folgende:

Polemius, 6) senatorischen Ranges, unter seinen Mitbürgern in Alexandrien der angesehenste und vornehmste, wandte sich von seinem Sohn Chrysanthus begleitet, nach Rom. Von dem römischen Senate freundschaftlich aufgenommen, vom Kaiser Numerian zu den höchsten Ehren erhoben, wurde er zum Senator ernannt. Dem einzigen Sohn Chrysanthus, dem er das Gebiet der Wissenschaften zu öffnen sich angelegen sein ließ, empfahl er das Studium der Philosophie. Der Jüngling war geistreich und zum Lernen ungemein geschickt. Nachdem er Schriften aller Art durchforscht, zog ihn das Evangelium am meisten an. Er las es mit besonderer Aufmerksamkeit und äußerte sich darüber in einem Selbstgespräch: So lange, Chrysanthus, hast du dir gefallen lassen, die Blätter der Finsterniß zu durchblättern, bis du das Licht der Wahrheit erblicken würdest. Es ziemt aber weder dem Weisen noch dem Klugen, von dem Licht in die Dunkelheit zurückzukehren.

Nachdem er durch diesen Zuspruch sich gestärkt, forschte er nach einem Lehrer für die Erklärung der göttlichen Schriften. Da traf er jemand, der ihm mittheilte, er kenne einen Christen Namens Carpophorus, der überaus bewandert in den göttlichen Schriften sei, der aber, um der Verfolgung zu entgehen, einen nur wenigen bekannten Ort bewohne. Hierüber hoch erfreut, begab sich Chrysanthus zu dem Priester Carpophorus, erlernte in wenigen Monaten den Inhalt der göttlichen Schriften und empfing hierauf die h. Taufe. Davon hörten bald seine Angehörigen und sprachen zu dem Vater des Jünglings: „Es wird dir zum Verderben angerechnet werden, daß dein Sohn es wagt, die Götter zu verachten. Wenn solches dem Kaiser zu Ohren kommt, wird er deiner nicht schonen. Denn es ist eine offenbare Auflehnung gegen die Gesetze des Staates.“

Von Zorn ergriffen, ließ der Vater den Jüngling in einen dunklen Kerker werfen und ihm nur spärliche Nahrung reichen. Das nahm Chrysanthus aber nicht als Strafe, sondern als Prüfung hin. Da rieth ein Freund dem Vater, von solcher Härte abzustehen und sprach: „Willst du deinen Sohn von seinem Vorhaben ablenken, so sorge, daß er sich dem Wohlleben ergebe; gib ihm eine schöne, kluge Frau; dann wird er das Christenthum verlassen. Denn Leiden betrachten die Christen nicht als Strafe, sondern vielmehr als Verherrlichung.“

Hierauf eingehend, ließ Polemius seine Speisezimmer mit seidenen Teppichen bekleiden, den Sohn aus dem dunklen Kerker befreien, ihm köstliche Gewänder anlegen und ihn nach jenem Gemache bringen, wo bereits eine Anzahl der schönsten Sclavinnen, zierlich geputzt, versammelt war.

Der Mann Gottes, von den Spielen der Mädchen umgeben, blieb jedoch standhaft in seinem Entschluß. Niederknieend zum Gebet, betrachtete er die Schmeicheleien der Dirnen als Pfeile, die er mit dem Schilde des Glaubens abwehren müsse und sprach: „Erhebe dich, Herr, mir zum Beistand; sage meiner armen Seele, ich bin dein Heil. Wer könnte wohl in diesem von dem Teufel angeführten Kriege bestehen, wenn du ihm nicht deine siegende Hand reichtest?“ Diese Worte waren kaum gesprochen, als die Sclavinnen in den tieffsten Schlaf versanken.

Als das nun dem Vater hinterbracht wurde, begann dieser um seinen Sohn, wie um einen Verstorbenen zu trauern. Einer seiner Freunde suchte ihn zu trösten und sprach: „Dein Sohn hat bei den Christen magische Künste erlernt und alberne Mädchen sind leicht durch Zauberformeln zu bestricken. Führe im eine unterrichtete, kluge Jungfrau zu; die wird ihn in ihr Netz ziehen.“ „wo aber“, fragte Polemius, „sollen wir die Jungfrau finden, die solches vermag?“ Der Freund antwortete: „Unter den Priesterinnen der Göttin Vesta findet sich eine, die reizend und schön, mit scharfem Verstande seltene Bereitsamkeit verbindet, dazu auch im heirathsfähigen Alter steht. Wir wollen ihr mittheilen, wie es mit dem Jüngling steht, auf daß sie ihn von seinem Vorhaben ablenke und ihm angetraut werden könne“. So geschieht es.

Daria, die Vestalin, wird für den Handel gewonnen. In glänzenden Gewändern, von Kostbarkeiten leuchtend, tritt sie kühn vor Chrysanthus hin und sucht durch mildes Zureden, durch süßen, zierlichen Vortrag dem Jüngling sein Vorhaben zu verleiden. Aber Chrysanthus, stark unter Gottes Schutz, fängt mit dem Schilde des Glaubens die Pfeile des Teufels auf und spricht: „Wenn du, edle Jungfrau, in Anbetracht einer vergänglichen Verbindung, diesen Putz angelegst und solch süße Worte gebrauchest, um einen sterblichen Menschen seinem Vorhaben zu entfremden, wie viel mehr Mühe solltest du anwenden, um die Liebe des unsterblichen Königs, des Sohnes Gottes, zu verdienen! Das wird aber, wenn du willst, nicht schwierig sein. Denn wenn du deine Seele von jedem Flecken rein bewahrst, dein Herz und deinen Körper zierst und dein Inneres in gleicher Weise ordnest, so werden die Engel dich begünstigen, daß Christus selbst dein Bräutigam werde. Der wird dir die ewigen Freuden des Paradieses bescheeren und deine Mitgift im Buche des Lebens verzeichnen“.

Daria entgegnete: „Die Liebe hat mich nicht in diesem Putz hierhergeführt; sondern die Thränen deines Vaters rühren mich; dem will ich dich wiedergeben und und dem Dienste der Götter“.

Nun, wenn du Gründe hast, mich von der Rechtmäßigkeit deiner Sendung zu überzeugen, will ich dich aufmerksam anhören und mein Vorhaben aufgeben.“

Daria fuhr fort: „Nichts ist dem Menschen nützlicher, ja nothwendiger, als die Religion zu bewahren; denn sie ruft den Zorn der Götter auf und herab, wenn wir sie vernachlässigen.“

„Dann sag mir aber, du erleuchtete Jungfrau, welchen Dienst sollen wir den Göttern darbringen? Unter welchen Bedingungen können sie unsere Hüter sein, die selbst der Hut der Hunde bedürfen, damit sie nicht von Dieben geraubt werden, und die durch eiserne Nägel befestigt werden müssen, damit sie nicht von ihren Altären herabfallen?“

Nicht allzuschwer fand es Chrysanthus, Daria's Ansicht zu widerlegen. Die Schöne, die kluge, die gelehrte Daria glaubte und wurde bekehrt.

