Geschichtsseiten für Bad Münstereifel und Umgebung
Wirtschafts-, Verkehrs-, Heimat- und Kulturgeschehen





Münstereifel - Kurort und Kneipp-Heilbad - Von Dr. Heinz Renn
Geschichte, Sehenswürdigkeiten, Spaziergänge, Autofahrten


A. Münstereifel im Wandel der Jahrhunderte
B. Führung durch die Stadt
C. Sonstiges Wissenswertes in und um Münstereifel
D. Spazierwege um Münstereifel
E. Wanderungen in die Umgebung
F. Autofahrten durch die Eifel
G. Münstereifeler Werbewelt





A. Münstereifel im Wandel der Jahrhunderte



Der Raum

Münstereifel, das von Köln und Bonn etwa 40 km entfernt ist, liegt am Ausläufer der Kölner Bucht, dort, wo diese eng und enger wird und tief ins Gebirge, in die Eifel, vorspringt. Die Eifel, die mit Hunsrück, Taunus und Westerwald das Rheinische Schiefergebirge bildet, wird im Norden von der Lösslandschaft der Jülich-Zülpicher Börde, im Osten vom Rhein, im Süden durch die Mosel und im Westen durch die Landesgrenze eingerahmt. Jenseits der politischen Grenze verläuft das Gebirge, wenn auch unter anderem Namen, weiter. Ihren Anteil an unserem Gebirge nennen die Luxem­burger Ösling, die Belgier und Franzosen Ardennen. Das Eifel-Ardennen-Massiv, das etwa 200 km lang und 100 km breit ist, weist zwischen 200-700 m starke Höhenunter­schiede auf. Die höchste Erhebung bildet die Hohe Acht (746 m) bei Adenau. Das Gebirge gliedert sich in zwei natürliche Räume: in die der Mosel zugewandte Südeifel und die nach Maas und Rhein gerichtete Nordeifel.

Münstereifel liegt am Rande der Nordeifel. Der durch das Städtchen fließende Wasserlauf, die Erft, die sechs km süd­lich bei Holzmühlheim entspringt, mündet bei Neuß in den Rhein. Die Höhenlage Münstereifels beträgt im Stadtkern etwa 280 m. Die umliegenden Berge steigen über 400 und 500 m hoch an (Michelsberg 588 m).

Eine
einzigartige
Schau
über
die
Entstehung
und
Geschichte
der
Stadt
des
Mittelalters


Heimatmuseum Münstereifel


Mit einer durchschnitt­lichen Jahrestemperatur von 9-10° ist das Klima günstig. Münstereifel gehört zum Regenschattengebiet der Osteifel und weist deshalb eine nur mittlere Niederschlagsmenge von jährlich 630 mm auf; das 12 km entfernte Euskirchen ist der regenärmste Ort in Nordrhein (540 mm).

Name, Gründung und Aufwärtsentwicklung

König Pippin schenkte der Abtei Prüm (gegründet 721) im Jahre 762 das obere Erftgebiet und die Gegend um Rhein­bach. Inmitten dieses Eigenbesitzes gründete Abt Markward etwa um das Jahr 830 ein novum monasterium = ein neues Münster.

Also vor mehr als 1100 Jahren ließen sich die Benediktiner­mönche hier nieder. Als Wohnsitz wählten sie nicht das fruchtbare Kalkgebiet etwa im benachbarten Iversheim, son­dern unwirtliches Wald- und Sumpfgelände auf schwer zu bearbeitendem Schieferboden, wo sie nach dem Leitspruch des heiligen Benedikts „bete und arbeite" das Betätigungsfeld harter Arbeit fanden. Die Mönche verwandelten das sumpfige Erftgebiet in fruchtbares Wiesengelände und rodeten weite Ödlandstrecken. Es entstanden zahlreiche neue Siedlungen und Dörfer in der Umgebung.

Vielleicht war bei der Wahl des Platzes mitbestimmend, daß sich auf dem nordöstlich benachbarten Berge, auf dem Quecken, eine fränkische Burganlage befand, die der neuen Siedlung einen gewissen Schutz gewährte.

Die Landflächen, die König Pippin vormals geschenkt hatte, unterstellte der Abt von Prüm unter Beibehaltung der Ober­aufsicht seiner neuen Gründung. So wurde Neumünster kirchlicher Mittelpunkt für sieben Mutterkirchen (Rheinbach, Kreuzweingarten, Kirspenich, Wichterich, Wissersheim, Vischel, Kirchsahr) und sieben Filialkirchen (Billig, Iversheim, Kalkar, Eschweiler, Nöthen, Bouderath, Effelsberg). Die Kleriker aus Münstereifel übten dort die Seelsorge aus oder setzten andere als Geistliche ein und hielten die Gotteshäuser instand.

Neumünster nahm eine schnelle Aufwärtsentwicklung. In dem bekannten Vertrag zu Mersen (870) wurde es bereits nament­lich genannt. 898 verlieh König Swentibold dem Orte Markt-, Münz- und Zollrechte. 1102 fand hier sogar eine Fürstenver­sammlung statt, zu der Kaiser Heinrich IV. eingeladen hatte.


Kurhausterrasse
mit Blick auf die Stadt

Statt Neumünster setzte sich im 12. Jh. der Name Münster­eifel durch (Monasterium in Eiflia, zuerst 1086). Eifel war da­mals die Bezeichnung eines Gaues, die erst später auf das ganze Gebirge überging. Der Eifelgau erstreckte sich etwa vom Raume Münstereifel bis Gerolstein, Daun und Ulmen; er umfaßte das Quell- und Oberlaufgebiet von Olef, Urft, Ahr, Lieser und Kyll.

Die Kirche übernahm die politischen Verwaltungsgrenzen. Sie machte die Gaue zu Dekanatsbezirken. Hauptort des Eifel­dekanates wurde Münstereifel, obwohl es am nördlichen Randgebiet lag. Auch diese Tatsache spricht dafür, daß unser Ort von den etwa 50 Pfarreien des Dekanates die hervor­ragendste Rolle einnahm.

