Wieder eine neue Eifelbahn (Ahrdorf - Blankenheim (Wald).
Von Pfarrer Loeffelsend=Reetz.








Das Jahr 1912 brachte uns drei neue Eifelbahnen. Der aufmerksame Leser unseres Vereinsblattes wird sich mit Vergnügen erinnern an die sehr interessanten Berichte in Nr. 6, 191 „Die neue Bahnstrecke Ahrtal - Kylltal, von Amtsgerichtsrat Draf, Hillesheim“, dann in Nr. 8 „Eröffnung der Eisenbahn Niederweis - Irrel, von Bürgermeister Faßbender in Echernacherbrück“ und endlich in Nr. 9, „Die neue Eisenbahn Jünkerath - Weywert, von Ingenieur Hans Mohr“. Ganz gewiß hat auch manch froher Eifelpilger sich nicht mit dem Lesen dieser Artikel begnügt; die mit toten Buchstaben geschilderten und nur in der Photographie gezeigten Schönheiten eines neue erschlossenen Eifelstriches muß man in ihrem Urbilde geschaut haben. Der wirkliche Eifelfreund, er ist am freien Samstag - Sonntag hingewandert und hat sich die neue Bahnstrecke, die näher gerückten Gottesschönheiten in natura angesehen. Und diesen Zweck zu erreichen, sind auch die folgenden Zeilen geschrieben. - „Wieder eine neue Eifelbahn!“ Es soll das freudige Aufjauchzen aller treuen Eifelwanderer sein; es soll in den halb auszuführenden Vorsatz ausklingen: In der allernächsten Zeit bewundere ich in dem frisch lackierten Bahnzuge Ahrdorf - Blankenheim (Wald) die Berg und Täler, die Wiesen und Wälder - unser herrliches Touristenland, die Eifel an der oberen Ahr! Und nicht nur das, ich mache auch Halt auf einer der kleinen Stationen und wandere hinauf und hinunter, schaue hin und her in Wald und Feld und unterhalte mich bei einfachem Mahle in niedrig-trauten Eifelhause mit schlichten, braven Naturkindern, die sich herzlich freuen, daß sie in ihrem bis jetzt fast verlorenen Tale, auf den von der großen Welt schier unbekannten Bergen nun auch etwas mehr Menschen aufgesucht und geschätzt werden. So soll es ein, immer mehr hinein in die Eifel, in das romantisch=schöne, gesunde deutsche Gebirgsland; diese Berge und Täler und ihre Bewohner haben es wohl verdient, daß nun der Zauberstab des Eisernen Schienenweges sie mehr und mehr einer glücklicheren Zukunft entgegenführt.

Wie lange hat es nach den Bahnbau=Petitionen von 1885/88 auch gedauert, bis man anfing, ernstlich ans Werk zu gehen! „Schon am 25. November 1889 wurde laut 'Staatsanzeiger' die Betriebsinspektion Köln (linksrheinisch) beauftragt, die Vorarbeiten zu einer Bahn untergeordneter Bedeutung von Dümpelfeld nach Blankenheim vorzunehmen.“ (Aufzeichnung im Reetzer Pfarrarchiv.) Am 1. Juli 1912, also nach zirka 24 Jahren, wurde die Bahnstrecke Dümpelfeld - Hillesheim - Jünkerath - Gerolstein in Betrieb genommen. Und nun ist 1913, nach rund 25 Jahren, die obere Ahrtalbahn Ahrdorf - Blankenheim (Wald) auch endlich fertig. Am 1. Mai d. J. soll sie eröffnet werden. Was die klarsten Petitionsbeweise von den hier in der Eifel ruhenden Bodenschätzen usw. nicht zuwege bringen konnten, das gelang den nüchternen militärischen Erwägungen; die Eifelbahnen haben heutzutage und in Zukunft hohen strategischen Wert - daher mußten sie gebaut werden. Die guten Eifler aber freuen sich, daß sie nun doch zur Erfüllung ihrer langjährigen Wünsche gekommen sind.

