Secundär=Bahn von Call nach Hellenthal. - Teil 2








Das Rechtsverhältniß zwischen der Staatsregierung und der Rheinischen Eisen.=Gesellsch. bezüglich der Düren=Schleidener Bahn beruht auf der Concessionsurkunde vom 5. März 1856 und dem zu dieser gehörigen Nachtrage zu den Statuten jener Gesellschaft. In den §§ 2 u. 3 dieses Statut=Nachtrages sind die zur Ausführung concessionirten Bahnstrecken bezeichnet: § 4 lautet: „Die vorstehend in §§ 2 und 3 genannten Bahnen sollen, mit Ausnahme der Düren=Schleidener, sofort nach Ertheilung der landesherrlichen Concession und nach Maßgabe der beschafften Geldmittel in Angriff genommen und in thunlichst kurzer Zeit fertig gestellt werden Die Düren=Schleidener Eisenbahn soll spätestens 4 Jahre nach Ertheilung der Concession in Angriff genommen und spätestens innerhalb 6 Jahren, von der Ertheilung der Concession an gerechnet, vollendet sein.

Wir wissen nun , daß bevor noch die Düren=Schleidener Bahn concessionirt war, das Project Anklang fand, eine Bahn durch die Eifel weiter bis Trier zu bauen und es ist bekannt, welche Erwartungen allenthalben von diesem erweiterten Schienenwege, namentlich auch im Schleidener Thale gehegt wurden. Von Seiten der Staatsregierung wurde die Nützlichkeit einer bis Trier durchgehenden Eifelbahn für militärische Zwecke gleichfalls nicht verkannt und ebensowenig mochte wohl die Rheinische Eisen.=Gesellsch. die Vortheile unterschätzen, welche ihr aus einer, an den Verkehr aus Frankreich unmittelbar anknüpfenden Eifelbahn erwachsen konnte. Es wurde daher als die Concession für die Düren=Schleidener Bahn erfolgte, die Weiterführung derselben bis Trier im Auge behalten und bei den Vorvermessungen namentlich die Richtung gesucht, welche die Eifelbahn am Ausgange des Schleidener Thales, bei Hellenthal nehmen sollte. Der Bahn eine andere Richtung zu geben wie durch das Schleidener Thal, wurde von keiner Seite beabsichtigt. Die Techniker der Rhein. Eisenb.=Gesellsch. erkannten jedoch bald daß die Terrain=Verhältnisse oberhalb Hellenthal dem Bahnbau fast unüberwindliche Schwierigkeiten bereiteten; sie führten aus, daß die Weiterführung der Bahn daselbst wenn nicht geradezu unmöglich, dann doch mit einem so enormen Kostenaufwande verbunden sei, daß an den Bau der Bahn in dieser Richtung nicht weiter gedacht werden könne. Es ist noch erinnerlich, welche Befürchtungen dieser Ausspruch, als er bekannt wurde, im Schleidener Thale hervorrief; man mochte die Richtigkeit jenes Gutachtens nicht zugeben und suchte durch Wort und Schrift die Möglichkeit der Weiterführung der Bahn darzuthun unter allen erdenklichen Beschuldigungen gegen die Rhein. Eisenb.=Gesellsch. - Die Folge davon war, daß auch die Staatsregierung eine Vermessung und Besichtigung des Terrains vornehmen ließ und zwar durch ihre Beamten. Dies gingen indeß in ihrem Urtheile noch weiter wie die der Rhein. Eisenb.=Gesellsch. indem sie die Ausführung der Bahn in der projektirten Richtung als eine absolute Unmöglichkeit erklärten. Mit diesem Zeitpunkte ging das Bahnprojekt Düren=Schleiden in jenem der „Eifelbahn“ auf, es handelte sich von nun an nur noch darum, die der letztern zu gebende Linie zu ermitteln, die, wie wir wissen nach langwierigen Vorverhandlungen und Vorarbeiten in der Richtung Düren=Call=Trier, unter Benutzung des Urft= und Kyllthales, gefunden wurde.