Münstereifel ist nicht im eigentlichen Sinne Benediktiner­kloster gewesen. Sicherlich waren dort auch einige Mönche der Abtei Prüm in den ersten Jahrhunderten der kolonisato­rischen Aufbauarbeit tätig. Aber in erster Linie war die neue Gründung seelsorgliches Zentrum für das obere Erftgebiet. Eine Gemeinschaft von Klerikern bewohnte das Kollegiatstift. Sie lebten in nur loser Gemeinschaftsbindung und kamen lediglich zum feierlichen Gottesdienst, zum gemeinsamen Chorgebet und zu Besprechungen im Kapitelsaal zusammen.

Jeder der ungefähr 30 Stiftsherren besaß eine eigene Wohnung und hatte sein besonderes Amt. An der Spitze stand der Propst, im inneren Bereich hatte der Dekanus die Führung, die Schule leitete der Scholastikus, als Rentmeister amtierte der Kellarius, die Gestaltung des Gottesdienstes und des Ge­sanges oblag dem Kantor, der Kustos war Vorsteher der Sakristei und der Magister fabricae hatte die Instandhaltung der Gebäude zu überwachen.

Das Kollegiatstift besaß einen weiten Wirtschaftshof. Etwa 40 Orte leisteten den Stiftsherren Abgaben und zahlten Zehn­ten. Im Herbst wurden 500 Karren Landeserzeugnisse im Klosterhof abgeladen. Beweis des Wohlstandes ist die im 12. Jahrhundert vollendete Stiftskirche, die mit ihrem stattlichen Westwerk zu den bemerkenswerten romanischen Kir­chen des Rheinlandes zählt. In der Krypta der Kirche ruhen die Gebeine der heiligen Chrysanthus und Daria (+ 258), die von Rom überführt worden waren (844). Zur Verehrung die­ses hl. Martyrer-Ehepaares kamen die Gläubigen von nah und fern nach Münstereifel, das damit auch als vielbesuchter Wall­fahrtsort Bedeutung gewann.

Die mittelalterliche Stadt


Köln und Jülich, die beiden großen Territorien am Mittel­rhein, dehnten ihre Herrschaft seit dem 13. Jahrhundert auch in der Nordeifel aus. Um den Besitz von Münstereifel kam es zu harten Auseinandersetzungen, in denen sich der Graf ge­genüber dem Erzbischof von Köln durchzusetzen vermochte. So gehörte Münstereifel mit kurzer Unterbrechung seit 1265 zur Grafschaft (seit 1356 Herzogtum) Jülich.

Die Grafen von Jülich machten Münstereifel zu einem starken Stützpunkt ihrer Macht. Sie begannen mit dem Bau der Burg (1272) und errichteten in enger Anlehnung an die Ge­gebenheiten der Natur in Form eines unregelmäßigen Fünf­ecks die Stadtmauer, in die zur Sicherung vier Tore und 18 Wehrtürme einbezogen wurden. Um 1350 war das Be­festigungswerk vollendet. Auf der Burg residierte zu Beginn des 14. Jahrhunderts Graf Godfried von Jülich, Herr zu Berg­heim (1312-1335). Sein Bruder Wilhelm, der die Herzogs­würde erhielt, machte Nideggen zu seiner Residenz. Münster­eifel blieb eine der vier Hauptstädte (Düren, Nideggen, Eus­kirchen, Münstereifel) im Herzogtum Jülich. Seine Burg wurde der Sitz des herzoglichen Amtmannes. Das Amt Münstereifel, das sich bis Nettersheim erstreckte, umfaßte 16 Gerichtsbezirke. Bis ins 17. Jahrhundert hinein verwaltete der Amtmann von Münstereifel auch das Amt Euskirchen.

Rings um den Klosterbezirk und am Fuße der Burg siedel­ten sich zahlreiche Familien an. Die Bürgerschaft besaß bereits um 1200 ein eigenes Schöffengericht und damit das wesentliche Merkmal der kommunalen Selbstverwaltung. Der Name Stadt (oppidum) ist urkundlich zuerst 1298 bezeugt. Außerhalb des Berings gehörten zur Stadtgemeinde die Orts­teile Rodert, Eicherscheid, Hohn, Kolvenbach und Bergrath. Ihre Bewohner werden in den mittelalterlichen Urkunden „auswendige Bürger" genannt.

Münstereifel war nicht nur als landwirtschaftlicher Markt­mittelpunkt gewachsen. Die Bürger zeigten auch Gewerbesinn. Die vorhandenen Rohmaterialien wurden geschickt ausge­wertet. Auf den Wiesen und weiten Ödlandflächen weideten große Herden. Die Wolle der Schafe, die Felle der Rinder und die Lohe der Münstereifel umsäumenden Eichenwälder, die auf dem Schieferboden einen besonders hohen Gehalt an Gerbstoff erzeugen, boten die Voraussetzungen zur Errich­tung von Gerbereien und Wollmanufakturen.


Wehrgang zum Werthertor (Rekonstruktion)

Der Erftbach lieferte das für die Verarbeitung notwendige kalkfreie Wasser. Einen besonderen Namen machte sich Münstereifel als Tuch­macherstadt. Die Wolle wurde gesponnen, zu Tuchen gewebt, gereinigt und dann gewalkt, d. h. durch Bearbeitung mit Holzhämmern dicker und filziger gemacht. In den Walk- oder Follmühlen trieb man die hölzernen Stoßhämmer mit Wasserkraft. Der Ausdruck, jemanden verwalken, kommt aus der Webersprache und ist in Münstereifel weiterhin ge­läufig. 1339 erhielten die Münstereifeler Wollweber das Recht, ihre Tuche mit eigenem Zeichen zu versehen. Fünf Jahre später (1344) wurden die Münstereifeler Tuche in Köln ur­kundlich als Qualitätsarbeit anerkannt.