Am 1. April 1910 wurde die jetzt betriebsfertige Strecke Ahrdorf - Blankenheim (Wald) in Angriff genommen. Aus aller Herren Länder strömten die Arbeiter zusammen - vom Balkan und aus Italien, aus Holland, Frankreich und vom Norden und Süden des eigenen deutschen Vaterlandes. 1911 und 1912 waren zeitweise über 5000 fremde Bahnarbeiter allein in der Bürgermeisterei Blankenheim beschäftigt. In Reetz wohnten (bei zirka 230 Eingesessenen) monatelang über 100 Holländer, Kroaten und Italiener, Genau wie es die Herren Amtsgerichtsrat Draf und Ingenieur Mohr in Nr. 6, 1912, Seite 124 bzw. in Nr. 9 Seite 194 unseres Blattes in so anziehender Weise geschildert haben, genau so ging es natürlich auch diesmal bei uns zu - - -. Rauhe Menschen, gute Menschen, harte Arbeit, viel Verdienst, viel Spargroschen für die Angehörigen in der fernen Heimat, viel Durst, manche Unglücksfälle, manche Ungebührlichkeiten, manche Exzesse - - -. Doch nun sind sie wieder verschwunden, die fremden Gesellen und es ist alles wieder in Ruhe und Frieden.

Die auf eine Reihe von Baufirmen verteilten Arbeiten am Bahnbau hatte man beim Beginn auf zirka 5 Millionen Mark veranschlagt; die durch Erdrutschungen und andere unvorhergesehene Ereignisse nötigen Mehrausgaben haben aber den Gesamtkostenpunkt der an sich kleinen Strecke von 24,5 km auf die Summe von zirka 7 ¾ Millionen Mark gebracht (7772000.- M.) Das wilde Bergland machte auch drei größere Bergdurchbrüche, Tunnels, nötig. Der erste beginnt gleich hinter dem Bahnhofe Ahrdorf, der Ahrdorfer Tunnel, er ist 392 m lang. Der Finkenberger Tunnel in einer Länge von 314 m und der Blankenheimer Tunnel, 102 m lang, liegen von Ahrdorf gerechnet kurz hinter dem Bahnhof Mülheim - Eifel vor dem sehr freundlichen Städtchen Blankenheim. Die Stationen der neuen Bahnstrecke sind ersichtlich aus dem Fahrplanentwurf, der vor kurzem in der „Blankenheimer Zeitung“ veröffentlicht wurde. Änderungen blieben bis zur Eröffnung (1. Mai d. J.) noch vorbehalten. Für die demnächstigen Ahrtalbesucher sei dieser Fahrplanentwurf schon gleich hier mitgeteilt. In der umstehenden Skizze sind die Bahnhöfe und Gemeinden eingezeichnet.

Die Gemeinde Dollendorf liegt etwas südlich vom gleichnamigen Bahnhof; der Ort direkt am Bahnhof heißt Ahrhütte.













Und nun erwartet man hier allerorts mit höchster Ungeduld den 1. Mai und damit die Eröffnung der so lang ersehnten Bahn. Daß man in Berg und Tal außer etwa von den Kriegsereignissen im fernen Osten nur noch eigentlich von „unserer Bahn“ spricht und von all den Hoffnungen, die ein jeder sich von der Zukunft macht - das ist wohl leicht zu verstehen.





Bahnbau bei Mülheim (Eifel).



