Zeitungsartikel über die Euskirchener Kreisbahn











- Eine ebenso erhebende wie für den Kreis Euskirchen bedeutungsvolle Feierlichkeit hat gestern in Liblar stattgefunden, nämlich der erste Spatenstich zum Bau der Euskirchener Kreisbahnen. Der Königl. Regierungsbaumeister Herr Dries, in seiner Eigenschaft als Vorsteher der Abtheilung Köln der Firma Lenz & Cie. (Stettin), welcher Firma der Bau der Euskirchener Kleinbahnen übertragen worden ist, hatte eine Anzahl Einladungen an Behörden und Privatpersonen des Kreises Euskirchen, Köln usw. „zu einer kleinen Festfeier“ ergehen lassen. Etwa 65 Herren, darunter der Landrath unseres Kreises, Herr Geh. Regierungsrath Frhr. von Ayx mit den sämmtlichen Mitgliedern des Kreisausschusses, Beigeordneter Kretz von von Lechenich, der Director der landw. Localabtheilung Euskirchen Hauptmann der Landwehr Herr Thelen auf Römerhof, Konsul Hardt aus Köln, Hauptmann a. D. v. Hilgers, Köln, u. A. waren der Einladung gefolgt. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofes Liblar war der Platz, an welchem der erste Spatenstich zu dem bedeutungsvollen Werke gethan werden sollte, mit Flaggen und Kränzen bezeichnet. Um 11 Uhr Vormittags traten die Herren in einen Kreis zusammen und der Landrath Geh. Reg.-Rath Frhr. von Ayx hielt eine kleine herzliche Ansprache, in welcher er den Kreis Euskirchen zu der Ausführung dieser That beglückwünschte, unsern Kreis als ein Beispiel darstellend für die ganze Monarchie, Segen erhoffend von dem Werke für die Gegenwart und Zukunft, für die Landwirthschaft wie für die Industrie, für unsere Kinder und Kindeskinder. Nachdem Redner dann mit einer bekränzten Schaufel den ersten Spatenstich gethan, brachte er ein Hoch aus auf Se. Majestät den Kaiser, unter dessen segensreichem Scepter uns die Unternehmung solch wichtiger Schritte in friedlichen Zeiten möglich sei. Hierauf begab sich die ganze Gesellschaft in den großen, mit Guirlanden prächtig geschmückten Saal der Bahnhofsrestauration, woselbst die Tafel für sämmtliche Theilnehmer zu einem Diner auf's „Geschmackvollste“ gedeckt war. Die lithografphirte Speisenkarte zeigte auf der Hauptseite am Kopfe bereits die fertige Kreisbahn und auf der Rückseite eine Skizze aller in unserem Kreise auszubauenden Linien. Bei fröhlicher Tafelrunde entfesselte sich alsbald ein großartiger Redestrom, dem hier zu folgen einfach unmöglich wäre. Herausgegriffen sei blos, daß die Verdienste unseres Landraths als eigentlichem Schöpfer des Werkes in gebührender Weise von verschiedenen Seiten hervorgehoben wurden. Namentlich wurde darauf hingewiesen, daß bereits vor Ausarbeitung eines Kleinbahn-Gesetzes man im Kreise Euskirchen schon über den Bau einer solchen Bahn ziemlich einig gewesen sei und unser Kreis in dieser Beziehung also an erster Stelle stehe. Geh. Reg.-Rath Frhr. v. Ayx wältze in bescheidener Weise die Hauptverdienste von sich ab und wies diese Ehre dem Kreistage und dem Kreisausschusse zu, ohne dessen Mitwirkung die Ausführung nicht möglich gewesen. Ein Redner aus Köln pries die Stadt Euskirchen ob ihres Gewerbefleißes, hervorhebend, daß, abgesehen von Großstädten, wohl Niemand eine Stadt im ganzen Vaterlande zu nennen vermöge, die wie Euskirchen als Knotenpunkt von sechs verschiedenen Eisenbahnlinien gelte. Es folgte ein begeistert aufgenommenes Hoch auf die Stadt Euskirchen. Das gab hinwiederum dem Herrn Bürgermeister Selbach Veranlassung, Namens der Stadt Euskirchen zu danken. Obschon er durchaus nicht habe das Wort nehmen wollen, weil er ja nur als Mitglied des Kreisausschusses erschienen sei, der von dem Herrn Vorsitzenden in so glänzender Weise vertreten werde, so dürfe er doch so freundliche Worte nicht unerwidert lassen. Es sei ja klar, daß die Stadt Euskirchen Vortheil von der Bahn haben werde, er wünsche diesen Vortheil aber allen Kreistheilen in gleicher Weise und dem ganzen Kreise solle auch sein Hoch gelten. Herr Konsul Hardt warf einen Blick in die Zukunft, auf das Jahr 1940, um welche Zeit der Kreis Euskirchen völlig Eigenthümer der Kleinbahn sei. Dann aber schilderte er im Geiste die vor uns liegenden gesegneten Gefilde der großen Ebene des Kreises in noch viel blühenderem Zustande und Rauch entsteige dann auch nicht mehr der Kleinbahn-Locomotive - das besorge die Electrizität. - Noch eine ganze Anzahl Reden und Toaße wurden von Stapel gelassen, so gedachte man der Verdienste des Hrn. Localabtheilungs-Directors Thelen, sowie ferner des Herrn Ingenieurs Liese, welch letzterer die schwierigen Arbeiten des Grunderwerbs in so tatkräftiger Weise geführt hat und noch führt. Lieder heiteren und ernsten Inhalts trugen ebenso wie die vortrefflich zubereiteten Speisen und der köstliche Rebensaft zur Erhöhung der Stimmung bei. Während der Tafelrunde wurde auch noch ein Begrüßungs-Telegramm an den leider auf dem Krankenbette in Stettin weilenden Chef der Firma Lenz & Co. abgesandt. Erst gegen halb fünf Uhr endete die Tafel und die heranlaufenden Eisenbahnzüge entführten die Gäste auf Köln und auf Euskirchen zu. Möchten alle Hoffnungen, die auf dem schön verlaufenen Feste in so ausdrucksvoller Weise in Worte gekleidet wurden, in vollstem Maße sich erfüllen zum Wohle aller Eingesessenen des Kreises! Erwähnt sei noch, daß die Arbeiten zur Fertigstellung vorerst der Strecke Liblar-Lechenich-Ahrem-Erp-Friesheim-Niederberg-Mülheim-Wichterich-Frauenberg-Euskirchen schon in vollem Gange sind; einige Minuten nach dem ersten Spatenstich fielen bereits unter mächtigen Axthieben mehrere Bäume und andere Arbeiter waren schon mit dem Anfahren von Erdmassen beschäftigt. Es ist daher heute mit Bestimmtheit vorauszusagen, daß die genannte Strecke mit kommenden Herbst dem Verkehr übergeben werden kann. Die eigentliche Bauausführung der Kleinbahn ist der Localbahn-Bau- und Betriebs-Gesellschaft Hager & Co. (Inhaber Bruno Hiedemann) in Köln übertragen. Das erstere Lied hat den Regierungs-Baumeister Herrn Dries zum Verfasser, während Herr Hiedemann jun. sich als Dichter des zweiten Liedes bekannte.








Quelle: Euskirchener Zeitung vom 25.4.1894
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