Jetzt aber glaubten auch die Interessenten im Schleidener Thale den Augenblick gekommen, wo sie auf die, in dem oben mitgetheilten § 4 des Statut=Nachtrages, der Rhein. Eisenb.=Gesellsch. auferlegte Verpflichtung zurückzukommen hätten. Mehrere Vorstellungen an das Königl. Handels=Ministerium in Berlin suchten nachdrücklichst die Ansprüche der Industriellen des Schleidener Thales geltend zu machen und zu wahren; man ging soweit Protest zu erheben gegen die projectierte neue Bahnlinie und man glaubte, die Bahn durch das Schleidener Thal, bis Schleiden wenigstens, als ein Etwas betrachten zu dürfen, das zu fordern man ein Recht habe. Man vergaß aber dabei, daß den Bahninteressenten die Berechtigung zu einem derartigen Vorgehen von der Rhein. Eisenb.=Gesellsch. gar nicht eingeräumt werden durfte; man übersah, daß, wenn überhaupt die Gesellschaft zur Ausführung der Düren=Schleidener Bahn hätte angehalten werden sollen, dieses nur von Seiten der Staatsregierung geschehen konnte, da allein dieser gegenüber die Rhein. Eisenb.=Gesellsch. rechtlich verpflichtet war. Aber auch diese Verpflichtung hat die letztere sets nur, wie uns bekannt ist, als eine bedingte aufgefaßt, insofern nämlich als sie geltend machte, daß, wie die übrigen in dem Statut=Nachtrag bezeichneten Bahnen, so auch die Düren=Schleidener und nach Maßgabe der beschafften Geldmittel ausgeführt zu werden brauche. Mag die Fassung des § 4 eine gegentheilige Auslegung zulassen, jedenfalls wird es befremden, daß die Frage der Beschaffung der Geldmittel gerade bei der Düren=Schleidener Bahn unberücksichtigt geblieben sein soll, während sie bei sämmtlichen übrigen Bahnstrecken, sogar bei der rentableren linksrheinischen, von der Rhein. Eisenb.=Gesellsch als maßgebende Bedingung vorbehalten und von der Staatsregierung anerkannt worden? Man wird sich fragen; soll die Rhein. Eisenb. Gesellsch. so unvorsichtig gewesen sein, diese Bedingung der Staatsregierung gegenüber fallen zu lassen, während sie dieselbe, wie wir im vorigen Artikel erwähnten, in dem fragl. Vertrage mit den Hauptinteressenten, die ihr doch ein erhebliches Opfer, eine Entschädigung für etwaige Coursverluste entgegenbrachten, ausdrücklich stipulirt hat? Es läßt sich das nicht wohl annehmen. Wie man aber auch den § 4 interpretiren will - wir wissen heute, daß die Staatsregierung der Auffassung der Rhein. Eisenb.=Gesellsch. beigetreten ist; wir wissen, daß dieselbe letztere von dem Bau der Bahn bis Schleiden durch besonderen Vertrag in aller Form entbunden hat. - Nachdem dieses geschehen hörte die Verpflichtung der Rhein. Eisenb.=Gesellsch., die Bahn zu bauen, auf und es kann von einem „sündhaften“ Verschulden dieser Gesellschaft an dem Schleidener Thale vernünftiger Weise nicht mehr die Rede sein. - Wir wissen die Nachtheile wohl zu schätzen, die den Industriellen des Schleidener Thales in Ermangelung einer Eisenbahn erwachsen, aber wir wissen auch die Gründe zu würdigen, welche für die Verlegung der ursprünglichen Bahnlinie maßgebend gewesen und wir glauben, daß jeder Einsichtige uns zustimmen wird in der Ansicht, daß bei Anlage größerer Eisenbahnen unmöglich jedem Wunsche und jedem localen Interesse Rechnung getragen werden kann, wie solches nicht selten verlangt wird. Das Schleidener Thal mit seinen zahlreichen Etablissements bietet offenbar mehr Gewähr für die Rentabilität einer Eisenbahn, wie das Urft= oder Kyllthal, weshalb soll man also die letztere Bahnlinie vorgezogen haben, wenn nicht eben die Terrainschwierigkeiten entscheidend gewesen wären?