Aber auch bis heute hat der Bahnbau der hiesigen Bevölkerung schon nicht unerhebliche Vorteile gebracht. Die materiellen stehen gewiß obenan. Die Gemeinden und die Privatbesitzer erhielten für das zum Bahnbau nötige Gelände zum Teil recht schöne Preise. Es wird mir glaubwürdig berichtet, daß in die einzelnen Gemeinden 20, 30, 50, sogar 80 Tausend Mark in bar von der Eisenbahnverwaltung für Enteignung gezahlt worden sind. Und wie haben die kräftigen Eifler selbst beim Bahnbau mit Hand angelegt; der Lohn dafür waren alle 14 Tage die blanken Zwanzigmarkstücke, die man sonst sehr selten in diesen schwieligen Ackererhänden sehen konnte. Manche Familien haben sich durch den Bahnbau so ziemlich aus großen Schulden herausgearbeitet. Für Sandanfahren von Reetz aus zur Bahnstrecke wurde z. B. pro Wagen von dem Bauunternehmer 5 bis 6 Mark bezahlt. Fleißige Reetzer Familien konnten fünf= bis sechsmal am Tage eine solche Lieferung machen, wie mir versichert wird. - für nicht ganz leichte Arbeit waren dann 25 bis 30 Mark pro Tag auch gewiß ein schöner Lohn. In welch reicher Weise das Geld in die bisher so armen Eifeldörfer floß zur Zeit des Bahnbaues, dafür nur ein Beispiel. Die Gemeinde Reetz mit zirka 230 Einwohnern gab allein innerhalb eines Jahres 1911/12 freiwillig zur Verschönerung ihrer Kirche 1800 Mark. Wie wäre das möglich gewesen, wenn nicht Tag um Tag zwei Jahre lang reichlicher Goldsegen aus harter Arbeit in sonst nie gekannter Fülle in das Dorf hineingekommen wäre! - Gewiß, mit dem reichlich verdienten Gelde sind auch die größeren Lebensansprüche, ja bisher hier bis zum Bahnbau so ziemlich unbekannte Lebensgewohnheiten aufgetaucht und etwas in Schwung gekommen.





Ahrdorfer Tunnel (392 m lang).



Die Landpreise steigen; konnte man noch vor einigen Jahren Ödland pro Morgen (25a) für 4 bis 5 Mark erhalten, so muß man heute schon dafür 50 Mark und noch mehr zahlen an ganz entlegenen Stellen. Und doch sind die Spekulanten hier schon bei der Arbeit. Schon im August vorigen Jahres war ein Kölner Agent hier, der in Reetz mit meiner Vermittlung 200 bis 300 Morgen arrondiertes Land mit Haus und Viehbestand kaufen wollte - angeblich zur Anlage einer Geflügelzucht in großem Maßstabe.





Neue Bahnbrücke bei Reetz.



Man spricht bereits von kleinen Fabrikbetrieben, die man an den einzelnen Bahnhöfen anlegen will. Dampfsäge=, Kalkwerke u. dgl. So wird ganz sicher in einigen Jahren auch das obere Ahrtal für die Industrie erschlossen sein. Dem frohen Eifelwanderer ist das allerdings nicht gerade das liebste. Die Eifelbewohner aber werden es sicher mit Freunden begrüßen.

Allenthalben meldet man jetzt auch aus den einzelnen Gemeinden hier an der neuen Bahnstrecke Funde von reichen Bodenschätzen, wie Kalk, Marmor, Quarzit u. a. In der nahegelegenen Gemeinde Reetz, und zwar hauptsächlich in einer von einem kleinen Bach bzw. Graben durchflossenen Mulde, östlich des Dorfes, weiter auch auf Wiesen südöstlich desselben finden sich Quarzite und zwar in mehreren 100 toten Blöcken. Letzere befinden sich auf einem Gemeindegrundstück, das sich zur Anlegung einer Quarzitgrube sehr eigenen würde. Nach dem Sachverständigen=Gutachten des mineralogischen Instituts zu Bonn handelt es sich bei den Quarziten um vorzügliches Material. Die vorgefundenen weißen Quarzitvarietäten, die relativ rein sind, lassen sich nach dem vorerwähnten Gutachten in der Glasfabrikation zur Herstellung halbweißer und gewöhnlicher Gläser verwenden. Besonders wichtig ist jedoch die Verwertbarkeit der Quarzite für feuerfeste Dinassteine. Die Prüfung nach dieser Richtung hin ergab ein sehr günstiges Resultat. Die weißen Varietäten sind rein und vorzüglich als Magerungskörper der Dinasziegel geeignet. Die Quarzitlagen in Reetz sind in letzter Woche unter günstigen Bedingungen zur Ausbeutung verpachtet worden. Mt den Arbeiten wird vermutlich sogleich nach Eröffnung der neuen Bahn begonnen werden. Es liegen nach glaubwürdigen Schätzungen zirka 100 Waggon Quarzite in dem Reetzer Gelände. Wie verlautet, sind pro Waggon sieben Mark geboten worden; die Gemeinde hätte also eine schöne Nebeneinnahme für das kommende Jahr zu verzeichnen.