Gutes handwerkliches Können war den Münstereifeler Bür­gern bescheinigt worden, aber sie zeigten auch kaufmän­nische Fähigkeiten, ja die Kaufleute stiegen zur herrschen­den Schicht in der Stadt auf. Nur sie konnten Ratsmitglieder und Bürgermeister werden. Noch 1677 mußte ein Bürger vor seiner Aufnahme in den Stadtrat die Erklärung abgeben, daß er während seiner Amtszeit kein Handwerk betreiben werde. Überliefert ist uns der Ehrensold, den der Bürgermeister er­hielt: die Nutznießung des westlichen Wallgrabens (heute Kurpromenade), einen durch Windbruch gefallenen Baum, Freiheit von Abgaben und Steuern und die Zungen aller zum Verkauf geschlachteten Rinder.

Münstereifels Kaufleute handelten mit Agrarprodukten, Bier, Wein, Lederwaren und Tuchen. Absatzgebiet waren das mitt­lere Ahrgebiet und die ganze Nordeifel. Enge Handelsbezie­hungen bestanden zum großen niederrheinischen Wirtschafts­raum. Als Stapelplatz und Handelszentrum nahm Münster­eifel eine beachtliche Stellung ein.

Gelegentlich wurde die Stadt von furchtbaren Unglücksfällen heimgesucht, von Seuchen und Wasserkatastrophen. Eine große Überschwemmung im Jahre 1416 forderte zahlreiche Menschenopfer. Doch im ganzen entwickelte sich die Stadt weiter aufwärts. Zeuge der Wohlhabenheit ist noch heute das schöne spätgotische Rathaus, das in zwei Bauabschnitten im 14. und 16. Jahrhundert erbaut worden ist. Im 16. Jahrhundert zahlte Münstereifel mehr als doppelt so viel Steuern als das benachbarte Euskirchen. Es war neben Düren die wichtigste und größte Stadt der Nordeifel.

Kriege und Wirren

Im 16. Jahrhundert spaltete sich unser Vaterland in zwei christliche Konfessionen. Vielerorts gab es langjährige kriege­rische Auseinandersetzungen. 1589 besetzten die Spanier im Zusammenhang mit den Kämpfen in den Niederlanden auch unser Gebiet. Sonst blieb Münstereifel im allgemeinen un­behelligt. Um so härter schlug das Schicksal im 17. Jahr­hundert zu.


Münstereifel (Rekonstruktion)

Als letzter seines Geschlechtes starb 1609 der Herzog von Jülich, dem zugleich Kleve, das Herzogtum Berg (Hauptstadt Düsseldorf) und die Grafschaften Mark (um Altena und Lüdenscheid) und Ravensberg (um Bielefeld) gehörten. Es begann der Jülich-Klevische-Erbfolgekrieg. Im Vertrag von Xanten (1614) erhielt der Kurfürst von Brandenburg die Ge­biete Kleve, Mark und Ravensberg. Die Herzogtümer Jülich und Berg fielen an das Haus Pfalz-Neuburg. Pfalzgraf Wolf­gang Wilhelm, Münstereifels neuer Landesherr, trat 1614 zur katholischen Religion über. Er verbot den „nichtkatholischen Kultus" in den Gemeinden des Herzogtums Jülich, so daß die wenigen Münstereifeler Bürger, die seit 1609 Luthers Lehre angenommen hatten, zum alten Glauben zurückkehren oder den Ort verlassen mußten. Münstereifel blieb eine katholische Stadt.

Im 30jährigen Kriege (1618-1648) sind namhafte Schlachten in der Eifel nicht geschlagen worden. Aber durch Plünderung, Brandschatzung und Zerstörung hat unser Gebiet furchtbar gelitten. Im Laufe der Jahre besetzten Spanier, Franzosen, Italiener, Niederländer, Schweden und Kaiserliche die Stadt. Sie verlangten Lebensmittel und Gelder und preßten das Letzte aus der Bevölkerung heraus. Nach dem Westfälischen Frieden ging der Krieg mit Spanien weiter. Lothringische Truppen quartierten sich langfristig in unserem Gebiete ein. Hohe Schuldbeträge lasteten noch Jahrzehnte auf der Stadt. Unsägliches Leid brachten die Kriege Ludwigs XIV. Die Drangsale, denen die Münstereifeler durch die Franzosen in den Jahren 1678-1681 ausgesetzt waren, hat der Stadt­schreiber in fast täglichen Eintragungen aufgezeichnet. Immer wurden neue Forderungen gestellt, Zwangsmaßnahmen an­gedroht und maßgebende Männer der Stadt in Haft gesetzt. Oftmals mußten Ratsherren und Bürger bei reichen Patriziern in Köln Äcker, Wälder und Häuser verpfänden, um die gefor­derten Summen zahlen zu können. Im März 1681 heißt es zusammenfassend, 40-50 Häuser seien niedergerissen, ver­wüstet, zumindest unbewohnbar gemacht worden; die Zahl der steuerzahlenden Bürger sei seit dem Jahre 1618 von 500 auf 200 zurückgegangen.


Orchheimertor

Dann kam das Jahr 1689, in dem die Franzosen die vier Stadttore zerstörten, einen Teil der Stadt brandschatzten und die Burg, die seitdem eine Ruine ist, einäscherten. Auch in den 90er Jahren und im Spanischen (1701-1714) und Öster­reichischen Erbfolgekrieg (1742-1748) suchte die Soldateska Münstereifel heim.

Im Gefolge des Krieges fanden sich oftmals Hungersnot und Seuchen ein, die zahlreiche Todesfälle forderten. Wie sehr die Sitten damals verroht waren, zeigt der Hexenwahn. Män­ner und vor allem Frauen wurden bezichtigt, mit dem Teufel im Bunde zu sein, um Menschen und Vieh zu schaden. Die nichtigsten Verdachtsgründe genügten zur Anklage. Die Be­schuldigten wurden auf die Folter gespannt, meist für schuldig befunden und dann den Flammen überantwortet. Auch in unserem Gebiete haben zahlreiche Menschen diesen furcht­baren Tod gefunden.