Stellen wir aus der vorstehenden, in Kürze wiedergegebenen Geschichte des Bahnprojektes Düren=Schleiden die Ursachen zusammen, welche die Ausführung dieser Bahn hauptsächlich verhindert haben, dann finden wir

1. den orientalischen Krieg
2. den niedrigen Stand der Effekten in den Jahren 1856-61 und
3. die Terrain=Verhältnisse am Ausgange des Schleidener Thales.

Wollen wir nun, wie der Verfasser des Artikels in Nro. 37 d Bl. die Rhein. Eisenb.=Gesellsch. für das Nichtzustandekommen der Bahn verantwortlich machen, dann müssen wir ihr die Veranlassung zum orientalischen Kriege zuschreiben; wir müssen annehmen, daß sie in den obenbezeichneten Jahren die europäische Börse nicht nur, sondern auch die auf dieselben einwirkenden politischen und sonstigen Verhältnisse beherrscht hat und wir müssen sie endlich dafür verantwortlich machen, daß das Schleidener Thal die Laune hat, sich nicht bis Trier auszudehnen, sondern gerade das auszulaufen, wo die „unüberwindlichen Schwierigkeiten“ ihren Anfang nehmen. Vielleicht ist der Verfasser des Artikels in Nro. 37 in der Lage nachzuweisen, daß die Rhein. Eisenb.=Gesellsch. sich auch noch dieser „Sünden“ schuldig gemacht hat, natürlich nur um an dem Bau der Düren=Schleidener Bahn vorbei zu kommen, andernfalls wird er uns gestatten, seine in Nro. 37 veröffentlichten Vorwürfe gegen die genannte Gesellschaft als den Ausfluß eines persönlichen Hasses anzusehen, oder als ein Urtheil, das nicht verdient, bei dem neuen Bahnproject in Betracht gezogen zu werden.

Der Verfasser des Art. In Nro 37 rückt, nachdem er seinen Vorwürfen gegen die Rhein. Eisenb.=Gesellsch. eine Warnung an die Bewohner des Schleidener Thales, mit dieser Gesellschaft nur ja nicht in Verbindung zu treten, angereiht hat, mit einem neuen Bahnprojekt hervor Er adressirt uns an Leute, „welche dem amerikanischen Prinzip huldigend, durch ihre Bahnen erst ausschließen“ und er empfiehlt uns al einen Mann dieser Art den Dr. Strousberg, „der augenblicklich sogar für das abgelegene und noch dazu sehr unkulitivirte Rumänien die eisernen Maschen eines umfangreichen Eisenbahnnetzes knüpft“. Dieser Mann so meint der Herr Verfasser, werde uns nicht allein umgehend mit einer Zweigbahn von Cal nach Hellenthal beglücken. Sondern eine Bahn bauen von Zülpich über Gemünd und Hellenthal nach St. Vith, also „eine Verbindung zwischen Cöln und der in Aussicht stehenden belgischen Moselbahn“ herstellen. - Eine herrliche Aussicht fürwahr! schade nur, daß sie so wenig Einsicht verräth! - Wenn der Verfasser von dem seinerseits erwähnten „amerikanischen Prinzip“ mehr kennt als den Namen, dann wird er wissen, daß sich dieses Prinzip auf unsere Verhältnisse nicht anwenden läßt. Oder ist es ihm unbekannt, daß in Amerika bei den „aufschließenden“ Bahnen Grund und Boden und das ganze Holzmaterial gar nichts kosten während wir hier dafür bedeutende Summen aufwenden müssen? Weiß er nicht, daß in Amerika wegen des Ueberflusses an Holz fast gar kein Eisenmaterial, so z. B. nur ganz leichte Schienen zur Verwendung gelangen? Glaubt der Verfasser überhaupt, daß das amerikanische Bausystem, das vor allen Dingen die Wohlfeilheit der Bahn ins Auge faßt, dagegen deren Dauerhaftigkeit und Sicherheit gänzlich außer Acht läßt, für unsere Verhältnisse passe? - In Amerika, bei dem wohlfeilen Bahnbau, mag sich das „Aufschließen“ einer Hunderte von Meilen zählenden Wildniß, die sich dann bald bevölkert, lohnen, bei uns ist dieses Prinzip ebensowenig anwendbar wie ein „Aufschließen“ im amerikanischen Sinne nöthig ist, denn glücklicher Weise haben wir hier keine Urwälder und Steppen und selbst die Eifel hat vor einer amerikanischen Wildniß noch manches voraus. - So wenig wie der Vergleich mit Amerika ist die Hinweisung auf Rumänien zutreffend. Dieses Land entbehrte bis jetzt der Eisenbahn vollständig; Regierung und Volk leistet dem Bahnbau alle mögliche Unterstützung und dabei fehlt dort die Concurrenz, die anderwärts die Kosten des Bahnbaues bereits wesentlich reduzirt hat. Diese Umstände mag Herr Dr. Strousberg wohl gewürdigt haben. Außerdem besteht zwischen jenem Unternehmen und unserem Projekt noch der kleine Unterschied, daß dort das Eisenbahnnetz über ein ganzes Land ausgebreitet wird, während es sich bei uns nur um 2 ½ Meilen Bahnlänge handelt. Doch nein, der Verfasser verheißt uns ja eine Bahn von Zülpich bis St. Vith, wer will an dem Zustandekommen derselben zweifeln? - Ist es erforderlich, daß wir auch noch das Lächerliche dieser Verheißung darthun und damit den letzten Faden des Hirngespinstes zerreißen, das der Verfasser des Artikels in Nro. 37, so kunstvoll zusammengefügt hat? Wir glauben, man wird uns diese Mühe ersparen. Wir wissen, daß die jetzt im Bau begriffene Eifelbahn nur unter Zinsgarantie von Seiten des Staates und unter bedeutenden Opfern von Seiten der betreffenden Kreis zu Stande kommen konnte und diese Thatsache wird genügen, jedem Vernünftigen den Glauben an das Projekt des Herrn Verfassers in Nro. 37 zu benehmen. - Herr Dr. Strousberg wird, so glauben wir, wenig erbaut sein von den Bemühungen seines Agenten im Schleidener Thale; er würde schwerlich zu seinem großen Vermögen (nach einer kürzlich durch die Zeitungen gegangenen Notiz 5,000,000 Thlr. betragend) gekommen sein, wenn dieser immer die Wahrnehmung seiner Geschäfte besorgt hätte.