Auch hat man in dem benachbarten Mülheim ein Marmorlager entdeckt. Die gothaische Gewerkschaft Salzkopf hat die Ausbeutungsrechte der umfangreichen Gelände erworben. Über die Beschaffenheit und Verwendbarkeit des in Mülheim gefundenen Marmors liegen Gutachten von bekannten Baufachleuten vor, die den Mülheimer Marmor zu Bauzwecken für Fassaden und Inneneinrichtungen für geeignet halten. An dem Abbau des Gesteins wird auf dem Bruch schon seit längerer Zeit gearbeitet und das Material schon in anderthalb Meter Tiefe freigelegt. Das Mülheimer Material wird sich, schon im Hinblick auf die guten Transportverhältnisse, weit billiger stellen, als die ausländischen Marmorsorten. So wird mit der Eröffnung der neuen Bahnstrecke auch Mülheim ganz gewiß einer industriellen Zukunft entgegengehen.

Wer genaueren Einblick in den großen Bodenreichtum der hiesigen Gegend gewinnen will, der lese die beiden hochinteressanten Eisenbahn=Petitionen „Adenau-Stahlhütte-Blankenheim-Nettersheim 1885“, Druck von R. E. Kirfel, Gemünd und „Dümpelfeld-Adenau ins obere Ahrtal 1888“ gedruckt bei J. P. Bachem, Köln (Nr. 11718).





Blankenheim (Eifel): Partie an der Ahrquelle.



Der Schreiber dieser Zeilen glaubt seinen eingangs erwähnten Zweck, zum fleißigen Besuche des oberen Ahrtales seitens aller Eifelfreunde anzuregen, nicht erreicht zu haben, wenn er mit den vorstehenden Ausführungen der Abhandlung über die neue Bahnstrecke schließen würde. Der nun glücklich vollendete Schienenweg ist doch nur erst das Tor, das uns in die herrliche Gottesschönheiten des oberen Ahrtales einführt. Die diesen Zeilen beigefügten Bilder können uns nur im entferntesten die Wirklichkeit ahnen lassen. Wer nur das obere Ahrtal, d. h. die neue Ahrtalstrecke bis Ahrdorf kenne lernen will, der beginnt am besten seine Wanderung von Blankenheim aus, wo die Ahr ganz nahe an der Bahnstrecke Köln-Trier bis zur Station Blankenheim (Wald), wo in nächster Zeit wohl auch einige Schnellzüge halten werden. Von hier aus geht’s per Bahn nach Blankenheimerdorf und dann nach Blankenheim (Eifel). Wer eine freundliche Landkirche mit kunstvollen Altären sehen will, der versäume nicht, in Blankenheimerdorf auszusteigen. Blankenheimerdorf und Blankenheim werden seit dem letzten Winter mit Elektrizität (Licht und Kraft) von der Ufttalsperre versorgt. Auch die Kirchen sind mit elektrischem Licht versehen. Blankenheim selbst ist im Eifelführer unter XIII (Blankenheim) ausführlich behandelt. Das äußerst günstig geschützte und romantisch gelegene Städtchen mit seinen herrlichen Fernsichten und Spaziergängen ist ein Glanzpunkt der Eifel. Von den Schönheiten Mülheims, Dollendorf, Ahrdorf und den anderen Ortschaften, die durch die neue Bahn dem Verkehr und den Eifelwanderern näher gerückt werden, will ich nicht ausführlich reden. Man sehe das Nähere darüber im Eifelführer unter XVI, oberes Ahrtal. Ich kann nur noch dazu sagen: Komm und schau und freue dich! - Über Reetz aber und seine nähere Umgebung mag es mir als Pfarrer dieses kleinen Eifeldörfchens gestattet sein, einige Angaben zu machen. Reetz 1) [Nach Joh. Becker, Geschichte der Pfarreien des Dekanats Blankenheim. Köln 1893 Bachem.] (“von radix, racina, radicina, racinetum = Gestrüpp, Strauchwerk“, in Konfraterkreisen leitet man es witzig ab vom griechischen [...]=ich ruhe aus), ein bisher „weltvergessenes“ Eifeldörfchen drei Stunden von Station Blankenheim (Wald), liegt eine halbe Stunde nördlich vom neuen Bahnhof Freilingen (Eifel). Eine sehr schöne Fahrstraße führt vom Bahnhof (380 m über d. M.) an der Reetzer Mühle vorbei hinauf in das Bergdorf (469 m). Der Naturfreund aber benutzt den Wiesenpfad, der direkt am Bahndamm rechts vom Fahrweg abgeht. Dieses Wiesental sanft ansteigend ist so recht eine typische Eifelschönheit. Rechts und links mäßig hohe Berge mit Nadel= und Laubwald, zur Seite das fröhlich eilende Bächlein, die Reetz, vom Dorfe kommend, saftig grüne Eifelwiesen, das Rufen und Antworten der befiederten Waldbewohner vom Sperber und der wilden Taube bis zum kleinen Specht und Fink - ein einzig schönes Tal!





