Eisenbahn von Call nach Hellenthal








Am 6. d. M. fand die erste Berathung der Industriellen und sonstigen Freunde des Eisenbahnprojektes unter dem Vorsitze des Herrn Landraths Statt, welcher in dankenswerther Weise persönliche Opfer und Bemühungen nicht gescheut hatte, um so viel als thunlich Aufklärung in die Sache zu bringen. Der Versuch einer Zeichnung ergab vor der Hand nur ein geringes Resultat, indem die ältern, meist zum Zeichnen von Geldbeträgen berufenen Geschäfte sich der Zeichnung einstweilen noch enthielten. Diese Zurückhaltung hatte, wie wir zu unserer Freunde glauben constatiren zu können, nicht, oder doch nur vereinzelt - absolute Abneigung zum Grunde, da ja von allen Einsichtigen die tiefe Bedeutung des Beginnens nicht blos, sondern auch die Nothwendigkeit des Entgegenkommens der Rhein. Eisenbahn=Gesellschaft gegenüber, anerkannt wurde, vielmehr glauben wir den unseres Erachtens berechtigten Grund dieser Zurückhaltung wesentlich darin erkennen zu müssen, daß die betr. Geschäftsinhaber oder deren Vertreter sich erst noch weiter unter sich und mit ihren nicht anwesenden Theilhabern über die Form zu berathen gedachten, unter welcher der Rhein. Eisenbahn eine Geldanerbietung mit dem Antrag auf Erbauung der secundären Bahn zu machen sei. - Ehe wir hier kurz die Voraussetzungen berühren, unter welchen ev. diese Geldanerbietung zu machen sein möchte, wollen wir einen Blick auf die Bedürfnißfrage und auf die am 6. c. stattgehabten Erörterungen wegen Beschaffung der Geldmittel werfen. - Unter der Bedingung einer eingleisigen, secundären Bahn und unter der Voraussetzung, daß die Königl. Regierung den Bahnbau durch Gestattung eines unmittelbaren Anschlusses an die Thalstrecken der Bezirksstraße erleichtert, würde unseres Erachtens auf die ganze Länge von ret. 4800 Ruthen, ein Streifen Grund und Boden von durchschnittlich 1 ½ bis 1 ¾ Ruthe Breite zu erwerben sein, was einem Grunderwerb on 40 bis rot. 47 Morgen entspricht. Die Grunderwerbskosten würden sich darnach auf 15000 bis rot. 18000 Thlr. Stellen, wenn der Morgen im Durchschnitt zu 380 Thlr. Angenommen wird, was mit Rücksicht auf manche theure Wiesen nicht zu hoch gegriffen sein dürfte. Hieraus resultirt, daß es angemessen sein möchte, der Rhein. Eisenbahn=Gesellschaft unter allen Umständen ein derartiges Entgegenkommen zur Bedingung gemacht wird.

Diese Bedingung als leider unabweisbar festgehalten, handelte es sich am 6. d. M. um die Frage der Beschaffung dieser Geldsumme. In dieser Beziehung müssen wir es billigen, daß der Herr Landrath das wiederholt auftauchende Auskunftsmittel, den Kreis abermals in seiner Gesammtheit mit einer Grunderwerbslast von pr. 15000 Thaler zu beglücken, entschieden verworfen hat, da soviel wir die Stimmung der Herren Kreisstands=Mitglieder kennen - ein derartiger Antrag beim Kreistag ebenfalls mit Majorität verworfen werden würde, und ein solches Ansinnen mit der Bedeutung einer, die Interessen lokalisirenden Zweigbahn, nicht zu Einklang zu bringen wäre. - Ebenso muß ausschließliche Heranziehung der Gemeinden zur Erbringung dieser Geldsumme (ihre Möglichkeit vorausgesetzt!) verworfen werden, weil hierin unter Berücksichtigung der localen Verhältnisse ein großes Unrecht gegen den Mittel= und gegen den Arbeiter=Stand liegen würde, indem eine derartige Besteuerung proportional der Klassensteuer vertheilt, immer am härtesten den unbemittelten Mann träfe, während der Geschäfte, welche den hervorragendsten Gewinn aus der Anlage ziehen, mit einem Minimum der Belastung abkommen würden. Wenn auch die Eisenbahn, wie sicher nicht verkannt wird, im Allgemeinen fast Jedem zu Gute kommt, so müssen sich doch aus den vorangegebenen Gründen an der Aufbringung der Geldsumme von 15000 Thaler unseres Erachtens ausschließlich die Industriellen oder - wenn man will - alle Gewerbetreibenden betheiligen, wobei die Gemeinden dann nöthigenfalls die von der Linie berührten Gemeindegrundstücke unentgeltlich hergeben könnten. - Für jedes industrielle Geschäft ist diese Geldbewilligung eine Frage der Selbsthilfe von der Hand weisen aus Furcht, es könne durch diese Handlung gleichzeitig auch Andern mehr oder weniger Vortheil erwachsen, er wird vielmehr diese Selbsthülfe sich angedeihen lassen, unbekümmert um diejenigen Geschäftsleute, welche in unzeitgemäßer Erstarrung für eine solche Selbsthülfe keinen Sinn haben und bekommen.

Was nun die Bedingungen anbetrifft, unter welchen mit dem Antrage auf Erbauung der Secundärbahn, der Rhein. Eisenbahngesellschaft eine Geldsumme von rot. 15000 Thlr. Für den Grunderwerb angeboten werden möchte, so glauben wir, daß zunächst zu betonen bleibt, wie diese Summe von den Interessenten als einmaliges Pauschquantum dargeboten wird. Ferner wie das Anerbieten unter der Voraussetzung statthat, daß für die Sekundärbahn gleich bei ihrer Eröffnung diejenige Tarifsätze gelten, welche gesetzlich für die vollendete Call=Trierer Bahn eintreten müssen. Sodann würde dabei vorauszusetzen sein, daß der Bahnbau spätestens in einer bestimmten Frist zu beginnen und endlich, daß nach Möglichkeit viele Lade= resp. Haltestellen angelegt werden.

Eine neue Versammlung ist in Aussicht gestellt; möge in derselben das Geschäft der Geldbewilligung zum definitiven Abschluß kommen! Möge dabei ein tüchtiger Sinn aller Interessenten zu Tage treten, damit die Angelegenheit nicht bis in infinitum vertagt werde!

A.














Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden von 1869
Archiv: Anton Könen Mechernich









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