Chrysanthus und Daria schlossen nun einen geistigen Bund, welchen sie, um ihn desto sicherer zu verbergen, unter vorgeblicher Ehe schützten.

Hiermit war Polemius zufrieden. Denn daß die vermeintlichen Brautleute sich vereinigt hatten, um in der Furcht Gottes jungfräuliche Keuschheit zu bewahren, konnte er nicht wissen; es blieb ihm auch verborgen, daß Chrysanthus die kaum dem Hause zugeführte Braut taufen ließ, und daß dies den Schleier der christlichen Jungfrauen empfing, nachdem sie sich in kurzer Frist den Inhalt der h. Schriften angeeignet hatte.

Die beiden Brautleute wirkten nun für den christlichen Glauben; Chrysanthus bei den jungen Männern Roms, Daria bei den Jungfrauen. Das wurde jedoch bald dem Prätor Celerinus angezeigt. Der gebietet, die Angeklagten zu ergreifen und sie, im Falle ihrer Weigerung den Göttern zu opfern, mit Martern zu züchtigen.

Chrysantus wird nun dem Tribun Claudius zugeführt und von diesem den Soldaten überliefert, mit der Weisung, den Frevler nach Jupiters Tempel zu schaffen, wo er, falls er sich sträube, dem unüberwindlichen Herkules zu opfern, mit verschiedenen Tormenten zu belegen, bis er gehorsamen würde.

Hierauf banden ihn die Soldaten mit im Wasser erweichten Ochsensehnen, die im Trockenen bis zu den Knochen sich ausdehnen mußten, um die Qual zu erhöhen. Also eingeschnürt, verlor er alsbald das Gesicht, daß er die Martern nicht mehr sah. Als aber seine Henker von ihm abließen, sprangen sogleich seine Fesseln. In ihrer Wildheit sich steigernd, banden die Soldaten ihn mit einer dreifachen Kette, die aber in ihrer Gegenwart, während sie seiner spotteten, in Staub sich auflöste. Jetzt erhoben ihn die Soldaten, begossen ihn mit Jauche, ihn versichernd, seine zauberischen Künste würden ihm nichts helfen. Aber statt des Gestankes verspürte man einen süßen Wohlgeruch, als sei Rosenwasser vergossen worden.

Hierauf zogen sie einem Kalbe die Haut ab, zwängten ihn nackt in das Fell und legten ihn an die Sonne. Der Mann Gottes fühlte aber keinen Schmerz, obgleich er den ganzen Tag über in drückender Hitze und brennendem Sonnenschein aushielt.

In Ketten gebunden, wurde er nun in ein dunkles Loch, herabgelassen. Aber die Ketten sprangen und beleuchteten, Lampen gleich entzündend, die Finsterniß. Das Alles wurde dem Tribun Clauidus gemeldet. Der kam zum Gefängniß und gebot, bei dem Anblick des Lichtes, daß Chrysanthus heraufgezogen würde.

„Welche Kraft,“ fragte der Tribun, „verstehst du in dein Gaukelspiel zu legen? Alle jene Magier, die Beschwörer, habe ich gezähmt; niemals bin ich in ähnlicher Macht in der Zauberkunst begegnet. Da ich aber in dir einen klugen Mann finde, verlange ich von dir nichts weiter, als daß zu ernstlich die Sippe der Christen, durch welche Tumult und Aufruhr in dem römischen Volk hervorgerufen wird, verlassest und den allmächtigen Göttern die ihnen gebührenden Opfer darbringst.“

„Wäre in dir,“ entgegnet Chrysanthus, „ein Funken Vernunft, so müßtest du erkennen, daß nicht Zauberkraft, sondern Gott selbst in seiner Allgegenwart mir beisteht. Ein geringes Maß von Einsicht müßte dich belehren, daß an deinen Göttern nichts sein kann als Staub und Blei.“

Hierauf wird Chrysanthus auf des Tribuns Claudius Befehl an einen Pfahl gebunden, um mit Ruthen gestrichen zu werden. Aber die Ruthen in der Soldaten Händen werden, sobald sie des heiligen Mannes Leib berühren, weich wie Papier.

Das wahrnehmend, läßt der Tribun seine Bande lösen, die Kleider ihm reichen und spricht zu seinen Soldaten:

„Wie ihr wisset, habe ich alle Betrügereien der Magier entdeckt, doch jetzt erkenne ich, daß hier keine menschliche Arglist waltet, sondern die Macht des unsichtbaren Gottes. Da in dem, was uns vorliegt, die Wahrheit nicht zu verkennen ist, bleibt uns nichts übrig, als daß wir, hingestreckt auf die Kniee, Verzeihung erbitten für das an ihm Gesündigte, und von ihm erhalten, daß er uns mit jenem Gott versöhne, der seinen Dienern in allen Kämpfen den Sieg verleiht. Wie er uns besiegt hat, wird er unsere Fürsten und Kaiser insgesammt überwinden!“

Mit diesen Worten warfen Claudius und seine Soldaten sich dem Heiligen zu Füßen, und der Tribun sprach: „Wohl erkenne wir in deinem Gott den wahren Gott. Darum bitten wir, du mögest in dessen weitere Kenntnis uns einführen und uns mit ihm versöhnen.“ Hierauf belehrte Chrysanthus sie, und es glaubte Claudiums, der Tribun, Hilaria, seine Frau, ihre beiden Söhne, Jason und Maurus, ihre Freunde und sämmtliche Hausgenossen. Auch die Soldaten glaubten, und wurden alle an einem und demselben Tage getauft.

Hiervon bald unterrichtet, ließ der Kaiser Numerian den Tibun Claudius, dem ein Stein angehängt wurde, ins Meer versenken und die Soldaten verhören, in der Absicht, über alle, welche Christentum zu verleugnen sich weigerten, die Todesstrafe zu verhängen. Des Verhörs haben die beiden Söhne des Claudius nicht gewartet; sie bekannten Christentum aus freien Stücken und begehrten freudig, für seinen Namen zu sterben. Diesem Beispiel folgten auch die übrigen und gelangten in derselben Stunde zur Glorie des Marterthums.

An dem Orte, wo sie litten, stand ein altes Monument, um darin bei nächtlicher Weile alle Leichname der h. Martyrer zu bergen. Zu diesem Monument begab sich häufig Hilaria, des Claudius Wittwe; da wurde sie angehalten und sollte weggeführt werden. Sie bat, man möge sie doch ihr Gebet vollenden lassen. Nun betete sie, die Augen zum Himmel erhoben:

„Jesus Christus, mein Herr und Heiland, den ich aus Herzens Grund bekenne, vereinige mich mit meinen Söhnen, welche du zu deinem Glauben berufen hast.“ Während sie noch weiter betete, gab sie alsbald über diesem Gebet ihren Geist auf. Die, welche sie festgenommen hatten, spürten eine Regung des Mitleidens wegen ihres plötzlichen Todes und ließen bei dem Leichnam die beiden mit ihr gekommenen Dienerinnen zurück. Sorgfältig haben diese die Selige beerdigt und auf der Stelle ein kleines Monument gesetzt. Grund und Boden war ihr nämlich eigen.

