Erlebnisse eines Buirer Eisenbahners in seiner 50-jährigen Dienstzeit
von Peter Müllenmeister




2. Kriegs- und Nachkriegszeit von 1915 - 1922





Nachdem ich 3 Jahre lang im elterlichen Kohlenlager tätig war, trat ich am 1.6.1915 als jugendlicher Arbeiter bei der Preussisch-Hessischen Eisenbahngesellschaft ein.

Zuerst war ich Bote in einem Bahnmeisterbüro in Düren. Weil ich an technischen Sachen Interesse hatte, schickte der Bahnmeister mich 3 Monate zur Telegrafen-Werkstätte (TW) Köln zur Ausbildung für den Telegrafenunterhaltungsdienst bei der Bahn. Nach meiner Ausbildung kam ich zu einem Leitungsaufseher der BM 1 in Düren. Als der Leitungsaufseher der Bm 5 Düren Anfang 1916 zur Wehrmacht einberufen wurde, wurde mir ein Teil seiner Aufgaben übertragen. Meine Hauptarbeit war damals die Instandhaltung der elektr. Batterien. Es waren „Meidinger Elemente“ Schwachstrom, die in jedem Stellwerk vorhanden waren. So waren in Buir in 3 Stellwerken ca. 140 Stück, auf der Blockstelle Merzenich 20 Stück, im Vorbf Düren in einem Stellwerk DWT 80-100 Stück und im Stellwerk DOT 80 Stück Meidinger-Elemente. (Naßelemente)

Bei Versagen einer Batterie, sonst turnusmäßig alle 4 Monate, mußten diese Elemente erneuert bzw. gereinigt und neu gefüllt werden. Ein -Element bestand aus Standglas, Einsatzglas, Kupfer- und Zinkpol, Kugelflasche mit Kupfervitriol, in dem sich ein Korken mit Glasröhrchen befand, ferner Bittersalz und destilliertes Wasser. Ferner war meine Arbeit, Behebung von kleinen Mängeln an Fernsprechern, Morsewerken, Schienenstromschließern, Leitungen u.a.

Reparaturen wurden bei der TW, Telegrafen-Werkstätte, Köln durchgeführt. Zu meinem Unterhaltungsbereich gehörte das Gebiet von Buir bis Vorbahnhof Düren.

Am 16. Nov. 1916 wurde ich zum Kriegsdienst einberufen. (18 Jahre alt) Zuerst war ich in einem Rekrutendepot in Köln, im Febr. 1917 wurde ich zur III. Ersatz-Maschinengewehr-Komp. nach Brüssel versetzt. Nach mehrmonatiger Ausbildung nahm ich an einem 3-monatelangem Gewehr- und Richtschützenkursus in Döberitz b. Berlin teil.

Nach meiner Rückkehr in Brüssel wurden einige Kameraden (Abiturienten) und ich an (Beute Mgs) französischen und engl. Beutemaschinengewehren geschult und später als Ausbilder eingesetzt.

Mein Komp.-Chef, ein adeliger Offizier, war Dipl.-Ing. Er hatte eine Masch.-Gewehr Werkstatt in einer Kaserne in Brüssel-Etterbeek errichten lassen. Es wurde Wert darauf gelegt, daß jeder deutsche Soldat sich mit Beutewaffen zurecht fand. Bis zur Revolution im Nov. 1918 war ich zu manchem Kursus auf belgischem und deutschen Truppenübungsplätzen als Ausbilder eingesetzt. Während der Revolution war ich einem Panzerzug zugeteilt, mit dem wir in Brüssel für die öffentliche Ordnung sorgen mußten. Tag und Nacht fuhren wir vom Nordbahnhof zum Südbahnhof, sowie zum Bahnhof Turn und Taxis, der als Verpflegungsbahnhof für Militär eingerichtet war. In den Revolutionstagen stand dort ein Zug mit Lebensmitteln, der von Belgiern geplündert wurde. Säcke Mehl, Zucker und Hülsenfrüchte lagen vor den Waggons bis Trittbretterhöhe. Als wir dort ankamen, gaben wir einige Schreckschüsse ab und im Nu war das Volk vom Bahnhof weg und unser Militär konnte ihre LKWs beladen. Ähnlich war es mit einem großen Bekleidungslagen in Brüssel-Etterbeek, das wir vor den Belgiern schützen mußten. Ferner hatten wir die Aufgabe, in der Stadt Übergriffe des Soldatenrats (Revolutionäre) zu verhindern. Ein alter Major weinte, weil man ihm die Achselstücke abgeschnitten hatte.

