Euskirchens Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert


Von Ludwig Beutin


Die Textilindustrie


Stärkstens hebt sich die Textilindustrie als die tragende Grundlage der städtischen Wirtschaft heraus. Von den 18 gezählten Arbeitsstätten sind 13 industrielle, 5 handwerkliche (hier ist zu bemerken, daß die Zählung von 1950 nach Arbeitsstätten, nicht nach betrieben durchgeführt wurde; das kann zugelegentlichen Unstimmigkeiten führen, wenn nämlich ein Betrieb an mehreren Stellen arbeitet; so sind für die Bundespost 9 und für die Bundesbahn 8 Arbeitsstätten aufgeführt, obwohl sie natürlich als ein Betrieb zu gelten haben).

Die Worte eines Fachmannes seien hier angeführt; „Die Katastrophe des zweiten Weltkrieges war für die Euskirchener Tuchindustrie eine totale. Als der Krieg zu Land und in der Luft über Euskirchen hinweggegangen war, war die Industrie zu 50 - 75 %, in einigen Fällen zu 100 % vernichtet. Gebäude, Maschinen und Material waren zerschlagen oder ein Raub der Flammen geworden. Geblieben aber war der Unternehmergeist, das Können und die Erfahrungen der Fabrikanten, Ingenieure und Arbeiter und nicht zuletzt der hervorragende Ruf, den Generationen für Euskirchener Erzeugnisse erworben hatten“.

Die Werke wurden zunächst mit notdürftigen Mitteln in Gang gebracht, und dann ging man energisch an den Wiederaufbau, zunächst arbeiteten nur kleine Belegschaften. Einen Engpaß bildeten die Maschinen, die früher aus der von den Russen besetzten Zone kamen. Sie wurden Teils durch eigenes Personal unter den bekannten unerhörten Materialschwierigkeiten wieder hergestellt, teils in neuen Gebäuden aus neuer Anfertigung aufgestellt. Bei diesem Prozeß kam zugleich die Modernisierung zu ihrem Recht.

Als die Währungsreform wieder einen echten Markt herstellte, stand die Tuchindustrie in ihrer alten Leitungsfähigkeit erneut da mit den alten Firmen: Ruhr-Lückerath, B. u. H. Becker, Schiffmann u. Kleinertz, Gebr. Kleinertz, Heimbach, Hamecher, Roevenich, Jos. Schiffmann jr. (Inh. F. Schiffmann), J. Schiffmann, Porschen, Wolfgarten in Euskirchen, Koenen, Müller in Kuchenheim. Das Produktionsprogramm umfaßt etwa die gewohnten Sorten mit der betonten Wendung zu Qualitätsstoffen, während die Militärtuche wieder ausfallen. Möglichkeiten, die sich hier bieten, sind noch zu ungewiß, als daß sie schon gewertet werden könnten. Seit der Zählung von 1950 stieg die Zahl der Beschäftigten weiter an. Doch muß bei den unübersichtlichen, immer noch sehr labilen und schnell wechselnden Lagen der Weltwirtschaft und Weltpolitik, die sowohl den Rohstoffeinkauf als den Absatz betreffen, mit einem erheblich schwankenden Bestand gerechnet werden. Im Monatsdurchschnitt waren in der Textilindustrie beschäftigt:












vor

nach


der




Währungsreform




1947
1948
1948
1949
1950
1951

697
765
948
1.292
1.777
1.932

Arbeitskräfte





Mit dieser letzten Zahl ist also die aus dem letzten Friedensjahr ganz erheblich überschritten worden! Das bedeutet einen großen Erfolg aller planend und ausführend in der Industrie Tätigen. Der technische Aufbau ist naturgemäß einem jeden Werk individuell eigen, wie etwa die Erzeugung eigener Energie; im allgemeinen wird der elektrische Strom vom RWE bezogen; die Kohle stammt zumeist aus dem Aachener Bezirk, Braunkohle hat sich in der Tuchindustrie weniger eingeführt. Daß amerikanische Kohle benutzt wird, gehört zu den gegenwärtigen Verzerrungen des Wirtschaftslebens.

Für die Wasserversorgung ist, nachdem durch den gestiegenen Bedarf eine ernstliche Krise entstanden war, die 1936 vollendete Steinbachtalsperre tätig. Im Rohstoffbezug sind fast alle Firmen durch ihre Agenten mit Importhäusern in Hamburg und Bremen verbunden, während ein Werk sich durch Direkteinkauf eindeckt. Den wichtigsten Markt bildet naturgemäß die deutsche Bundesrepublik, doch wirbt die Tuchindustrie wieder und nicht ohne Erfolge um die Auslandmärkte. Es ist bekannt, wie hier durch politische, handelspolitische, zollmäßige Erschwernisse aller Art uns noch der Weg gehemmt ist. Hier ist angesichts der in allen Ländern zur höheren Produktion und zum Export drängenden Allgemeinlage der Wettbewerb besonders schwierig, die Anknüpfung nach den langen Jahren der Isolierung und der Verfehmung schwer.


Die Zuckerfabrik


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Entnommen: „650 Jahre - Stadt Euskirchen, 1302 - 1952, Festschrift zum Stadtjubiläum, 1952, Euskirchen


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