Der Kaiser Numerian verfügte, daß Chrysanthus in dem tieffsten Kerker verwahrt werde und zugleich mit Daria Qualen erdulde. Er wurde hierauf nach dem Tullionischen Kerker, dem tieffsten, häßlichsten Verließ gebracht und nackt, wie er war, mit eisernen Ketten angeschlossen.

Daria wurde in ein öffentliches Haus geschleift. Mit mannigfaltigen Qualen angegriffen, haben die Heiligen von Gott verschiedene Gnaden empfangen.

Chrysanthus wurde durch lieblichen Geruch und durch Licht erfreut. Daria empfing Hülfe von einem dem Amphitheater entflohenen Löwen. Er sprang in das Haus, wo sie inständig betete und legte sich ihr zu Füßen. Da trat ein junger Römer zu der Heiligen hin; den erfaßte aber alsbald der Löwe, warf ihn zu Boden, trat ihn unter die Füße und gab durch seine Blicke der Jungfrau zu verstehen, daß sie nur zu bedeuten habe, was er thun solle. Da sprach die h. Daria: Ich beschwöre dich im Namen des Sohnes Gottes, daß du ihm vergönnst, meine Worte zu hören.“

Der Löwe ließ nun ab von dem Burschen und hielt draußen Wache, daß kein anderer hinzukomme.

Daria wandte sich nun zu dem Menschen hin und sprach: „Siehe, der Löwe in seiner Wildheit, den Namen Christi hörend, bekennt seinen Gott, und du, Unglücklicher, bist in Laster versunken.“

Da wimmerte dieser zu den Füßen der Jungfrau hinsinkend: „O, gebiete ihm, daß er mich doch unbeschädigt gehen lasse, so werde ich allen verkünden, daß Christus, den du anbetest, der wahre Gott ist, und daß es außer ihm keinen wahren Gott gibt.“

Daria befahl nun dem Löwen, den Menschen gehen zu lassen. Der Löwe zog sich zurück, und der Bursche durchlief die ganze Stadt mit dem gewaltigen Rufe: „Erkennet ihr Römer alle, daß Daria eine Göttin ist!“

Als aber einige beherzte Männer aus der Rennbahn hinzukamen, um den Löwen einzufangen, warf dieser einen nach dem anderen zu Boden und hielt sie festgebannt der h. Daria zu Füßen, ohne ihnen weiteres Leid anzuthun.

Da sprach Daria zu den Geängstigten: „Wenn ihr an Christum glaubt, möget ihr unbeängstigt eures Weges gehen; wenn nicht, so laßt euch durch eure Götter befreien.“ Da stimmten alle in den Ruf ein: „Wer nicht glaubt, daß Christus der wahre und lebendige Gott ist, der soll nicht lebendig von hier weggehen!“ Nachdem sie dieses bezeugt, brachen sie auf unter dem fernen Ruf: „Glaubt ihr Römer, es gibt keinen anderen als Christus, den Daria verkündet!“

Um dem nun zu wehren, läßt der Prätor Celerinus Feuer an dem Hause anlegen, worin Daria sammt dem Löwen sich befindet. Bei dem Anblick der Flammen erschrickt der Löwe und gibt durch sein Gebrüll seine Furcht zu erkennen.

„Fürchte nichts,“ beruhigt ihn Daria, „du sollst nicht verbrennen; du wirst vielmehr eines natürlichen Todes sterben. Geh hin und verfolge in Frieden deine Straße.“

Gesenkten Hauptes nahm der Löwe Abschied und lief davon. Alle die aber, welche aus seinen Klauen errettet wurden, empfingen sämmtlich die h. Taufe.

Dies Alles wurde alsbald dem Kaiser berichtet; er gebot nun dem Prätor Pontius, daß über Chrysanthus und Daria, falls sie den Göttern zu opfern sich weigerten, verschiedene Qualen verhängt würden, als Einleitung zu dem härtesten Tode.

Hierauf ermahnte der Prätor die Beiden zu opfern, bis endlich Pontius den Chrysanthus im Zeughaus aufhängen ließ. Aber es brach das Holz; es lösten sich die Bande; es erloschen die Fackeln.

Zugleich fühlten Diejenigen, welche die h. Daria ergreifen sollten, die Sehnen ihrer Hände erstarren und empfanden den heftigsten Schmerz. Erschreckt über solchen Anblick, eilte der Prätor zum Kaiser, um über das, was sich zugetragen, Bericht zu erstatten. Dieser schrieb Alles magischen Künsten zu und verfügte, daß Beide vor die Stadt gebracht, lebendig in der Salarischen Straße begraben würden.

Als man mit ihnen dahin gekommen, stiegen Chrysanthus und Daria unter Gebet und Gesang hinab zur Grube und wurden sofort mit Erde und Steinen überschüttet. So erlangten sie die Marterkrone.

Als hierauf an genannter Stelle viele Wunder und Heilungen geschahen, wurde das Gedächtniß jener Martyrer in einer benachbarten Höhle von einer Menge Männer, Weiber und kinder feierlich begangen. Hiervon in Kenntniß gesetzt, ließ Numerian die Mündung der Höhle und den Aufgang dazu verstopfen. Alsdann empfingen Alle, welche der Feier beigewohnt, die Marterkrone.

Den ganzen Verlauf des Marterthums der Heiligen haben, dem Befehl des heiligsten Vater Stephanus gehorsam, die Gebrüder Varinus und Armenius niedergeschrieben und an alle Städte versandt, damit ein jeder wisse, daß die h. Martyrer Chrysanthus und Daria den Preis des Martyererthums von dem Herrn in seinem himmlischen Reiche empfangen haben, von dem Herrn, dessen Reich jetzt und durch die Jahrhunderte der Jahrhunderte unvergänglich bleibt. 7)

Als die h. Martyrer beigesetzt waren, geschahen, laut dem Bericht folgende Wunder: 8)

Jemand kam hin, der fortwährend taub gewesen war; die Verdienste der Heiligen bewirkten, daß er das Gehör wieder empfing.

Einer, dessen Arm so sehr gelähmt war, daß er schlaff herabhing und der dazu noch taub war, trat gläubig an das Grab der Heiligen und erlangte den Gebrauch seines Armes nebst dem Gehör wieder.

Ein anderer hatte gleichfalls einen lahmen Arm, der beständig herabhing und zu allen körperlichen Dingen untauglich war. Er wand ein Bündel Flachs um die steife Hand, kam zu der Memorie der Heiligen, wie es sich ziemte, und opferte es auf dem Altare; alsbald war die Steifheit verschwunden; die frühere Kraft des Armes kehrte zurück.

Eine Frau wünschte aus Liebe zu Gott die Diener der h. Martyrer mit leiblichen Mitteln zu unterstützen. Sie belud einen Wagen mit Brod und Trank, fügte anderes Nothwendige hinzu und eilte an den Ort. In der Nähe angelangt, ging sie dem Wagen voraus. Als sie aber sah, daß das Grab keineswegs von Gold und Silber erglänzte, verachtete und verspottete sie in ihrem albernen und unfrommen Sinn den Ort, wandte sich eiligen Schrittes den Ihrigen entgegen und hieß sie des Weges, den sie gekommen waren, heimkehren, mit den Worten: es gebe allda keine Heiligkeit. Doch die Heiligen wurden gerächt. Der Wagen der Frau brach in Stücke, der Trank rann aus und Alles, was auf dem Wagen lag, wurde so herumgeworfen, daß es zu nichts mehr zu gebrauchen war. Sie selbst aber ereilte am Tritten Tage zur Strafe ihre Verachtung der Heiligen der Tod.

