Kölnische Rundschau - Beilage Nr. 9, September 1949


Holzfrevel und seine Ahndung in früherer Zeit

Eine Bürgebuschordnung von 1537

Die Herbstzeit läßt unsere Blicke wieder einmal auf die Wälder und Forstreviere unserer engeren Heimat schweifen. Die Knappheit an Kohlen hat dazu geführt, daß unsere heimischen Wälder ohne forstgerechte Abholzung geplündert wurden. Es ist nach dem Urteil der Forstbeamten abwegig, sich damit zu trösten, daß unser Waldbestand den Kohlenmangel überdauern werde. Wir haben die Verpflichtung, unseren schönen Bürgerwald auch späteren Generationen zu erhalten.

Unsere Vorfahren haben uns in den Bürgebuschordnungen des 16. Jh. gezeigt, wie man durch Holzmarktgenossenschaften eine peinliche Überwachung der Waldreviere durchführte und harte Strafen für Holzfrevel verhängte. Für gelindere Vergehen nur einige Beispiele: Wer des nachts über dem Abhauen eines Stammes betroffen wird, soll sein Haupt mit einem Hieb verlieren, mindestens soll ihm die Hand auf dem Stamme, den er gefrevelt, abgehauen werden. Dieselbe Strafe wurde für das Waldbrennen und Baumschälen verhängt. Eine andere Strafe für Brandstifter war die, daß man sie neun Schuhe vor ein großes Feuer setzte, gebunden und barfuß, bis ihnen die Sohlen von den Füßen brannten. Faßte man den Brandstifter auf frischer Tat, dann wurde er zur Strafe in eine rauhe Kuh- oder Ochsenhaut gesteckt und drei Schritte vor den stärksten Brandherd gelegt, bis das Feuer über ihn brannte. Sonst wurde der Frevler ohne weiteres gehängt. Auch das Brandmarken auf Wange und Stirn kam kam häufig vor bei Waldvergehen. Gegen einen ungehorsamen Holzgenossen war die härteste Strafe, daß man ihm seinen Brunnen zuwarf und seinen Backofen einschlug.

Diese strengen Ahndungen für Holzfrevel in der damaligen Zeit sind nur erklärbar durch ihr Ziel, die Wälder unter allen Umständen den Nachfahren zu erhalten! Auch die hohen Geldstrafen, die in den Waldordnungen festgelegt waren, sind so zu verstehen. Wenn z.B. kleinere Vergehen mit 5 oder 10 Goldgulden gesühnt werden, dann war das nach dem damaligen Münzwert eine sehr hohe Strafe, zumal im 16. Jh. schon eine allgemeine Geldentwertung zu verzeichnen war. Der Goldgulden wurde mit 38, dann 50 und schließlich 80 Albus gewertet. 1557, dem Jahre der Abfassung unserer Bürgeordnung, galt der Goldgulden. 54 bis 56 Albus, um das Jahr 1600 schon 84 Albus. Wenn man bedenkt, daß zu jener Zeit der Tagelohn eines Arbeiters 6 bis 8 Albus betrug, dann machte ein Goldgulden ein Verdienst von acht Arbeitstagen aus. Eine Strafe von 10 Goldgulden entsprach also einem Verlust von 80 Tagesverdiensten! Das war die Strafe nur dafür, daß jemand sich Holz an andern als den nach der Buschordnung vorgeschriebenen Tagen, z.B. des Nachts oder an Sonntagen holte.

Das damalige Waldrecht kannte aber auch manch menschlich schöne Bestimmung. Eine Wöchnerin war z.B. erlaubt, auch in fremden Wäldern Obst und Nüsse zu pflücken. Für ihre Stärkung durfte man auch in fremdem Busch Wildpret erlegen und in fischreichen Bächen Fische fangen. Auch dem Wanderer war es erlaubt sich Nüsse bis an das Hutband zu pflücken und in den Handschuh bis an den Däumling zu sammeln. Auch durfte man in der Not im gerade befindlichen Revier Holz fällen, um Pflug und Wagen auszubessern. Die Buschtage wurden erst für drei, später für zwei Tage in der Woche angesetzt, damit Arme und Bedürftige trockenes Holz frei sammeln konnten. Bezüglich der Schweinemast im Walde findet sich in verschiedenen Weistümern die rücksichtsvolle Anordnung, daß selbst bei weniger gutem Eichelertrag den Köttern und Heuerlingen, d.h. den kleinen Bauern und den Knechten, immer ein Schwein zugelassen wurde.

Die Waldordnungen waren bei zunehmender Bevölkerung eine Notwendigkeit. Die Einzelverordnungen führten schließlich zu einer großen Buschordnung. Ihr Inhalt befaßt sich ausschließlich mit Herkommen, Erfahrungen der Praxis, Abhilfe bei Mißständen, Strafen und immer wieder Strafen. Am 25. März 1557 wurde eine solche Buschordnung von Herzog Wilhelm von Jülich für den Bürgewald erlassen. In 46 Artikeln gibt sie uns Nachfahren einen interessanten Einblick sowohl in die Nutzungsrechte der Anwohner und die Verwaltung des Waldes, als auch besonders in die eigenartigen Kulturzustände jener Zeit.