Die Stadt der Klöster

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts begann das Zeitalter der Gegenreformation oder der katholischen Restauration. Ihr Ziel war es, die protestantischen Bevölkerungsteile zum alten Glauben zurückzuführen, das weitere Eindringen des Pro­testantismus zu verhindern, vor allem aber die Mißstände in der eigenen Kirche zu beseitigen und eine innerkirchliche Er­neuerung vorzunehmen. Mittelpunkt der katholischen Restauration für den Bereich der Nordeifel wurde Münster­eifel, wo neue Klöster und Genossenschaften diese Aufgabe übernahmen.

1594 gründete die 18jährige Margarete Linnery aus Münster­eifel die Gesellschaft der Schwestern von St. Salvator, die sich der Erziehung der weiblichen Jugend widmeten. Das Mädchengymnasium St. Angela in Münstereifel ist die Fort­führung jener Gründung. Am Tage ihres Begräbnisses (1622) wurde von der Kanzel die Botschaft der Margarete Linnery an die Bürger Münstereifels verlesen, der katholischen Kirche treu zu bleiben und ihr nicht durch neue Lehren abtrünnig zu werden.

Von Flandern aus gründeten die Kapuziner, die aus dem Franziskanerorden hervorgegangen sind, die ersten Nieder­lassungen des Rheinlandes in Köln, Bonn und 1618 in Mün­stereifel. Sie wirkten vor allem als Volksprediger in den breiten Volksschichten. In Münstereifel halfen die Patres in der Seelsorge aus, übernahmen in Außenbezirken die Christenlehre und förderten die Verehrung des eucharistischen Heilandes.

Besonders aber gaben die Jesuiten, die sich 1625 in Münster­eifel niederließen, der Stadt im Sinne der kirchlichen Restau­ration ihr Gepräge. Sie gründeten das „Gymnasium Sancti Michaelis", das ständig von etwa 150 Jungen besucht wurde. Andere Patres waren in der Seelsorge tätig, sie wirkten er­folgreich in Münstereifel, betreuten die Kirchen St. Martinus in Euskirchen und St. Lambertus in Kuchenheim und machten die Kapelle auf dem Michelsberg zu einem religiösen Zentrum der Nordeifel. Ihr besonderes Bemühen galt dem Schleidener Tal, wo mit einem Grafen von Manderscheid-Schleiden zahl­reiche Bewohner zur neuen Lehre übergetreten waren. Als Pfarrverwalter von Schleiden und Hellenthal-Blumenthal ge­lang es ihnen, neue katholische Gemeinden aufzubauen. Zwei Patres waren innerhalb der Eifel ständig auf Reisen und hiel­ten in mehr als hundert Pfarreien 8-14tägige Missionen ab. Für ihre Kirche überführten die Jesuiten aus Rom (1652) die Gebeine eines Heiligen aus frühchristlicher Zeit (2. Jh.), des hl. Donatus. Er wurde zum Patron gegen Blitz, Unwetter und Feuersbrunst und verdrängte die alten Hagelfeiertage aus vorchristlicher Zeit, die in manchen Orten noch bestanden. Die Verehrung des hl. Donatus zog damals weite Kreise. Zahlreiche Prozessionen pilgerten jährlich nach Münstereifel. Im ganzen Rheinland, in Luxemburg, Belgien, Westfalen, Süddeutschland und Österreich weihte man St. Donatus Kir­chen und Kapellen, stellte zu seiner Verehrung Flurkreuze auf und errichtete Donatus-Bruderschaften und Donatus-Schützen­gilden. Hunderte Glocken im europäischen Raume erhielten den Namen des hl. Donatus aus Münstereifel. - Als der Je­suitenorden 1773 aufgelöst wurde, schlossen sich die im Lehr­beruf tätigen Patres zu einer weltlichen Kongregation zusam­men und führten das Gymnasium weiter.

1657 errichteten Düsseldorfer Schwestern in Münstereifel ein Karmelitessen-Kloster. Die Haupttätigkeit der 20 Chor- und Laienschwestern bestand im feierlichen Chorgebet. Sie betreuten jedoch auch die Armen der Stadt, widmeten sich der Krankenpflege und unterhielten eine Apotheke, in der auch an Auswärtige Medikamente abgegeben wurden.

„Schwestern zum hl. Namen Jesu", nannten sich fromme Jungfrauen, die sich 1716 auf Veranlassung eines Münster­eifeler Kanonikus' zu einer geistlichen Genossenschaft zusam­menschlossen. Auch sie unterhielten eine Mädchenschule, in der sie ohne Entgelt Unterricht erteilten.

Noch zu erwähnen haben wir den Steinfelderhof; er ist wahr­scheinlich das Erbe des aus Münstereifel stammenden Stein­felder Abtes Johann von Münstereifel (1501-1509). 1513 ent­stand das heute noch vorhandene Wohngebäude der Mönche. Die Prämonstratenser traten jedoch seelsorglich in Münster­eifel nicht in Erscheinung; sie betreuten hier ausschließlich ihren Wirtschaftshof.

In Münstereifel gab es also sieben Klöster. In vier Männer und drei Frauenklöstern lebten die Stiftsherren (vormals Benediktiner), Prämonstratenser, Kapuziner, Jesuiten, Karme­litessen, die Schwestern von St. Salvator und die Schwestern vom Namen Jesu. Insgesamt waren es etwa 60 Geistliche und 40 Laienbrüder und Schwestern, die im 17. und 18. Jahr­hundert in Münstereifel wirkten und der Stadt ein beson­deres Gepräge gaben.