Eine andere Frau hatte starken Ausschlag am ganzen Körper, so daß man ihn für Aussatz hielt; sie lag beständig zu Bett und keine Arzt konnte ihr helfen. Da hörte sie, daß ihre Nachbarn eine Kerze zu Ehren der h. Martyrer anfertigten. Ihr Glaube ward entzündet; sie kaufte ein Stückchen Wachs und ließ es in die Kerze mischen. Als nun die Kerze an das Grab der Maryrer gebracht und angezündet wurde, empfand die Kranke, obwohl in der Ferne, die Wirkung: sie stand vom Bett auf und erlangte die frühere Gesundheit des Körpers wieder.

Gleicher Weise hatte eine andere Frau gekrümmte und steife Finger; an sie erging die höhere Mahnung, zu der Memorie der Heiligen zu eilen, wa sie auch mit gläubigem Sinne that. Sie kehrte so gesund zurück, als ob sie nie ein Leiden gehabt hätte.

Ein Edler wollte aus Liebe zu der Heiligen den Ort besuchen und wünschte, seine Frau möge ihn begleiten. Doch diese erklärte, lieber an ihre Arbeit zu gehen; es sei nicht wahr, was der Ruf über den Ort ausgebreitet habe. Jener führte sein Vorhaben aus; sie dagegen verharrte in ihrer Ungläubigkeit. Als sie sich aber an die beabsichtigte Stelle verfügte, ward sie vom Pferde abgeworfen und brach den Arm; bis zur Stunde, wo dieser Bericht aufgezeichnet wurde, war sie so geblieben und konnte durch kein ärztliches Mittel geheilt werden.

Ein kleiner Knabe war von Geburt an lahm und konnte nicht gehen. Seine Mutter brachte ihn gläubig auf ihren Schultern zum Grabe der Heiligen; er wurde durch die Verdienste derselben geheilt, so daß er, den man hergetragen hatte, nun auf eigenen Beinen der Mutter folgte.

Einer Frau war die Hand und der Arm so krumm und gelähmt, daß sie nicht einmal etwas damit zum Munde führen konnte. Sie lag vor dem Grabe der Martyrer lange auf den Knien; endlich erlangte sie durch die Fürbitte derselben am Tage vor der Palmenweihe die ursprüngliche Gesundheit wieder.

Als der Jahrestag der Überbringung der Leiber der Heiligen nach Münstereifel wiederkehrte und die Gedächtnißfeier bevorstand, fand sich eine fast unzählige Menge Volkes ein. Da begab es sich, daß eine Frau aus dem Zülpichgau von dem Benefizium des Odericus hinkam. Ihre einzige Tochter, Ermenrada mit Namen, im Alter von fünft Jahren, war erblindet; voll Schmerz brachte die Mutter sie andächtig zu den Heiligen, damit sie durch deren Verdienste möge sehend werden. Sie bat die Custoden, ihr einen Ort in der Kirche anzuweisen, wo sie die Fürbitte der Heiligen abwarten dürfe. Man bewilligte ihr den Winkel der Krypta, wo zu den Füßen der Heiligen man diese zu verehren pflegt. Da nun lag sie den ganzen Tag über und die Nacht starr und unbeweglich. Die Messe ward gesungen, bereits begann die zweite Nacht, als plötzlich die göttliche Kraft durch die Fürbitte der Heiligen sich wirksam zeigte. Das Mädchen empfing das klare Augenlicht wieder, nachdem es dasselbe, wie Allen bekannt war, drei Jahre entbehrt hatte. Dieses Wunder ging von Mund zu Munde, laut pries man Gott und seine h. Martyrer.

Gott indeß wollte dem gläubigen Volke durch ein zweites Wunder eine zweite geistige Freute bereiten und zeigen, wie verdienstvoll die hl. Martyrer in seinen Augen daständen. Eine Frau, Bertrade mit Namen, aus den Hörigen des h. Maximin in Trier von Uexheim in der Eifel, litt an äußerster Körperschwäche; ihre Nerven versagten den Dienst, sie war contrakt und an den Gliedern lahm. Da hörte sie von der Gewalt der Heiligen und kam zu dem nämlichen Feste, in der Hoffnung auf Genesung. Andächtig flehte sie zu den Martyrern um Hülfe und erlangte durch sie die Gesundheit wieder. Als nämlich die Feier der h. Messe vollbracht wurde, bewies sich an ihr jene Gewalt; die contrakt und gelähmt durch den Beistand anderer hergekommen war, kehrte festen Schrittes und auf eigenen Füßen in die Heimath zurück.

In dem Orte Sinzig lebte eine Frau mit Namen Gaminildis aus den Hörigen des h. Petrus, der St. Peterskirche in Sinzig, deren Gesicht so entstellt war, daß ihr Anblick nicht geringen Schrecken einflößte. Der Mund stand gegen das Ohr hin, die Augen blickten in die Quere, es war eine Mißgestalt zum Entsetzen. Diese bat ihre Herrin Heritrud, die zur Kirche der Heiligen pilgerte, eine Kerze, welche sie in Weise ihres Kopfes als arme Person angefertigt hatte, mitnehmen zu wollen, ob etwa durch die Fürbitte der Heiligen das Erbarmen des Allmächtigen ihrem Leiden Abhülfe bringen möge. Die Herrin gewährte die Bitte und nahm ihr Opfer mit. Als sie an der h. Stätte war, zündete sie die Kerze, wie es Brauch ist, während der h. Vigilien an. Alsbald erbarmte die göttliche Kraft sich, der in der Ferne befindlichen Ärmsten und nahm alle Mißgestalt von ihrem Antlitze. Denn als die Herrin heimkehrte, fand sie dieselbe der Art genesen und wohlgestaltet, daß auch nicht ein Zeichen der früheren Krankheit zurückgeblieben war. Auch dieses Wunder geschah an dem Leidenstage der Heiligen.

