Wenn die Dampflok pfiff, scheuten die Husarenpferde










Die Bahnlinie von Kall nach Hellenthal wurde am 8. März 100 Jahre
von Hans-Dieter Rolef

Kall/Hellenthal. Die Geschichte der 100jährigen Eisenbahn von Kall nach Hellenthal ist en verbunden mit der Eisenbahn in der Eifel überhaupt. Bald nachdem die Rheinische Eisenbahn Gesellschaft (RE) die Bahnlinie von Köln nach Aachen fertiggestellt hatte, regte sich im Schleidener Tal der Gedanke, eine Eisenbahn von Düren nach Schleiden zu bauen.

Die Köln-Aachener Strecke war 1841 in Betrieb. Die Geschichte der Linie Kall-Hellenthal beginnt um 1880. Am 6.10.1864 erreicht die Eisenbahn von Düren aus die Stadt Euskirchen. Am 1.11.1867 erreicht die Eisenbahn von Euskirchen aus den Ort Kall. Am 19.6.1868 führte die Bahn bis zum Ort Sötenich. Nur nach Schleiden gab es immer noch keinen Schienenweg.

Gemeinden und Kreise finanzierten mit

Durch Initiative des Bürgermeisters von Adenau, der eine Eisenbahn von Kall über Montjoie nach Eupen ins Gespräch brachte, erinnerte man sich wieder an die ursprüngliche Planung dieser Eisenbahnstrecke. Im Frühjahr 1880 griff der Bürgermeister von Blumenthal den alten Gedanken wieder auf. Einem Schreiben des Ministers für öffentliche Arbeiten in Berlin an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz ist zu entnehmen, „daß man nicht abgeneigt sei, bei entsprechender Beteiligung der Gemeinden und Kreise, eine Eisenbahn untergeordneter Bedeutung von Call nach Schleiden zunächst bis Hellenthal, in Erwägung zu ziehen.“

Am 9. Dezember 1880 war es soweit. „Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, erteilen unserem Minister d. ö. A. und unserem Finanzminister hierdurch den Auftrag den beifolgenden Gesetzesentwurf, betreffend die Herstellung mehrerer Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung, nebst Begründung den beiden Häusern des Landtages der Monarchie zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorzulegen ...“ Unter Punkt neun wird die Eisenbahn von Kall über Schleiden nach Hellenthal für die Summe von 1293000 Mark genannt. Zu den Grunderwerbskosten werden für die Bahn staatsseitig 43000 Mark Zuschuß gewährt. Es folgt am 6. März 1881 ein Schreiben an die Königliche Direktion der Rheinischen Eisenbahn (Die RE war inzwischen verstaatlicht worden), in dem es unter anderem heißt: „Auf Grund des in beglaubigter Abschrift beigeschlossenen Allerhöchsten Erlasses vom 2. März dieses Jahres übertrage ich der Königlichen Direktion den Bau der durch das Gesetz vom 25. Februar dieses Jahres genehmigten Eisenbahn von Call über Schleiden nach Hellenthal.“





Aus dem Pfarrhaus in Olef wurde dem Lokführer ein Glas zum Abschied auf der letzten Fahrt gereicht.



Nach einigen Grundstücksschwierigkeiten fand am 24. März 1882 die landespolizeiliche Prüfung der ersten Teilstrecke statt. Nun folgten Termine für Enteignungen und Grundabtretungen, bis dann der Bau der Strecke gesichert ist.

Unter dem 9. Mai 1883 findet sich eine Anzeige im Unterhaltungsblatt und Anzeiger Nr. 27, Schleiden: „Im Wege der öffentlichen Ausschreibung sollen Lieferungen von Bruchsteinen und Mauersand für die Bauwerke der Strecke Gemünd - Hellenthal in Loosen vergeben werden.“ Am 4. August 1883 wird die Einrichtung des Betriebes von Arbeitszügen auf er neuen Eisenbahn bekannt gemacht.

Bereits zu diesem Zeitpunkt machte man sich Gedanken um eine Weiterführung der Strecke von Hellenthal über Rocherath nach Montjoie mit Anschluß an die Rothe Erde - St. Vieth - Ulflinger Bahn. Daraus wurde allerdings auch trotz der militärischen Wünsche nichts.

Am 4. Februar 1884 entscheidet der Minister, daß auf der Bahn von Call nach Hellenthal, vom Tage der voraussichtlichen Eröffnung im Laufe des nächsten Monats, die Bahnordnung für Deutsche Eisenbahnen vom 12. Juni 1878 eingeführt werden soll.





Mit kleiner Dieseltraktion verkehrte die „Flitsch“ in den letzten Jahren zwischen Kall und Hellenthal.



Mit der Eröffnung begannen Probleme

Am Samstag dem 1. März vormittags um 11 Uhr findet die landespolizeiliche Abnahme und Prüfung der Linie statt. Am 8. März 1884 wird die Eisenbahn von Call nach Hellenthal mit 17,2 km Länge eröffnet.