Natürlich nahmen die sieben Klöster, die fünf Kirchen und die fünf Kapellen (geweiht den heiligen Matthias, Michael, Apollonia, Barbara und Katharina) einen beachtlichen Raum ein. Deshalb wurde es Fremden sehr schwer gemacht, sich in Münstereifel niederzulassen. In jedem Falle wies man in der katholisch ausgerichteten Stadt Reformierte und Protestanten ab. In den benachbarten Städten erhielten dagegen tüchtige Gewerbetreibende, auch wenn sie Hugenotten oder Lutheraner waren, Zuzugsgenehmigung. In Gemünd, Monschau und Düren bedienten sich die zugewanderten Familien Poensgen, Scheibler und Schöller neuer Wirtschaftsmethoden und trugen wesentlich zur Aufwärtsentwicklung ihrer Stadt bei. In Mün­stereifel blieb man konservativ bei der althergebrachten Wirt­schaftsform der Heimbetriebe. Enge Zunftbestimmungen lähmten die eigene Initiative und hinderten die einzelnen daran, sich zu entfalten. Außerhalb der Zunft Tuche herzu­stellen oder zu verkaufen, war verboten. Jeder Meister durfte nur einen Lehrjungen halten und auch diesen nur mit Zu­stimmung der anderen Meister. Bei einer Neuaufnahme in die Zunft wurden Herkunft, katholische Konfession und Aus­bildung einer genauen Prüfung unterzogen.

Nur die Kapuziner standen außerhalb dieser Bindung. Sie unterhielten eine eigene Tuchweberei, in der neben den Laienbrüdern auch einige weltliche Arbeiter beschäftigt waren. Schließlich versorgten sie alle 36 Klöster ihrer niederrhei­nischen Provinz mit Tuchen aus Münstereifel. Als 1780 ein aufgeschlossener Münstereifeler, der ein philosophisches Stu­dium hinter sich gebracht hatte, ebenfalls eine Tuchfabrik gründen wollte, wußte das die Zunft zu verhindern.

20 Jahre Franzosenherrschaft

Im Gefolge der französischen Revolution besetzten die Fran­zosen 1794 das linksrheinische Gebiet und rückten im Oktober des gleichen Jahres auch in Münstereifel ein.

Das Herzogtum Jülich verfiel der Auflösung. Folglich hörte auch Münstereifel auf, Hauptstadt und Amtssitz zu sein. Die neue Verwaltungseinteilung konnte Münstereifel nicht härter treffen. Durch seine Gemarkung legten die Franzosen eine Provinzgrenze. Die Ortsteile Hohn, Kolvenbach und Bergrath wurden dem Departement der Rur mit der Haupt­stadt Aachen, Münstereifel und die Ortsteile Eicherscheid und Rodert dem Departement Rhein-Mosel mit der Hauptstadt Koblenz zugewiesen. Münstereifel verlor seinen Behörden­apparat, sein Gericht und sein Marktrecht. Man unterstellte die Stadt dem Kantonalhauptort Rheinbach.

Besonders hart erging es den Klöstern, denen 1798 ver­boten wurde, neue Novizen aufzunehmen und Zehnten und Abgaben zu erheben. 1802 erfolgte ihre völlige Auf­hebung. Die Stiftsherren, Kapuziner, Prämonstratenser und die Karmelitessen verloren alle Gebäude und jeglichen Grund­besitz. Die ehemaligen Jesuitenpatres und die beiden Schwe­stern-Genossenschaften behielten einen Teil ihres Vermögens, um die Schulen weiterführen zu können. Der größte Teil der eingezogenen Güter ging nach öffentlicher Versteigerung in privaten Besitz über. Von den fünf Kirchen Münstereifels blieben nur zwei als Gotteshäuser erhalten: die Jesuiten-Gymnasialkirche und die ehemalige Stiftskirche, die künftig als Pfarrkirche diente. Die bisherige Johannis-Stadtkirche und das Gotteshaus der Kapuziner wurden abgerissen, die Kirche der Karmelitessen diente von nun ab weltlichen Zwecken. Münstereifel hörte auf, eine Stadt der Klöster zu sein.

Es gibt nur wenige Städte, in denen die Maßnahmen der Franzosen so einschneidend wirkten und das Leben einer Stadt so sehr umgestalteten wie in Münstereifel. Im gewerb­lichen Leben änderte sich jedoch wenig. Mit der neuen Ge­werbeordnung vermochte man nicht viel anzufangen. Beson­ders die Tuchmacher erwiesen sich gegenüber den Fachkollegen in benachbarten Städten, wo man sich neuer wirtschaftlicher Methoden bediente, nicht als konkurrenzfähig. Man trauerte der Zunft nach, die aufgelöst werden mußte. Im geheimen erhielt man sie sogar aufrecht. Mit dieser Einstellung konnte kein Fortschritt erzielt werden. Zahlreiche Bürger mußten neue Arbeitsmöglichkeiten suchen. Diese fanden sie in den Eisen­gruben und Eisenhütten der Umgebung und im Bleibergwerk des 12 km entfernten Mechernich, das damals 2000 Menschen beschäftigte.

Die neueste Zeit

Der Wiener Kongreß 1814/15 sprach die Rheinlande Preußen zu. In Münstereifel hegte man die Hoffnung, als Kreisstadt wieder Sitz einer Behörde zu werden. Die unsinnig gezogenen Grenzen aus der Franzosenzeit blieben jedoch bestehen. Mün­stereifel wurde 1816 dem Regierungsbezirk Köln, die einst zu Münstereifel gehörigen Ortsteile Hohn, Kolvenbach und Bergrath dem Regierungsbezirk Aachen und dem Kreise Schleiden (von 1816-1827 Kreis Gemünd) zugeschlagen. Rheinbach (seit 1931 Euskirchen) blieb die für Münstereifel zuständige Kreisstadt.