Ein Mann mit Namen Freosbald aus Bonn ragte unter den Mitbürgern durch seinen Reichthum hervor; er war Kaufmann. Nun lag er an einer Gliederlähmung darnieder, so daß man ihn nicht anders als für paralytisch hielt; denn am ganzen Körper leidend, bewegte er sich mehr durch durch die Hülfe von Dienern, als mit den eigenen Beinen. Dieser vernahm von der Gewalt der Heiligen, welche durch ihre Führbitte sich an den Kranken wirksam zeige. Er wünschte also, zu ihrer Memorie gebracht zu werden, damit sie wie anderen so auch ihm die Gesundheit erwirkten. Man trug ihn in einer Sänfte, denn anders konnte er, wie gesagt, nicht fortkommen. Als er sein Gelübde vollbracht hatte, aber gar keine Besserung verspürte, ließ er sich zurückbringen, doch ohne irgendwie an der Hülfemächtigkeit der Heiligen zu zweifeln. Seine Absicht war, zu gelegener Zeit wieder zu kommen. Doch die h. Martyrer bleiben seines Glaubens nicht uneingedenk, sondern würdigten auch ihn ihres gewohnten Beistandes, auf daß sie bewiesen, wie sie nicht bloß in der Gegenwart, sondern auch aus der Ferne durch ihre Fürbitte helfen könnten. Denn während die Diener mit ihm auf dem Wege waren, fühlte der Kranke durch die Verdienste der Heiligen seine Kräfte allmählich wiederkehren. Zu Hause angelangt, setzte man ihn aus der Sänfte nieder; er begann, festen Schrittes und an allen Gliedern seines Körpers gekräftigt, einher zu schreiten, so daß er, der vorhin durch beständige Krankheit abgezehrt, unfähig da lag, nun durch die Fürbitte der Martyrer wieder zu Allem tauglich war. Er lobte und pries Gott, der durch seine Heiligen ihm die lange versagte Gesundheit wieder gegeben hatte, und er erfreut sich derselben, sagt der Berichterstatter, bis auf den heutigen Tag.

Ein Mann aus den Hörigen des h. Petrus, Daguin mit Namen, auf der Villa die Elvenich heißt, wurde in dem nämlichen Jahre, wo die Leiber der Heiligen beigesetzt wurden, so in den Lenden lahm, daß er gar nicht mehr gehen konnte, sondern auf Händen und Füßen kroch. So verblieb er ein ganzes Jahr; dann wurde er an den heiligen Ort auf einer Karre gebracht. Drei Tage lang kroch und schleppte er sich durch die Kirche und ließ sich in der Krypta oft bei der Memorie der Heiligen nieder. Als man in der vierten Nacht die Rocturnen läutete und er in gewohnter Weise sich einfand, hieß nach Beendigung derselben der Kustos ihn zur Stunde die Kirche verlassen. Er gehorchte dem Befehle und schleppte sich in die Vorhalle der Kirche. Doch der heftige Wind ließ ihn dort nicht lange bleiben; er begab sich nun in die andere Halle, welche durch die Kirche zu dem Armenhospital führt. Hier nun warf er sich an den Eingang in die Kirche zur Erde. Als er eine Zeit lang dort gelegen hatte, erblickte er, wie er selbst erzählte, zwei weiß gekleidete Knaben von wundersamer Schönheit. Sie traten durch das nämliche Thor heraus und schritten gegen das Hospital hin. Hier weilten sie kurze Zeit; dann kehrten sie durch die nämliche Halle zurück: dabei rührte einer von ihnen an seine Schulter und sprach: „Steh' auf, du bist geheilt; geh' in deine Herberge.“ Alsbald erwachte er gesund und sprach Gott Lob und Dank, der ihn durch seine Heiligen so geheilt hatte, daß er, der auf einem Karren gekommen war, nun auf seinen eigenen Füßen nach Hause wandelte.

Ein kleiner Knabe aus den Hörigen des h. Petrus in Münstereifel, Bernfrid mit Namen, war dermaßen erblindet, daß er gar nichts mehr sah und an der Hand geführt wurde. Als die Weihnachten kamen, dünkte seinem Vater, der , wie der Sohn auch Bernfried hieß, er wolle ihn zu der Memorie der weit berühmten Heiligen bringen. Zur Zeit also, wo nach dem Brauche die Vigilien während der Nacht gefeiert werden, ward er in die Krypta zu den Füßen der Heiligen gelegt, um allda durch ihre Fürbitte die Macht des göttlichen Erlösers abzuwarten. Als die Vigilien beendigt waren, wurde der Knabe in das Armen-Hospital gebracht. Nachdem es wieder Tag geworden, wollte er zu der Gruft in guter Hoffnung zurückkehren. Durch das Erbarmen des göttlichen Erlösers aber und durch die Fürbitte der h. Martyrer befand er sich unerwartet am Ziele. Denn als er bei Tagesanbruch vom Lager sich erhob, begann er Alles klar zu sehen, so daß er freien Trittes vor Aller Augen zur Kirche der Heiligen eilte und Dem Dank sagte, der an dem Tage „aufging in der Finsterniß, ein Licht denen, die rechten Sinnes sind.“ Auch dieser Knabe also hatte um die Verdienste der Heiligen willen das Augenlicht wieder erlangt.

Nicht weit von der Besitzung des vorgenannten Klosters Münstereifel ist eine Villa, die man vor Alters Taberna (Tavern) zu nennen pflegte. Dort lebte ein Mann mit Namen Avold. Eine Nervenlähmung hatte seinen ganzen Körper so ergriffen, daß er, beinahe an allen Gliedern leidend, kaum das Anrühren anderer ertragen konnte. Ähnlich dem Gichtbrüchigen im Evangelium, ward er zwischen den Händen von Dienern zu dem Grabmal der Heiligen gebracht. Hier heitle ihn in kurzer Zeit auf die Fürbitte der Heiligen die göttliche Gütigkeit dergestalt, daß er mit gekräftigten Gliedern frohlockend und Gott preisend auf seinen eigenen Beinen nach Hause zurückkehrte, der durch die Mithülfe anderer gekommen war.

Ein anderer von der nämlichen Villa, Humbald mit Namen, entbehrte des Augenlichtes. Er hörte von der Gewalt der Martyrer und wußte, daß sein gichtbrüchiger Nachbar, obgleich alle Glieder ihm den Dienst versagten, seine frühere Körperkraft wiedergewonnen hatte; voll Hoffnung bat er seinen Bruder, ihn dahin zu führen. Dieser, von Mitleid mit dem blinden Bruder ergriffen und gleichfalls auf die Verdienste der Martyrer vertrauend, begab sich mit ihm auf den Weg. Der Blinde eilte, eine Vorbedeutung seiner Heilung, mit wundersamer Behendigkeit an der Hand des Bruders dem Orte zu. Als sie nicht mehr weit davon waren, so daß man den Gipfel der Kirche sehen konnte, und der Blinde ein wenig zurückblieb, sagte sein Führer: „Bruder, wenn dir das Augenlicht gegeben wäre, könntest du schon das Dach und die Wände der Kirche der Heiligen erblicken.“ Der Blinde, still in sich gekehrt, flehte die göttliche Hülfe an durch die Fürbitte der Heiligen und, o Wunder! Die Dunkelheit wich, er begann, ein wenig zu sehen und auf die seinem Geiste eingegebenen Orte mit dem Finger zu zeigen. Dann am Grabe der Heiligen angelangt, empfing er binnen wenigen Tagen die ursprüngliche Gesundheit wieder, so daß er nicht allein die frühere Sehkraft gewann, sondern auch die volle Größe der Augen, welche durch die lange Blindheit so klein geworden waren, daß kaum noch die Pupille in ihnen sichtbar war.