Nach ordnungsgemäßem Rückmarsch im Panzerzug mit Ruhetagen in Lüttich, Aachen, Jülich wurde ich in Bergheim am 25.11.1918 entlassen. (Eisenbahner wurden bevorzugt entlassen)

Meine Kompanie war noch bis Sommer 1919 in der Gegend von Leer und wurde dann aufgelöst.

Nach einigen Tagen Urlaub nahm ich meine Arbeit bei der Eisenbahn wieder auf. Zunächst wurde ich als Weichenwärter ausgebildet und mehrere Monate als Blockwärter, später als Telegrafist, dann als Fahrdienstleiter beschäftigt und war in der Folgezeit in Düren, Buir, Großkönigsdorf und Köln tätig.

Im Winter 1918/19 war ich 4 Monate lang als Blockwärter auf der Blockstelle Merzenich beschäftigt. Ich mußte 5 km von Buir bis dahin zu Fuß gehen, dann 12 Stunden Dienst machen und wieder 5 km zurück nach Haus. Fahrräder hatte man zu der Zeit nicht und manches andere fehlte.

1922 war ich in Großkönigsdorf als Fahrdienstleiter und Aufsichtsbeamter stationiert. Als Uniform hatte ich eine schwarze Hose meines verstorbenen Vaters und meine feldgraue Militäruniformjoppe, dazu die rote Mütze. Mein Ablöser, ein Sohn des Bahnhofsvorstehers der im Kriege Leutnant war, machte in seiner feldgrauen Offiziersuniform und er roten Mütze seinen Dienst. Erst nach der Inflation gab es wieder Bahnuniformen.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde Deutschland in drei Besatzungszonen aufgeteilt. Von Frankreich wurde das Gebiet von der franz./belg. Grenze bis in den Raum Aachen-Düren-Koblenz, den Rhein entlang bis zum Saargebiet, Elsaß Lothringen, besetzt.

Die Engländer hatten das Gebiet von Buir bis Köln, sowie nördlich von Köln das ganze rechtsrheinische Gebiet bis Mitteldeutschland besetzt. Im Süden waren sie bis Mainz-Frankfurt. Von da ab waren Amerikaner bis zur Reichsgrenze im Süden am Königssee und Bodensee.

Das historische Denkmal an der Moselmündung „Deutsches Eck“ wurde von den Franzosen teilweise vernichtet, nur die Grundmauern blieben erhalten.

Man mied die franz. Zone wegen scharfer Personen- und Gepäckkontrollen. Ende 1923 machten meine Frau und ich unseren ersten größeren Ausflug zum Bodensee. Es war unsere Hochzeitsreise mit einigen Monaten Verspätung, wegen der Schwierigkeiten bei solcher Reise. Wir umfuhren die franz. Zone über Köln-Hagen-Hengstey-Hanau-Frankfurt, weil der Übergang aus der engl.- in die amerikanische Zone reibungslos vonstatten ging.

In Räumen der Kölner Messe erhielt man Geleitscheine zum Übergang aus einer in die andere Besatzungszone, denn ohne diese Geleitscheine hätte man große Schwierigkeiten haben können und wäre vielleicht zurückgeschickt worden, wobei die Möglichkeit bestand, daß der Paß einkassiert wurde. Jeder mußte einen Dreisprachen-Personalausweis bei sich führen. Meinen Ausweis besitze ich heute noch.

Während der Besatzungszeit mußte man die Offiziere der Besatzungsmächte und ihre Fahnen grüßen, die Männer durch Abnahme ihrer Kopfbedeckung. Auch mußte man 3 Schritte Abstand von den Offizieren halten, sonst lief man Gefahr, einen Schubs auf die Straße zu bekommen. Seit dieser Zeit wurde aus Protest von den Männern vielfach keine Kopfbedeckung mehr getragen, was bis dahin fast undenkbar gewesen war.




Teil 3 - Reparationen, Inflation, Besetzung des Ruhrgebietes, Passiver Widerstand 1923 - 1929

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