].816/17 herrschte nach einer Mißernte eine furchtbare Hun­gersnot in der Eifel. Als dann 1818 auch noch eine große Überschwemmung unermeßlichen Schaden anrichtete, war Münstereifel einer Katastrophe nahe. Die Preußische Regie­rung griff helfend ein. Die Bürger erhielten Lebensmittel und Entschädigungsgelder. Mit öffentlichen Zuschüssen konnten die zerstörten Straßen, Brücken und Mauern wieder aufgebaut werden. Um der Stadt eine neue Erwerbsquelle zu erschließen, sollte Münstereifel Garnisonstadt werden. Dazu benötigte man die beiden großen Klosterkomplexe der Jesuiten und Karmelitessen, also die Gebäude der jetzigen höheren Schulen. Man muß es den damaligen Stadtvätern hoch anrechnen, daß sie auf ihr Gymnasium nicht verzichten wollten und deshalb das wirtschaftlich günstige Angebot ablehnten.


Am Entenmarkt

Der bekannte Josef Görres, damals Direktor des öffentlichen Unterrichts im Rheinland, übernahm die ehemalige Jesuiten­schule in preußische Obhut. Das nunmehr „Staatliche Gym­nasium" wurde bald darauf Vollanstalt; 1827 legten die ersten Schüler die Reifeprüfung ab. 1831 erhielt die Anstalt wegen ihres guten Rufes den Rang eines Gymnasiums erster Klasse. In den kommenden Jahrzehnten sank die Schülerzahl jedoch stark ab, da um die Mitte des Jahrhunderts in den benach­barten Städten ebenfalls höhere Schulen entstanden. Durch die Gründung eines Internates, des Erzbischöflichen Kon­viktes, im Jahre 1856 blieb die Schule jedoch lebensfähig.

Auch die Tradition der Mädchenschule wurde gewahrt. Beide Schwestern-Organisationen vereinigten sich 1828 in der Ge­sellschaft der Schwestern von St. Salvator und bezogen 1831 das ehemalige Karmelitessenkloster, wo sie neben der Mäd­chenschule bald auch ein Lehrerinnenseminar unterhielten.

Um der Stadt wirtschaftlich auf die Beine zu helfen, forderte ein Regierungsvertreter Preußens den Bürgermeister auf, Vor­schläge zur Hebung der Wirtschaft zu machen. Die Weber und Tuchmacher glaubten, in der Wiederbelebung der Zunft ein Allheilmittel zur Aufwärtsentwicklung zu haben. Für die tech­nischen Neuerungen der Zeit waren sie nicht aufgeschlossen genug. So blieb ihnen der Erfolg versagt. Ein Ratsprotokoll des Jahres 1833 spricht von „gänzlicher Gewerbelosigkeit" und nennt die meisten Einwohner „arme Tagelöhner".

Um die Mitte des Jahrhunderts wurden neue Versuche ge­macht, die Tuchindustrie zu heben. Es entstanden: eine Garn­spinnerei in der ehemaligen Möschemer Mühle, eine Kunst­wollfabrik in der Steinsmühle und eine Tuchfabrik an der Stelle der heutigen Hettner'schen Fabrik. Man arbeitete hier nach dem alten System der Wassermühle, während doch längst das Zeitalter der Dampfmaschine herangerückt war. So blieb allen Werken nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Die Gerbereien nahmen durch die Fabrikationen von Sohlleder zunächst einen beachtlichen Aufschwung. Die Betriebe wuchsen um 1850 auf 15 an. Als dann aber eingeführte Gerb­stoffe die Eichenlohe ersetzten und ein Schnellgerbeverfahren ermöglichten, entstanden anderwärts Großgerbereien, neben denen die kleinen Betriebe kaum noch existenzfähig blieben.

Als Marktmittelpunkt behielt Münstereifel eine gewisse Be­deutung. Monatlich fanden Viehmärkte und drei- bis viermal jährlich Krammärkte statt. An diesen Tagen steigerte sich auch der Umsatz der Münstereifeler Geschäftsleute, die zudem zahlreiche Eifeldörfer mit Waren belieferten. Aber auch ihr Absatzgebiet wurde von Jahrzehnt zu Jahrzehnt kleiner. Vier Brauereien versorgten einen Teil der Nordeifel mit Bier. Doch neugegründete Brauereien an verkehrstechnisch günstiger ge­legenen Orten erschwerten ihren Existenzkampf immer mehr. Eine Besserung der Verhältnisse konnte nur eintreten, wenn es gelingen würde, Hauptverkehrsadern an die Stadt heran­zubringen.

Tatsächlich wurde die 1841 fertiggestellte Provinzialstraße Köln-Trier (heute B 51) durch Münstereifel geführt und brachte eine gewisse Belebung des gewerblichen Lebens mit sich. Seitdem verkehrte hier einmal täglich die vierspännige Postkutsche, die neun Personen mitnehmen konnte. 20 Jahre später (1862) richtete man dazu eine tägliche Lokalpost zwi­schen Euskirchen und Münstereifel ein. Sicherlich war der Anschluß an eine Hauptverkehrsstraße von Bedeutung. Doch entscheidend für die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung im 19. Jh. wurde die Eisenbahn.

Es bestand die Absicht, die Eisenbahnlinie Trier-Köln über Münstereifel zu führen. Zunächst begrüßte die Stadtvertre­tung das geplante Unternehmen. Doch fünf Jahre später (1864) lehnten die Münstereifeler nicht nur den erforderlichen Zu­schuß ab, sondern wußten den Plan sogar zu vereiteln. Sie befürchteten eine Steigerung des fremden Wettbewerbes und bangten vor zunehmender sittlicher Gefährdung. So ging der Hauptverkehrsstrang über Euskirchen, an das Münstereifel erst 1890 als Endstation einer Nebenlinie angeschlossen wurde.

Entlang der neuen Eisenbahnstrecke errichteten meist auswärtige Unternehmer Industriebetriebe. Es entstanden die Arloffer Tonwerke, in Iversheim die Maschinenfabrik Hettner und die Seifen- und Glyzerinfabrik Greven und in neuester Zeit in Münstereifel im Gebäude der alten Möschemer Mühle das Eisenwerk Auto-Heinen. Hier fanden und finden hunderte Münstereifeler einen Arbeitsplatz.