Ein anderes, nicht ganz unähnliches Wunder möge hier noch eine Stelle finden. Eine Frau, in ähnlicher Weise ein volles Jahr erblindet, war sehr unglücklich und bekümmert. Sie verfertigte ein Seil zum Anziehen der Glocken, kam an den Ort und opferte es Gott und den h. Martyrern. Den Custos bat sie, falls das Seil nicht passe, ihr die Form anzugeben, damit sie zu Hause es passend machen könne. Als inzwischen der Custos zögerte, ließ sie sich dahin führen, wo die Glockenseile hingen; denn sie wünschte ihre Arbeit dort anzufechten. Als sie mit der Hand die Dicke prüfte, verherrlichte die Macht Gottes sich an der Aermsten, so daß wunderbar plötzlich ihre Blindheit wich und ihr klares Augenlicht wieder erhielt. Freudig und voll Jubel lief sie zurück an das Grabmal der Martyrer, ihnen Dank sagend, weil durch ihre Verwendung die göttliche Barmherzigkeit sie solcher Gnade gewürdigt habe.

Zur Zeit, als die Reliquien der Heiligen am genannten Orte beigesetzt wurden, lebten auf der Villa, die Kruft heißt, zwei Eheleute, Wilhelm und Engilswindis mit Namen. Seit ihrer Heirath waren sie fortwährend ganz gesund gewesen. Nun wurden zu jener Zeit Beide von der nämlichen Krankheit befallen. Von den Nieren nämlich abwärts waren sie am ganzen unteren Körper der Art gelähmt, daß sie auf keine Weise selbst sich von der Stelle bewegen konnten und von hülfreichen Händen getragen werden mußten. Als nun allenthalben sich der Ruf von der Macht und den Wundern der Heiligen ausbreitete, erfüllte er auch die Bewohner der Villa, die beschlossen, alle gemeinschaftlich des Gebetes halber dorthin zu pilgern. Die beiden Kranken hatte nicht sobald das fromme Vorhaben der Nachbarn vernommen, als sie keinen sehnlicheren Wunsch des Herzens kannten, als mitgehen zu können, obwohl es körperlich ihnen nicht möglich war. Sie nahmen also Wachs und machten Kerzen daraus, die sie durch ihre Angehörigen zu dem Grabmal der h. Martyrer zu schicken gedachten, ob vielleicht das Erbarmen des Erlösers durch die Dazwischenkunst der Heiligen ihrem Leiden Abhülfe bringen möge. Während sie so beschäftigt waren, erprobte sich wundersam an ihnen die göttliche Gütigkeit. Denn obgleich sie sich nicht von der Stelle bewegt hatten, erwies dennoch plötzlich sich die Kraft Gottes an ihnen dergestalt, daß sie gleichzeitig ganz gesund aufstanden, die Pilgerfahrt mit den anderen antragen und, die durch den Mund anderer um ihre Gesundheit zu bitten beabsichtigt hatten, nun selber durch die Fürsprache der ruhmreichen Verdienste der Heiligen persönlich ihre Gelübde darzubringen gewürdigt waren.

Eine Frau aus der Provinz der Ardennen, Immina geheißen, von der Villa Biesfeld, war schon lange taub, stumm und an den Händen gelähmt. Sie kam zu dem h. Orte in Begleitung der Nachbarn und mit Bewilligung ihrer Herrin Teotburga, um dort zu beten. Als sie nun einen ganzen Tag allda verweilt hatte, und sich zur Rückreise abschickte, erlangte sie zuerst den Gebrauch einer Hand, der Sprache und des Gehörs, dann auch den der andern Hand und die Gesundheit ihres ganzen Körpers wieder, so daß sie, wie nachher ihre Nachbaren und Verwandten bezeugten, nie in der langen Zeit vorher so gesund gewesen war.

Eine andere Frau, Grimilt mit Namen, hatte die Vorgenannte in ihrer Krankheit gesehen, sie an den heiligen Ort begleitet und war Zeugin ihrer Heilung gewesen. Diese Heilung, welche sie mit ihren Augen erblickt hatte, erzählte sie ihrem Manne und bat, er möge ihr vergönnen ,wieder dahin zu pilgern, um zu beten. Doch er schlug es dies Mal ab. Um die Stunde also, zu welcher, wie sich später herausstelle, im Münster der h. Martyrer die Feier der h. Messe am Sonntage anfing, der sie beizuwohnen gelobt hatte, ward sie von einer Schwäche an den Händen und von einer Schwere im ganzen Körper dermaßen befallen, daß sie nicht mehr gehen konnte und nunmehr auf einem Wagen wieder an das Kloster gebracht werden mußte. Nachdem sie eine Zeit lang an dem Grabmal der Martyrer gebetet hatte, wurde zuerst in der Kirche ihr eine Hand geheilt, dann erhielt sie über Tisch auch den Gebrauch der anderen Hand und die Gesundheit ihres ganzen Körpers wieder. So geschah es, daß sie, die frühere Erzählerin der Genesung einer anderen gewesen war, nun der eigenen Genesung teilhaft und Zeugin wurde.

Es besteht das Herkommen an dem Orte, daß am Tage des heiligen Osterfestes die Geistlichen bei dem Abendgottesdienst die gleiche Kleidung anlegen, wie es bei der Feier der h. Messe geschieht. Es begab sich also, daß der Custos dem Herkommen gemäß ebenso wie die anderen gekleidet einherging, um die Lichter in der Kirche anzuzünden. Hierbei war er zu unvorsichtig, so daß das Oel von den Lichtern auf ihn herabträufelte, und ein Theil des priesterlichen Gewandes, welches er trug, nicht wenig beschmutzt wurde. Der Custos, betroffen, ging sogleich zurück in die Sakristei, wo er das Gewand auszog und an geeignetem Orte nicht ohne gläubiges Vertrauen hinlegte mit den Worten: „Wenn du, h. Daria, es vermagst, so reinige dieses Gewand durch deine Fürbitte wieder!“ Folgenden Tages kam der Custos, das Kleid den Händen kundiger Frauen zu übergeben, die den Schaden ausbessern möchten. Doch wie emsig er auch zusah, er vermochte nicht den geringsten Flecken mehr daran zu entdecken, welcher das Gewand entstellt oder beschädigt hätte.

Es ist eine Villa unweit der Besitzung des Klosters, welche Wisa (Vettweiß bei Zülpich) heißt. Ihre Bewohner waren übereingekommen, einhellig an den Ort zu pilgern. Damit sie aber nicht mit leerer Hand kämen, legten sie zusammen und füllten ein Faß mit Bier, um so auch durch eine Gabe Gott und den h. Martyrern ihr Gelübde zu vollbringen. Als sie sich auf den Weg begeben wollten und rathschlagten, dachten sie, zurvor die Beschaffenheit der Gabe in dem Fasse zu prüfen. Sie machten also eine Öffnung; doch kein Tropfen kam zum Vorschein. Man glaubte der Küfer habe seine Sache schlecht gemacht und beauftragte deßhalb einen anderen, das Faß anzubohren. Allein auch der mühte sich vergebens ab. Nun erst fand es sich, als man nachsann, daß das Bier in einer nacht am Sonntage gebraut worden war. Sie erkannten also ihre Schuld, dachten auf reuige Sühne und gelobten Gott und den h. Martyrern, nie wieder während der Nacht an Sonntagen solche Arbeit zu thun, das Bier aber den Armen zu geben . Kaum war dieses Gelübde gemacht, so begann die Flüßigkeit reichlich hervorzusprudeln. Man theilte das Bier unter die Armen, braute anderes, und nun erst kamen sie ihrem Vorhaben gemäß zu der Kirche der Heiligen, bekannten ihre Schuld und kehrten nach vollbrachtem Gelübde nach Hause zurück.