Mit Inbetriebnahme der Strecke begannen gleich die Probleme. Das Dorf Kirchseifen verlangte eine spezielle Sicherung der durchfahrenden Züge, es sollten am Wegeübergang Barrieren (Schranken) angebracht werden.

Am 3. Dezember 1901 kam es zu einem folgenschweren Unfall auf der Strecke. Ein mit vier Pferden bespanntes Fuhrwerk wurde in Blumenthal von einem Zug erfaßt, der Fuhrmann und ein Pferd wurden getötet. Das Problem der Eisenbahn von Kall nach Hellenthal war seit jeher die Sicherung der Strecke bei paralleler Wegeführung. Hier klagten sogar die Preußischen Husaren über das Scheuen der Pferde bei der Vorbeifahrt des Zuges mit einer Dampflok. Auf rund sieben Kilometern Streckenlänge wurden um 1903 Hecken entlang der Strecke gepflanzt, heute stehen dort Leitplanken.

1903 wurde sogar die Elektrifizierung der Strecke in Erwägung gezogen. In dieser Zeit verkehrten rund 15 Züge je Tag und Richtung auf dieser Strecke.

Eine Petition vom 25. November 1907 der beiden Eifelstädte St. Vith und Gemünd ist zu entnehmen, daß die Weiterführung der Strecke noch nicht aufgegeben war. 1908 wurde der Bahnsteig des Haltepunktes Oberhausen verlegt, 1913 der Plan einer Ladestraße auf dem Bahnhof Hellenthal festgestellt.

Kraftomnibusse machten Konkurrenz

1921 sprach man sogar von einer Schnellzugstrecke Aachen-Trier über Kall. Von Aachen aus sollte die Linie über Lammersdorf-Gemünd verlaufen. Zur Zeit der französischen Regie verkehrten fünf Züge je Tag und Richtung. Ab 1926 bekam die Eisenbahn von Kall nach Hellenthal Konkurrenz durch die neu eingeführten Kraftomnibuslinien.

1937 begannen die Transporte von Arbeitern und Material zum Bau des Westwalls. Aus diesem Grunde wurde in Schleiden eine besondere Dienststelle eingerichtet. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges mehrten sich die Transporte von Kriegsmaterial auf der Strecke. Die Bahnanlagen wurden überarbeitet und teilweise entstanden Neubauten.





Einen großen Bahnhof bereiteten die Fotografen dem letzten Personenzug 1981 in Olef. 97 Jahre ist die Bahn hier mitten durchs Dorf gefahren.



Die Zerstörungen des II. Weltkrieges fanden auch auf der Linie Kall-Hellenthal ihren furchtbaren Niederschlag; Strecke und Bahnhofsanlagen waren bis zum Ende des Krieges größtenteils zerstört. Die letzten Tage des Jahres 1944 waren die schlimmsten für die Eisenbahner und die Anwohner an der Strecke. Die Bahnanlagen von Kall, Gemünd, Schleiden und Hellenthal wurden förmlich umgepflügt durch Bomben und Granaten.

Im März 1945 fiel die Eisenbahn Kall-Hellenthal in amerikanische Hände, man begann gleich mit den Aufräumungsarbeiten, doch es dauerte noch bis zum 9.7.1948, bis das Teilstück von Kall bis Oberhausen wieder in Betrieb genommen werden konnte. Es wurde Dezember des gleichen Jahres, bis die gesamte Strecke befahren werden konnte. Die Bahnhöfe Kall, Gemünd, Blumenthal und Hellenthal wurden mit Hilfe des Grenzlandfonds wieder aufgebaut. Im gleichen Jahr tauchten die ersten Schienenomnibusse auf der Linie auf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die gute alte Dampflok noch den gesamten Betrieb bewältigt.

Mit dem Jahre 1955 beginnen die Rationalisierungsmaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen auf der Strecke Kall-Hellenthal. An einigen Bahnübergängen werden neue Blinklichtanlagen installiert, so zum Beispiel am Haltepunkt Oberhausen. 1964 wechselt die Streckenbezeichnung in „432“, unter dieser Nummer findet man bis zum 31. Mai 1981 die noch verkehrenden Personenzüge. Mit dem letztgenannten Termin wird die Strecke für den Personenverkehr stillgelegt. Es bleibt der Güter- und Militärverkehr.

Trotz aller betrieblichen Schwierigkeiten und Besonderheiten, wie zum Beispiel der Ortsdurchfahrt in Olef, war die Eisenbahn, die für das Schleidener Tal viel zu spät kam, eine Nebenlinie. Sie wurde für den Personenverkehr stillgelegt, ohne daß alle Möglichkeiten zum Erhalt durchgespielt wurden. Der Güterverkehr wird schon wegen des Anschlusses Höddelbusch noch einige Zeit bestehen bleiben.

Am 8. März 1984 wurde die Eisenbahn von „Call nach Hellenthal“ 100 Jahre alt, einen feierlichen Sonderzug gab es nicht. Die Eisenbahn erlebte ihr Jubiläum mit leichtem Rostansatz auf den Schienen. Schade.








Quelle: Kölnische Rundschau vom 17. März 1984
Archiv: Anton Könen Mechernich









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