Die Eisenbahn, ganz abgesehen davon, daß sie nur eine Nebenlinie ist, kam natürlich viel zu spät, um das bedrohte Gewerbe der Stadt retten zu können. Bis 1900 verringerte sich die Zahl der Gerbereien auf drei, von denen bis heute eine übriggeblieben ist. Zwei Brauereien überdauerten zwar das 19. Jh., aber auch sie haben heute längst die Produktion ein­gestellt (1918 und 1945). Noch 1850 beschäftigte Münster­eifel 80 Weber und Tuchmacher, um 1900 waren es keine zehn mehr. Die Zunft löste sich 1896 selbst auf.

1923 starb Münstereifels letzter Wollweber. In Eicherscheid hielt sich eine Wollgarnspinnerei bis zum Jahre 1960, um dann auch ihr Gebäude einer Werkzeugfabrik zur Verfügung zu stellen. An die einst berühmte Tuchmacherstadt erinnern nur mehr erhalten gebliebene Gebäudeteile und verfallene Follmühlen. Die Tuchindustrie selbst hat sich nach Euskirchen verlagert, wo aufgeschlossene Unternehmer, unbeschwert von Bindung und Vergangenheit, allerdings unter günstigen geographischen Voraussetzungen, den neuen Gegebenheiten Rechnung trugen. So nahm Euskirchen, das noch um 1800 mit 1400 Einwohnern kleiner als Münstereifel war, eine rasante Aufwärtsentwick­lung. Heute ist es fünfmal so groß (22 000 E.) wie Münster­eifel.


Alter Winkel an der Stadtmauer

Das im 19. Jh. in Münstereifel blühende Schreinergewerbe hat sich halten können. 1854 nennt die Statistik 17 Tischler. Von ihnen gründete zwar keiner eine Möbelfabrik, aber man brachte es im Handwerklichen zu besonderen Fähigkeiten. So entstand ein beachtliches Kunstmöbel- und Holzschnitzerei­gewerbe, das auch in unserer Zeit weit über Münstereifel hinaus einen Namen hat.

Im großen und ganzen ist Münstereifel den Forderungen des 19. Jh. nicht gerecht geworden. Zu stark war das Verharren der Bevölkerung in der Tradition und der althergebrachten Arbeitsweise. Den technischen Neuerungen begegnete man mit Zurückhaltung und Vorbehalten, und es fehlte den Bewohnern die Schwungkraft, die den modernen Unternehmer auszeich­net. Allerdings ist die abseitige Lage Münstereifels am Rande des Gebirges gebührend zu berücksichtigen. Ohne Zweifel erschwerte sie in hohem Maße den wirtschaftlichen Anschluß an die neue Zeit.

Die Münstereifeler des 19. Jh. waren mit der genommenen Entwicklung bestimmt nicht zufrieden. Viele von Ihnen muß­ten Not und Entbehrungen auf sich nehmen, liebgewor­dene Berufe aufgeben, täglich weitentfernte Arbeitsstätten aufsuchen oder sogar auswandern.

Bei den meisten reichten die Mittel nicht, das Wohnhaus nach dem Geschmack der Zeit umzubauen oder sogar neu zu erstellen. - Doch uns heutigen erscheint alles in anderem Lichte. Wir freuen uns, daß sich Münstereifel nicht zur Industriestadt entwickelt hat. Da für neue Betriebe und Fabriken kein Raum geschaffen werden mußte und da die Einwohnerzahl nicht wesentlich anstieg (1800: 2000 E., 1825: 1850 E., 1850: 2000 E., 1875: 2200 E., 1900: 2700 E.), waren Mauer und Türme und Tore nieman­dem im Wege; sie wurden nicht abgerissen.

Weil es die Bür­ger damals nicht zu Wohlstand gebracht hatten, mußten ihnen ihre altmodischen Wohnungen genügen. So blieben die vielen alten Häuser aus der Zeit der Gotik, der Renaissance und des Barock bestehen; kurzum der Ort behielt den Charakter einer mittelalterlichen Stadt, der uns Münstereifel so liebenswert macht und ihr den Beinamen „rheinisches Rothenburg" ein­gebracht hat. Die Schicksalsschläge, welche die Bewohner im 19. Jh. hinnehmen mußten, sind in ihrer Wirkung den Nach­kommen des 20. Jh. zum Vorteil und Segen geworden.


Kurpark in der Schleid

Kurort und Kneipp-Heilbad

Die einst berühmte Tuchmacherstadt Münstereifel war im 19. Jahrhundert zu einem gewerblich unbedeutenden Ort abgesunken. Da erkannten weitsichtige Bürger, daß die ab­seitige Lage, die Schönheit der Landschaft und das aus frühe­ren Jahrhunderten erhalten gebliebene Stadtbild die Fremden anlocken könnten. Sie gründeten 1881 den Verschönerungs-Verein. Er bezweckte „die Verschönerung der Wege und Plätze des Ortes und seiner Umgebung, Schaffung neuer Wege, die Erhaltung des vorhandenen Schönen, um dadurch die Annehmlichkeit des Aufenthalts allhier zu erhöhen, zahl­reichen Besuch heranzuziehen und so dem lokalen Interesse indirekt förderlich zu sein".

Zehn Jahre später zählte der Verband, der sich 1890 dem Eifelverein angliederte, 72 Mitglieder. 1897 erschien der erste Fremdenführer, der Neuauflage vom Jahre 1901 entnehmen wir:


Städtisches Kneippkurhaus

„Im allgemeinen besuchen viele Fremde unsere Stadt, um inmitten einer herrlichen Umgebung, in ländlicher Ruhe, aber bei städtischer, auch den Verwöhntesten befriedigender Pflege, sich von den Angriffen zu erholen, die das Großstadtleben auf die Nerven macht. Die hier üblichen, im Vergleich mit anderen Sommerfrischen billigen Preise (Der tägliche Pen­sionspreis betrug 2,00-3,00 RM; der Herausgeber), gestatten manchem den Aufenthalt, der sein Erholungsbedürfnis mit seinem Geldbeutel im Einvernehmen halten muß. - Eine rühmliche Sonderstellung im ganzen Reiche nimmt die Stadt durch ihre gesundheitlichen Verhältnisse ein. Wir haben 32 lebende Mitbürger von über 80 Jahren. Darum kann man kühn behaupten, daß kein Kurort der Welt unserer Stadt an Langlebigkeit seiner Bewohner gleichkommt. Das verdankt sie ihrer gesunden Luftmischung, halb Bergluft, halb Seeluft und dem ausgezeichneten Quellwasser."