So weit der Bericht. Die Geschichte der Übertragung der h. Reliquien von Rom nach Münstereifel und dieser Erzählung der Wunder haben den nämlichen Verfasser. Letztere betreffen daher Begebnisse aus der ersten Zeit nach der Abreise von Rom und der Ankunft der h. Gebeine in der neuen Gruft in Münstereifel.

Gleich schon nach Beisetzung der h. Reliquien begann eine große Verehrung der h. Schutzpatrone und aus weiter Ferne kamen die Pilger Jahrhunderte hindurch zu der h. Stätte. Hier erhört Christus der Herr fortan auf ihre Fürbitte und zum Lobe seines Namens die frommen Beter.

Die h. Reliquien waren in der Crypta neben dem Altare der h. Jungfrau Maria beigesetzt worden; höchst wahrscheinlich getrennt, rechts und links von genanntem Altare, wie noch jetzt die beiden Sockel der Behälter anzuzeigen scheinen, welche dem 9. Jahrhundert angehören dürften.

Hier blieben sie bis 1505, wo bei Gelegenheit der wunderbaren Heilung eines tauben und blindgeborenen Knaben ein neuer silberner Schrein, von Gold und Edelsteinen glänzend, angefertigt und selbiger mit den h. Gebeinen an die vordere Seite der Krypta, bei dem Aufgange zum Chore, hinter dem sog. Confessionsaltare, beigesetzt wurde.

Schon im Kriege des Herzogs Wilhelm von Jülich mit Karl V. wurde 1543 dieser silberne Schrein eingeschmolzen. 9) Wiederholt wurden die h. Gebeine während der Kriegsunruhen des 17. Jahrhunderts geflüchtet, einmal nach der Feste Arburg, im Jahre 1639, von dem Stiftsdechanten Anton Gleen, wo sie auf eine wunderbare Weise unbeschädigt geblieben, größtentheils zersprang, und später nach Köln, von wo sie im Jahr 1698 feierlichst zurückgebracht wurden. (Fest am zweiten Pfingsttage.)

Über diese Zurückbringung der h. Reliquien liegt folgender Bericht eines Augenzeugen vor 10):

Den 24. Juni 1698, am Feste Johannes des Täufers, Mittags gegen 1 Uhr, ist, wie es bekannt gemacht, auch in der Stiftskirche angeheftet worden, von der Stiftskirche die Prozession, begleitet von unsern Studenten, den Catechisten und den Bruderschaften, ausgegangen, um durch das Kölnische Tor zu dem Kreuz, welches bei der Mühle und Brücke gelegen, zu gelangen,. Da war aus Gehölz und Zweigen eine Bühne errichtet für die handelnden Personen. Zwei oder drei Stunden früher war die Jugend von den Handwerkern mit zwei Fahnen, behufs Leitung des Gesanges von zwei Flötenspielern begleitet, nach Euskirchen vorausgegangen. Die jüngeren Bürger, angeführt von ihrem Hauptmann zu Pferd, zogen bis nach Iversheim, den Heiligen entgegen. Zu weingarten hatte sich eine Prozession gebildet, um die Heiligen bis nach Iversheim zu begleiten. Auf dem der Stadt benachbarten, nach Osten schauenden Berg, am Eingang des Münsterer Waldes, waren zwölf kleine Mörser oder sogen. Kammern aufgepflanzt, ein Schuß sollte die Ankunft der Heiligen verkünden. Der Schuß wurde gegeben, doch mußte man bei ziemlich regnerischem, kaltem Himmel bis nach 4 Uhr warten, wo dann hinter der Prozession aus Iversheim zwei Wagen zum Vorschein kamen. Dem einen waren über und über mit rothen und weißen Bändern geschmückte Pferde vorgespannt. Darin saßen Herr Sitftsdechant Karl Breuer und der Stifts-Pleban Gerhard Gräff. Die in einer Kiste eingeschlossenen Häupter hatten sie vor sich. IN dem anderen Wagen saß die gnädige Frau von Goltstein, Wittwe des Jülich-Bergischen Kanzlers auch Amtmanns in Münstereifel, als welche die Kosten des Transports der Heiligthümer übernommen hatte. Vor der Kiste paradirte eine Schaar Jünglinge, deren Hüte mit Laub geschmückt waren. Als man zu dem steinernen Kreuz, welches die Straßen nach Wachendorf und Iversheim scheidet, gekommen, wurden die in der Kiste eingeschlossenen h. Reliquien von den vorbenannten Herren im Chorkleid herausgenommen, dann, um so mehr Verehrung ihnen zu bezeugen, von zwei anderen Chorherren wieder eingeschlossen. Und siehe, es erheiterte sich die Luft und begann sich zu erwärmen, nachdem sie den ganzen Tag kalt gewesen.

Wiederum wurden 12 Kammern abgefeuert. Als man in derselben Ordnung zur Mühle gelangt, wurden die h. Häupter von den Herren Canonicis in tieffster Ehrfurcht auf einen Tisch gesetzt.

Eine theatralische Darstellung, Ceres von Tannen umgeben, beklagte die in der Abwesenheit der h. Reliquien eingetretene Dürre und Unfruchtbarkeit der Äcker, das Elend der Landleute, beschrieb die Fruchtbarkeit und den Überfluß, die Glückseligkeit überhaupt, welche den Verdiensten der Heiligen zuzuschreiben sein würde, und begrüßte freudig deren Rückkehr.

Wiederum wurden 12 Kammern gelöst und die Prozession zog in die Stadt ein. Hier trat die Justitia auf, um zu beklagen die in Abwesenheit der Heiligen vorgekommenen Gewaltthaten des Kriegsgottes, die Greuel, die Feuersbrünste, die Plünderungen, alles Elend der einst so blühenden Stadt. Dann ermahnte sie die Bürger guten Muthes zu sein, sich Glück zu wünschen zum Aufgang des neuen Sterns und ihre Geschicke dem Schutze der h. Schutzpatrone zu übergeben. Dazu donnerten Geschütze und Büchsen. Dem Clerus gingen unsere Studenten mit gekrönten Hornbläsern und mehreren der in Scene gesetzten Personen voraus. Zwischen Laubgewinden und Triumphbogen bewegte sich der lange Zug bis zum Schulhaus. Davor war ein bis zur Vorderseite der Rhetorika reichender Parnaß angebracht, sehr geschmackvoll und künstlich mit Bäumen, Gesträuch und Blumen bekleidet. An des Berges Fuß entsprangen zu allgemeinen Erstaunen starke, hoch ihre Wellen aufwerfende Gewässer, die auch am folgenden Tag über die Gottestracht spielen sollten, was zwar der Regen verhinderte. Auf dem Parnaß empfing Apollo, mit den Musen eine schöne Gruppe bildend, die Heiligen mit lateinischen und deutschen von Musik begleiteten Gesängen. Darauf ging es vom Portikus aus nach dem von den Carmelitessen unter einem Baldachin künstlich errichteten Altar, auf welchen die niedlich beleuchteten Häupter der Heiligen gesetzt wurden; um denselben herum hatten sich die Vicarien und Leviten geordnet. Hier traten die Religion und die Tugenden in ihrem Gefolge auf, der Andacht Beifall zu bezeigen und nachdem sie die Herrn Canoniker wegen des schweren, während der Kriegsläufte an ihrem Besitzthum erlittenen Verlustes getröstet, kehrte sie in Taubengestalt, den Oelzweig des Friedens im Schnabel tragend, in ihre Wohnung zurück. Vorher hatte sie noch der bewegten, Thränen vergießenden Menge, zum Lohn der geleisteten Buße und der bezeigten Geduld, goldene Jahrhunderte des Friedens verheißen.