Die Bewohner des Schleidener Thales werden nunmehr den Artikel in Nro. 37 nach Verdienst zu würdigen wissen; sie werden, wie wir hoffen, durch Vorspiegelungen von der Qualität jenes Artikels, sich nicht irre führen lassen in ihrem opferwilligen Streben zur Erlangung einer Eisenbahn von Call nach Hellenthal, die mehr wie je für das Schleidener Tahl ein Bedürfniß geworden. - Es bedarf aber dazu einer allseitigen Bethätigung des Interesses, eines einmüthigen Zusammengehens und der Ueberwindung all' der engherzigen Bedenken und Erwägungen, die seither noch so vielfach laut geworden. Wir hoffen, daß wenn es noth thut, auch von Seiten der Staatsregierung dem Bedürfniß Rechnung getragen werden wird und daß ebenso die Rhein. Eisenb.=Gesellsch., die den Betrieb der projektirten Bahn verhältnisßmäßig billig unterhalten kann, da sie weder besonders Fahrpersonal dafür zu halten noch Gebäulichkeiten zur Unterbringung der Lokomotiven und Wagen zu stellen braucht, da Beides in Call vorhanden, in ihren etwaigen Forderungen nicht unbillig sein wird.

Also kein kleinliches Zagen, wo es sich um ein großes Werk handelt!














Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden von 1869
Archiv: Anton Könen Mechernich









Sammlung Anton Könen, Mechernich

- Die Euskirchener Kreisbahn
- Volkswirtschaftl. Artikel, Aufbau der Rheinischen Bahn, Verstaatlichung und Eifelbahn 1853 - 1875
- Die Rheinische Bahn - Bekanntmachungen und kleine Artikel von 1846 - 1933
- Inserate rund um die Rheinische Bahn und Eifelbahn 1865 - 1922
- Bau der Strecke Düren - Euskirchen - Call - Schleiden - Hellenthal 1867 - 1914
- Weiterführung in die Eifel und Weiterführung nach Münstereifel betreffend
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