Eine Waldordnung von 1556

Die Waldordnung lautet: Herzog Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg, Graf von der Mark und Ravensberg, Herr von Ravenstein usw. tut kund: Ritterschaft und Landtag des Fürstentums Jülich haben schon mehrmals gebeten, der Herzog möge für die Gemarken und Büsche eine Ordnung erlassen. Dadurch sollen die Büsche, die verwüstet und verhauen sind, wieder beigebracht, gepflanzt werden und in Besserung kommen. Der Herzog hat von anderen erfahren als auch selbst gesehen, daß besonders die Bürge durch die Erben ganz hoch beschädigt und vollständig verdorben ist. Er hat deshalb einige seiner Räte und Verordneten, ebenfalls einige Erben und Holzgenossen im vergangenen Jahr 1556 nach Hambach beschieden und dort den gesiegelten Brief seines Vorfahren Herzog Wilhelm, den dieser 1360 den berechtigten Dörfern gegeben und noch andere Berichte durchgesehen. Nach verschiedenen Bedenken hat er mit ihnen eine Ordnung besprochen und zusammengestellt, die auch auf dem 1556 in Steinstraß stattgefundenen Holzgeding angenommen wurde.

Aus dem 16. Jh. stammen sehr viele Waldordnungen, so daß anzunehmen ist, daß der Herzog der oben von Ritterschaft und Landtag ausgesprochenen Bitte nachgekommen ist und allenthalben die vorhandenen Ordnungen revidieren und aufstellen ließ. Sie stimmen in einzelnen Artikeln sogar wörtlich überein. 1555 weist der Herzog im Herzogtum Berg die Beamten an, Erkundigungen über Gerichte, Wald und Fischerei einzuziehen. In der Verordnung heißt es: „Die Verordneten sollen erkundigen und mit vleiß ufftzeichnen, was gemarken und Büsch in jederm Ampt sein, und wie mein gnediger Her uff einer jedern berechtigt.“

Holzgeding, in anderen Ordnungen „Holzbank“ genannt, ist die Versammlung des Holzgenossen, die beim Bürgewald nach der Waldordnung jährlich zweimal stattfand. Danach sollten jedes Jahr zwei Holzgedinge: und zwar am Tage Petri Stuhlfeier in Arnoldsweiler und am St. Remigiustag in Elsdorf gehalten werden. Selbst in den Jahren 1712/18 fanden diese nach den Aufzeichnungen des Pfarrers von Niederembt noch in Elsdorf und Arnoldsweiler statt. Wenn erforderlich, wurden außerdem außerordentliche Holzgedinge einberufen. So am 17. Dez. 1556 zu Steinstraß, am 26. März 1697 an der alten Maar bei Steinstraß, am 30 März zu Hambach, am 12. Juli 1701 wieder an der alten Maar, 1712 zu Elsdorf, „auf dem trepgen“, am 8. September 1714 in Elsdorf, „zu der Luftherberg“, am 27. Januar 1715 an der alten Mark (vielleicht „alte Maar“) und am 6. Oktober 1718 zu Arnoldsweiler. Das Holzgeding nahm folgenden Verlauf: Im Beisein der obengenannten Personen wurden durch den Forstmeister, Holzgrafen und Forstknecht alle Übertretungen den Erben schriftlich vorgebracht mit Tag und Datum und auf welche Weise jeder sich strafbar gemacht hatte. Wer nicht schreiben konnte, mußte sich den Frevel vom nächsten Pastor oder anderen Schriftkundigen aufzeichnen lassen. Die dem Landesherrn und den Holzgenossen gegenüber verantwortlichen Verwalter der Bürge waren der Forstmeister, dann Holzgrafen, meistens zwei, gewöhnlich Adlige und ferner zwei Forstknechte. Der jeweilige Holzgraf wurde von sieben dazu berechtigten adeligen Besitzern gewählt. Es waren dies damals v. Bongardt zu Paffendorf, v. Eynatten wegen Etzweiler, v. Efferen zu Zieverich, v. Brachel zu Elsdorf, v. Reuschenberg zu Reuschenberg, Schinette und Hans Frens. Alte Holz- und Waldordnungen der Bürge finden sich noch in verschiedenen Archiven. Heute liegt die Verwaltung des Bürgewaldes in Händen der Buschkommission unter Vorsitz des Amtsbügermeisters von Elsdorf und den Vertretern der beteiligten Gemeinden.

Die Bürge erhielt wahrscheinlich ihren Namen nach den vielen Burgen, die sich in ihrer Umgebung befanden. Man leitet ihn auch von Büel, Bühl (Höhe), Bürgel ab. 973 wurden sie „Burge“ genannt. Man findet auch “burgele“ und „burgina“. Zur Zeit Karls des Großen soll sie noch Reichswald gewesen sein. Es entstand damals auch die wunderbare und oft besungene Sage vom hl. Arnoldus. Nach ihr soll ein König oder Kaiser, sie nennt Karl den Großen, auf Geheiß St. Arnoldi, der sich in seinem Gefolge befand, die umliegenden an Brand- und Bauholz armen Gemeinden durch sein königliches Wort bedacht haben. Heute noch werden die Einwohner der waldanliegenden Gemeinden mit dem sogenannten „Örtchen“ gegen Entgelt von der Bürge beliefert.

Hoffentlich gelingt es, die herrlichen Waldungen der Bürge, die durch die Kriegsereignisse nach den Feststellungen der Forstbeamten stark gelitten haben noch ferneren Geschlechtern zu erhalten

-el-

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