Blankenheim-Eifel



Das Dorf stammt (nach Becker) aus römischer Zeit, wie aus seiner Lage zwischen bedeutenden römischen Ansiedlungen und aus einigen Funden (römisches Bauerwerk, tönerne Abflußrinnen, Urne mit Asche, römische Münzen) mit Sicherheit geschlossen wird. Das Gotteshaus, eine äußerst freundliche langschiffige Landkirche (15:5m) stammt aus dem 15. Jahrhundert. Kommt man von Rohr (eine Stunde von Reetz) über die „Eisengrub“ auf Reetz zu, so liegt das freundliche Dörfchen idyllisch schön vor den überraschten Blicken tief unten im Tal wie ein niedliches Vogelnestchen geborgen. Und doch ist seine Höhenlage noch, wie schon erwähnt, 469 m. Es ist wirklich schade, daß bisher an die 42 hier ansässigen Familien sich nicht auf Sommergäste eingerichtet haben. Aber es wird nun kommen nach dem 1. Mai. Bauplätze von geradezu entzückend schönen Stellen sind hinreichend vorhanden. Wer als Naturfreund Sinn hat für Wald und Flur, wer sich erfreuen will auf hohem Bergplateau am Fernblick ins weite Gottesland, wer das scheue Wild beobachten und dem Waldkonzert der gefiederten Sänger lauschen will, wer nachdenklich dem still plätschernden Bächlein zuschauen möchte in reiner, unverfälschter Höhenluft, fernab vom Getriebe der rauschenden Welt, der komme nach Reetz ins stille Eifeldorf. So machts nun schon mehrere Jahre der hiesige Jagdpächter, ein sehr vermögender Herr aus der Metropole, und jeden Ferientag seiner Kinder im Sommer und Winter verbringt er mit seiner ganzen Familie und Dienerschaft nebst Besuch hier in unserem Eifeldorfe. Wenn die Schule um 12 Uhr in Köln geschlossen wird, dann knattert gegen 3 Uhr hier im Orte das Auto und „Töff! Töff!“ - die Herrschaften sind wieder hier bis zum letzten freien Schultage. Noch jetzt zu Ostern äußerte ein hoher Eisenbahnbeamter, der als Besuch die Tour mitmachte, er habe noch keine so romantisch=schöne, einfach herrliche Gegend angetroffen wie die Umgebung von Reetz. Und dabei hat dieser Herr 25 Jahre lang die bedeutendsten Bäder aufgesucht. Ja, - es mögen Geschmacksachen sein; aber das steht fest, unsere kleinen versteckten Eifeldörfer mit Umgebung, nicht nur Reetz allein, sie bergen noch eine reiche, ungeahnte Fülle von Naturschönheiten. Von Blankenheim und Freilingen ist Reetz leicht in kurzer Zeit zu erreichen. Der Waldweg von Blankenheim in der Nähe von Reetz und der Weg von Freilingen auf Reetzer Gebiet dürften allerdings etwas besser sein - wenigstens für nasse Tage. Aber auch dafür wird jetzt ganz gewiß schon gesorgt werden, wenn nach dem 1. Mai d. J. Reetz mehr von Touristen berührt wird, die von Blankenheim nach dem nahen Aremberge pilgern. Die Ortsgruppe Blankenheim hat in ihrer letzten Sitzung vom 16. März den ernsten Willen gezeigt, Wege und Ruheplätze usw. für die reichlich im Sommer zu erwartenden Eifelwanderer in gute Ordnung zu bringen. Von den umliegenden Höhen bei Reetz hat man eine geradezu entzückend schöne Aussicht auf die nähere und entferntere Eifel - Aremberg, Hohe Acht, Nürburg und die Dauner Berge, sowie die Ortschaften Ripsdorf, Lommersdorf, Mülheim, Dollendorf usw. Im Winter bietet die Umgebung von Reetz äußerst günstige Gelegenheit zum Rodelsport. Man komme und überzeuge sich.