Der Eifelverein gab sich große Mühe, den Fremden den Aufenthalt in Münstereifel möglichst angenehm zu machen; er stellte Bänke auf, ließ Wege herrichten und drängte immer wieder die Stadt, die Straßen auszubauen und Spazieranlagen zu schaffen. Der rührige Vorsitzende der Eifelvereins-Orts­gruppe, Gymnasialprofessor Hürten, entfaltete eine rege Werbetätigkeit. Berichte über Münstereifel erschienen in ver­schiedenen Zeitschriften, und Zeitungsanzeigen in Köln, Aachen, Krefeld, Düsseldorf, Elberfeld, Essen und Amster­dam warben für einen Erholungsaufenthalt in der Erftstadt. Der Erfolg blieb nicht aus. Im August 1903 zählte man stän­dig 120-150 Gäste, von denen etwa die Hälfte in Privat­familien untergebracht war. Von Jahr zu Jahr wuchs der Zu­strom, bis der erste Weltkrieg diese Entwicklung unterbrach. In den 20er Jahren gewann Münstereifel eine immer größere Bedeutung als Fremdenverkehrsort und wurde zur Kurstadt.

Als 1926/27 der Kneippbund Bad Wörishofen (Bayern) in Westdeutschland eine Zentrale für die Heilmethode nach Pfarrer Sebastian Kneipp suchte, entschied er sich für Mün­stereifel. Ausschlaggebend waren die ruhige Lage, die gün­stigen klimatischen Verhältnisse, das idyllische Stadtbild und die reichbewaldeten Eifelhöhen der Umgebung. 1929 wurde ein großes Kneippkurhaus eröffnet, das im folgenden Jahre in den Besitz der Stadt überging und damals bereit= 900 Gäste registrieren konnte. In Münstereifel, das in den 30er Jahren ziemlich konstant 3000 Einwohner zählte, entstanden weitere Kurheime, Gaststätten und Privatpensionen, da die Zahl der Kurgäste und Sommerfrischler auf 3000-4000 Per­sonen anstieg. Man erreichte 70 000 Übernachtungen. Dann setzten Westwallarbeiten und Kriegsausbruch allem ein Ende.

Im zweiten Weltkrieg befand sich das „Führerhauptquartier" zeitweise in Münstereifel. Die Kommandostellen der Wehr­macht bezogen Bunker in der Umgebung. Als dann noch die Ardennenoffensive im Dezember 1944 von Münstereifel aus startete, wurde die Stadt das Ziel mehrerer Angriffe. Die Be­völkerung hatte zahlreiche Todesopfer zu beklagen, und viele z. T. kunstgeschichtlich wertvolle Bauten sanken in Trümmer oder erlitten mehr oder minder starke Beschädigungen.

Nach dem Kriege regten sich fleißige Hände zum Wiederauf­bau. Der Kurbetrieb lief von neuem an, wenn auch zunächst unter primitiven Bedingungen. Dann entwickelte sich eine rege Bautätigkeit. Im Otterbachtal, auf der Windhecke, am Nöthe­ner Berg und am Hennes Weg entstanden neue Wohnviertel mit zahlreichen Fremdenpensionen. Im oberen Erfttal errich­tete die Stadt ein modernes Schwimmbad (1952) und legte im Schleidtal einen Naturpark an (1953). Auf dem Radberg wur­den das Jugendheim Braunkohle und eine Jugendherberge er­öffnet (1954), in der jährlich 6000-7000 Jungen und Mädchen Unterkunft finden.

Man baute neue Kurhäuser, ein Kneipp-Sanatorium und Kur­heime aller Größenordnungen und Kategorien. Heute geben etwa 20 Häuser nicht nur Vollverpflegung und die gewünschte Diätkost, sondern bieten auch Badeanwendungen und die ärzt­lich verordneten Kurmittel. Gasthäuser und Pensionen ver­mehrten sich nicht minder. Für die Gäste stehen annähernd 1000 Betten zur Verfügung. Das fahr 1956 brachte erstmalig mehr als 100.000 Übernachtungen; die Zahl stieg 1961 auf mehr als 145.000 an. 1961 weilten 7600 Kurgäste in Münstereifel und blieben durchschnittlich drei Wochen. Hinzu kamen weitere 3500 Gäste ohne Kuranwendungen.

Seit 1956 erscheinen im Sommerhalbjahr 14tägig die Kur­nachrichten, in denen neben den Namen der Gäste auch die jeweiligen Veranstaltungen aufgeführt werden. Stadt- und Kurverwaltung, das Volksbildungswerk, der Kur- und Ver­kehrsverein und der Eifelverein bemühen sich durch Neu­anlagen, Aufstellung von Ruhebänken, Theateraufführungen, Konzerte, Vorträge, Besichtigungen und Wanderungen den Gästen Abwechslung zu bieten und Anregungen zu geben.

Die Stadt hat 4400 Einwohner und besteht aus den Orts­teilen Münstereifel (3600 E.), Eicherscheid (550 E.) und Rodert (250E.). Als einziger Kneipp-Kurort in den Rheinlanden er­hielt Münstereifel den Titel Kneipp-Heilbad (1956), eine Aus­zeichnung, die in der ganzen Bundesrepublik nur sieben Orte führen dürfen.


Wassertreten




Stiftskirche






Entnommen: Dr. Heinz Renn, Münstereifel, Kurort und Kneipp-Heilbad, Geschichte Sehenswürdigkeiten Spaziergänge Autofahrten, Verlag F. Schulte, Münstereifel, 1967





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