Nicht nur hielt auf dem Markt die bei allem regen Antheil nehmende Prozession, welche mit ihrer Gegenwart beehren die gnädige Frau von Goltstein, ihre Enkelin, unser Rektor Heinr. Hinterhausen und dessen Socius, P. Franciskus Weisweiler, der Rektor von Köln und P. Jon Raquet, der Prediger bei den Jesuiten, die zu dieser Handlung ausdrücklich eingeladen haben, ferner der Herr Amtsverwalter, der Stadtvogt, die Bürgermeister, die Rathsherren, sondern es waren auch Häuser und Fenster von zahlreichen Fremden, worunter mehrere Kölner, eingenommen.

Schließlich, als die studirende Jugend verstummte, gewann Hauptmann Trips, der in der Fronte seines Volkes auf dem Markt, unweit der Carmelitessen sich bewegte, mittelst der gegebenen Artillerie- und Kleingewehrsalven den letzten Preis, worauf wir vom Markt aus zu Chor gingen, und nach dem Te Deum und dem Segen, während die Herren Cononici die Vesper anstimmten, setzten wir uns mit dem Collegium zur Abendmahlzeit nieder.

Dem ehrw. Capitel gefielen aber die von unserem Gymnasium den h. Patronen dargebrachten Leistungen so sehr, daß obgleich der Herr Dechant und der Thesaurorius bereits im Collegium das Magisterium mit einem Trunk Wein erfreut, auch noch auf dem Apolloberg, auf der Grundfläche der alten Burg den P. Rector, den P. Präfect sammt dem Magisterium auf das freigebigste bewirthet hatten, sie doch laut einhelligen Beschlusses des hochw. Capitels Refektorium gehalten haben, wozu der P. Rector, P. Maximilian Scheiffart, der Schulpräfekt und der Procurator des Collegiums eingeladen wurden. Gepriesen sei Gott in seinen Heiligen etc. So bezeuge ich, der ich von Anfang bis zu Ende Zuschauer und zum Theil Mithandelnder gewesen bin, Maximilian Scheiffart.

Auch Weihgeschenke wurden den Heiligen dargebracht, unter anderen eine kostbare goldene Denkmünze, welche die Stadt Köln ihnen verehrte.

Jetzt ruhen die h. Blutzeugen hinter dem neuen Confessionsaltare, (Patröneraltar) vorn am Eingange der Crypta, in einem der Renaissancestile angehörigen hölzernen, stark vergoldeten Schreine, welchen ein eiserner Behälter, (c. 1500 gefertigt,) umschließt. Die zweiflügelige Thür desselben zeigt auf den beiden Seiten die Heiligen auf Goldgrund gemalt, in trefflicher Arbeit.

Das in einem schönen schwarzen Marmor aufgeführte Grabgewölbe wird von einem eisernen Gitter in Renaissance-Stil geschlossen.

Das tausendjährige Gedächtniß der Übertragung der h. Leiber von Rom, wurde 1848 (Jubiläumsjahr war 1844) unter Oberpfarrer Theod. Weber b ei großartiger Theilnahme gefeiert. Hierauf das Chronikon:

„Treu uns schütze Chrysanthus tausend der Jahr' und Daria, Möge uns bleiben ihr Schutz, niemals erlöschen der Glaub!“

Die h. Reliquien ihrer Patrone sind der Schild, der Schutz und der größte Reichthum der Stadt. Mit den Paduanern kann man ihr zurufen:

„Juble, glückselige Stadt, die du einen solchen Schatz besitzest!“

Das große Vertrauen, welches heute noch die hiesige Bürgerschaft zu ihren h. Schutzpatronen trägt, und die große Liebe, welche sie für dieselben hegt, zeigt sich in der großen Verehrung mit welcher besonders an Sonn- und Feiertagen so viele an dem Grabe der Heiligen knieen, um ihnen ihre Anliegen vorzutragen, in den reichlichen Gaben, welche sie zur Wiederherstellung der altehrwürdigen Kirche geben, sowie in der Menge der testamentarischen Verfügungen. Die Namen der einzelnen Wohlthäter können wir hier nicht nennen; wir würden ihre Bescheidenheit verletzen; aber ihren Lohn wird der jüngste Tag dereinst ans Licht bringen!






Anmerkungen

1)

S. Hontheim, Hist. Trev. I. S. 112 ff.

2)

S. 1. c.

3)

S. Schron, Eiflia sacra. S. 327,

4)

S. Wattenbach, Geschichtsquellen, I. 210.

5)

S. Floß, Romreise des Abtes Markward, Köln, 1869.

6)

Cf. Act. Boll.

7)

Ausgrabungen, die in den Jahren 1872 und 1873 auf der rechten Seite der Via Salaria vorgenommen wurden, haben leider die jammervolle Verwüstung bestätigt, in welcher jetzt das Cömeterium liegt. Arenarien und Katakombengänge sind hier mit einander verflochten, übereinstimmend mit den Martyrerakten unserer beiden Heiligen, die dort ihre Ruhe fanden. Die Inschriften die man in der angrenzenden Region gefunden, gehören der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts an; die vielfach hier aufgeführten Mauern sind mit trefflichen Malereien geschmückt. Im Übrigen sind Zerfall und Verwüstung so groß, daß es sogar unmöglich war, den Ort genauer zu bestimmen, wo man einst unsere Märtyrer beigesetzt. Was aber im 5. und 6. Jahrhundert die Barbaren nicht zerstörten, das ist leider in unseren Tagen durch die eigene Barbarei verwüstet worden, da die zwischen der Via Salaria und Nomentana aufgeführten modernen Neubauten die in jener Region gelegenen altchristlichen Cömeterien schonungslos vernichtet haben. (Röm. Quart. Schrift von de Waal, I. Jahrg. 2. u. 3. Heft.)

8)

Cf. I. c. S. 46.

9)

Cf. Floß 1. c.

10)

Cf. Katzfey S. 91.







2. Die Stiftskirche





Digitalisierung Wisoveg.de: Die Geschichte des Stiftes Münstereifel sowie der übrigen Kirchen und Klöster der Stadt. In Beiträgen dargestellt von Ad. Plönnis, Pfarrer, Bonn, Verlag von P. Hanstein, 1891, Kreisarchiv Blankenheim Dkk 1 Mün





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