Reetz bei Blankenheim (Kirche und Pfarrhaus).



Wie man bisher größere Transporte in den Eifeler Bergen besorgen mußte, dafür zum Schlusse noch ein erheiterndes Beispiel. Über meine Einführung am 29. Dezember 1910 hier in Reetz brachte die Blankenheimer Zeitung folgende Nachricht:

Reetz, 4. Januar 1911. Am vorigen Donnerstag wurde Herr Pfarrer Löffelsend, bisher Vikar in Saeffelen, in seine neue Pfarrstelle eingeführt. Trotz des winterlich kalten Wetters waren doch einige Confratres erschienen. Jung und Alt erwartete im Festtagsschmucke an der Gemarkung den ersehnten neuen Seelsorger. Leider trat die Natur den Wünschen und Hoffnungen der Menschen entgegen. Dies trat besonders zu Tage, als es galt, die Möbelwagen vom Bahnhofe bis zur Pfarrstelle zu beschaffen. Da zeigte sich so recht, wie die Pfarre einig war, als es galt, den geliebten Seelenhirten zu unterstützen. Am Abend war das ganze Dorf auf den Beinen; teilweise, um die erschöpften Tiere durch neue zu ersetzen, teilweise auch, um durch Schneeschaufeln im Reetzer Berge freie Bahn zu schaffen. So konnte es denn gelingen, als 4 Pferde und 14 Ochsen vor den Wagen gespannt wurden, diesen ohne Schaden zum Pastorat zu bringen.





Ort Ahrhütte am Bahnhof Dollendorr (Eifel).



Ein Bild allerdings wie im fernen Afrika! Schade, daß an jenem Tage kein „Knips=Apparat“ zur Stelle war. - Mein Nachfolger wird es nun wohl etwas bequemer haben mit seinem Möbeltransport. In einer benachbarten Pfarrei ist ein Gesuch im Pfarrarchiv aufbewahrt, das im Jahre 1846 der damalige Pfarrer, ein geborener Kölner in persönlicher Angelegenheit an die bischöfliche Behörde zu Köln richtete. Das Datum heißt .... Anno 1846, „exilii mei tertio.“ (Im dritten Jahr meines Exils.) Die Folge dieses in nicht sehr bescheidener Form geäußerten Wunsches um Versetzung aus der „bösen Eifel“ war dann auch eine entsprechende Rüge seitens der bischöflichen Behörde. Heute wäre in unserer durch die vielen Eifelbahnen ganz erschlossenen Gegend ein solcher zarter [Vorlagenende] ... (Ergänzungen bzw. Kopie erbeten).











Quelle: Eifelvereinsblatt 1913
Archiv: Anton Könen Mechernich









Sammlung Anton Könen, Mechernich

- Die Euskirchener Kreisbahn
- Volkswirtschaftl. Artikel, Aufbau der Rheinischen Bahn, Verstaatlichung und Eifelbahn 1853 - 1875
- Die Rheinische Bahn - Bekanntmachungen und kleine Artikel von 1846 - 1933
- Inserate rund um die Rheinische Bahn und Eifelbahn 1865 - 1922
- Bau der Strecke Düren - Euskirchen - Call - Schleiden - Hellenthal 1867 - 1914
- Weiterführung in die Eifel und Weiterführung nach Münstereifel betreffend
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- 40er Jahre und Artikel der Nachkriegsjahre
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