50 Jahre Strecke Euskirchen-Münstereifel








Die Romantik der Postkutsche ging damit zu Ende

Mit der vor 50 Jahren - am 1. Oktober 1890 - erfolgten Eröffnung des Betriebes der Strecke Euskirchen-Münstereifel war der Eisenbahnknotenpunkt Euskirchen vollständig und der von hier aus mögliche Zugverkehr nach allen in Frage kommenden Richtungen hergestellt. Die Romantik der Postkutsche war damit in unserer Heimat zu Ende. Die Zeit des Schwagers Postillon war abgelaufen. Wie die Bahnverbindung unser Nachbarstädtchen Münstereifel langsam aus seinem allzu langen Dornröschenschlaf erweckte, Handel, Wandel und Verkehr sich haben, ist bekannt. Bis zum heutigen weiten Ruf genießenden Kneippbad war natürlich noch ein langer Weg, der überhaupt erst nach dem Weltkriege von einer weitsichtigen Münstereifeler Stadtverwaltung und vorwärtsschauenden Bürgern so erfolgreich beschritten wurde. Ueber die Eröffnung der Bahnlinie Euskirchen-Münstereifel, die viele der Heutigen noch sahen, vielleicht auch Teilnehmer waren, lesen wir in der „Euskirchener Zeitung“ von damals:

Die lustigen schmetternden Weisen des Posthorns werden mit dem heutigen Tage zum letzten Male auf der Chaussee zwischen Euskirchen und Münstereifel erschallen, heute nachmittag geht die letzte Postkutsche von hier ab - morgen tritt das Dampfroß in seine Rechte! Die Hauderer freilich geben vorderhand den Kampf mit der Eisenbahn noch nicht auf. Täglich sollen vor wie nach mehrere Omnibusse den Verkehr zwischen den Städten Euskirchen - Münstereifel vermitteln: man darf indessen wohl einen gelinden Zweifel hegen, ob die Sache sich auf die Dauer bezahlt macht. Die gelbe Postkutsche aber wird fürder hier für immer verschwunden sein; nach allen Seiten haben wir Eisenbahnverbindung. Wer das vor kaum drei Jahrzehnten, wo hierorts ein großartiger Postverkehr auf Brühl, Bonn, Köln, Zülpich, Münstereifel usw. zu herrschte, prophezeit hätte, wäre mindestens tüchtig ausgelacht worden; heute ist's Wirklichkeit. - An dem Festessen, welches morgen gelegentlich der Eröffnung der Bahnstrecke Euskirchen-Münstereifel im Hotel Hillebrand zu Münstereifel stattfindet, werden sich aus unserer Stadt eine beträchtliche Anzahl von Herren beteiligen. Bei anbrechender Dunkelheit ist eine Beleuchtung der altehrwürdigen Stadt Münstereifel geplant, wozu umfassende Vorbereitungen getroffen werden.

In würdiger Weise wurde am Mittwoch die Verkehrseröffnung der Eisenbahnstrecke Münstereifel-Euskirchen begangen. Zur Teilnahme an der Feier hatten sich im Laufe des Vormittags auf dem hiesigen Bahnhof viele Herren aus den beiden beteiligten Kreisen Euskirchen und Rheinbach eingefunden. Mit dem 10=Uhr=Zuge traf auch der Regierungspräsident, Herr von Sydow, ein. Nach einem gemeinschaftlichen Frühstück bestiegen die Festgenossen kurz vor 12 Uhr den bereitgehaltenen Extrazug und dampften unter den Klängen der Schaebenschen Musikkapelle auf Münstereifel zu, allwo die eigentliche Festfeier stattfinden sollte. An allen Zwischenstationen gab's Empfangsfeierlichkeiten seitens der betreffenden Gemeindebehörden, wodurch sich die Fahrt selbstverständlich bedeutend verzögerte. Erst gegen ½ 1 Uhr traf man in Münstereifel n. Um 3 Uhr begann im Hotel Hillebrand das Festessen, an welchem über 100 Festgenossen teilnahmen. Der Trinkspruch auf den Kaiser brachte in zündender Rede Herr Bürgermeister Selbach die zahlreichen Ehrengäste, an ihrer Spitze den Herrn Regierungspräsidenten von Sydow und en Herrn Vorsitzenden des Provinzialausschusses, Exzellenz von Solemacher, herzlichst willkommen; er hob die Bedeutung des Tages hervor, der für einen neuen Aufschwung der ganzen Gegend den Weg geebnet habe; man habe anfangs mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, die aber jetzt überwunden seien; alle Mühen und Arbeiten seien voll und ganz mit Erfolg gekrönt worden, und daß hierüber heute die Herzen freudig bewegt seien, würde man sich wohl erklären können. Diese Freude würde aber nun noch ganz besonders durch die so zahlreich erschienenen Ehrengäste gehoben, die dadurch von neuem bekundeten, daß sie für das Aufblühen der Gegend as wärmste Interesse besäßen. Die Anwesenden stimmten hierauf in das Hoch auf die Ehrengäste mit voller Begeisterung ein. Nach diesen weiteren Trinksprüchen wurden im weiteren Verlauf der Reden noch viele vom Stapel gelassen. Natürlich ward auch der Küche wie dem Keller des Hotels Hillebrand alle Ehre angetan, und hörte man über das vortreffliche Arrangement beim Festessen sowie die Güte des Verabreichten nur eine Stimme des Lobes. Beim Anbruch des Abends erglänzten die das Städtchen umkränzenden Berge im lichterlohem Schein: Riesige Haufen Schanzen, mit Teer und Petroleum begossen, waren auf allen höhergelegenen Punkten angezündet worden; Raketen durchschossen die Luft, Böller krachten und verkündeten weit in das Eifelland hinein die Freude über das glücklich vollendete Ereignis. Mit dem fahrplanmäßigen Zuge um 8 ¾ Uhr verließen die Ehrengäste die gastlichen Mauern Münstereifels wieder. Auch jetzt waren an allen Zwischenstationen die Ortsbewohner in großer Zahl zusammengeströmt, welche mit lauten Hurrarufen und Böllerschüssen den Zug empfingen; dabei zeichnete sich besonders Arloff aus, woselbst am Morgen wie abends eine Musikkapelle und der Männergesangverein sich aufgestellt und ihrer freudigen Erregung in fröhlichen Weisen Ausdruck gaben. Bei der Ankunft in Euskirchen wurden die Ehrengäste ebenfalls mit einem wahren Feuerregen empfangen, und die Bahnanlagen erstrahlten in bengalischem Lichte. - Möchten sich die guten Wünsche, welche heute in so mannigfacher Weise für das Gedeihen der dem Weltverkehr neu erschlossenen Gegend sich kundgaben, in vollsten Maße verwirklichen!

Daß die mit der Bahnverbindung zwischen Euskirchen und Münstereifel gehegten Erwartungen und die oben geäußerten guten Wünsche in Erfüllung gingen, kann am Tage ihrer 50. Wiederkehr wohl festgestellt werden. Daß derartige Ereignisse mit mehr oder weniger, meistens mehr üppigen Schmausereien und Gasterereien verbunden und festlich begangen, bei denen Küche und Keller die gebührende Achtung erwiesen wurde, lag im Zuge der damaligen Zeit.








Quelle: Westdeutscher Beobachter vom 13. September 1940
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