Kölnische Rundschau vom 21. Juli 1949

Von Lanzen, Schmuck und Ausgrabungen

„Huhsterknupp“ heißt heute die „Motte“, jener besagte Hügel, wo man durch das Landesmuseum Bonn unter Leitung Dr. Herrenbrodt's Gräben zieht, Vermessungen vornimmt, Glasscherben registriert, Bronzeschmuck und Lanzenspitzen wie Heiligtümer behandelt. - „Motte“ heißt nichts weiter, als daß unter diesen so benamsten Hügeln historische Funde zu erwarten sind.

Es ist die erste größere Ausgrabung in Nordrhein-Westfalen, die hier in der Nähe Frimmersdorfs gemacht wird. Im Euskirchener Kreis wurden vor einiger Zeit fränkische Gräber freigelegt. - „Das sind alltägliche Dinge für uns“, meint der Doktor. - Um so erstaunlicher ist es, daß es in Frimmersdorf nicht so recht weitergehen will. In den zwei Monaten, die man nun bereits gräbt, half die Braunkohle: drei Mann = drei Wochen = 500 DM. - Nun sieht es so aus, als ob diese Quelle spärlicher fließen will. Dabei hat, wie man uns versichert, die bisher geleistete Arbeit erst die Möglichkeit zu wissenschaftlich wertvollen Erkenntnissen geschaffen. - In zwei Monaten soll die Geschichte schon erledigt sein. Wenn ...

Unser Blick weilt auf dem Hügel, durch den man vor Jahren einen Graben zog. - Und nichts entdeckte. - Nun ist man im Vorgelände dabei: an den Erdschichten erkennt man, daß hier ein Pfahl saß, dort die Schwärzung des Bodens zeigt den ersten Zerstörungsabschnitt an, jene riesenhaften Holzpfähle lassen erkennen, daß an dieser Stelle einmal Sumpf war: vor 1000 Jahren. Die Grundrisse der Kapelle sind freigelegt, römische Ziegel liegen zu Hauf. 1175 zerstörte nach den Urkunden der Bischof von Lüttich die Burg der Hochstadens. Dombaumeister Konrad von Hochstaden baute sie 1300 wieder auf.

Viel Keramik wurde gefunden. Eine gute Möglichkeit, an Hand dieser Dinge Ordnung in das mittelalterliche Keramiksystem zu bringen. Eine „Goldgrube“ also, da man bisher noch nirgendwo in Deutschland die verschiedenen Kulturstufen der Jahrhunderte so dicht zusammen hatte und manches durch die damals sumpfige Gegend erhalten blieb.

Wie die „Feldherren“, so stehen wir auf dem Hügel, auf dem sich vor langer, langer Zeit ein Holzturm, ein „Luginsland“ erhob. Wenn man genau zusieht, erkennt man drüben den Wall, dort den Graben, schon nahe an der sich „heranbaggernden“ Braunkohle schmale, verkohlte Holzstämme - Holzflechtwerk -, die mächtigen Klötzen, der Palisadenreihe, Platz machen. Sie wußten sich zu schützen, die Hochstadens. Auch wußten sie, wo sie sich hinsetzten: an jenen Weg nämlich, der quer durch die heutige Grube ging, am Sumpf entlang - nach Köln. Die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, die man wohl auch heute noch in groben Umrissen erkennt, schützten die Burgleute vor unerwarteten Überfällen: nur der Abschnitt in Richtung Frimmersdorf war frei. Eine wehrhafte Holzbrücke, deren Überreste sich ebenfalls fanden, gab auf dieser Seite Schutz. Auf der anderen Seite hatte man durch die - damals noch am Hügel entlang fließende - Erft einen natürlichen Wassergraben.

Dr. Herrenbrodt breitet Skizzen vor uns auf: „Es ist unser Bestreben, diese Pfahlbausysteme, die Sie hier skizziert sehen, weiter kennenzulernen und festzuhalten.“ - Das Vorwerk will noch studiert sein, die Wohnhäuser. Für alle das werden Suchschnitte angelegt. Und die kosten Geld. - Bis heute fand man nur Anhaltspunkte für weitere Arbeiten.

Für jeden Fund muß ein sog. Fundzettel ausgefüllt werden, Fotos vervollständigen, behutsame Restaurierung erhält diese „handfesten“ Zeugen aus Urvaters Tagen. -

Bald erreichen wir den dritten Zerstörungshorizont: wir erleben ihn selbst, wenn die Bagger kommen. Doch da wird später kein Archäologe mehr Freude dran haben: man wirft alles durcheinander, trägt weg und vernichtet alles: den ersten Zerstörungshorizont des Lütticher Bischofs, den zweiten des Dreißigjährigen Krieges - der dritte nimmt sich gleich schon selbst mit. - Tue er uns den Gefallen, zuerst noch einmal alles genau zu betrachten: denn solches „Gold“ findet sich nicht alle Tage und schließlich interessiert es uns doch noch, aus welcher Art Kanne Frau v. Hochstaden ihrem Manne den Wein kredenzte. - Es ist sozusagen „Kultur“, das zu wissen. Und soviel Verständnis, liebe Braunkohle, mußt du wohl haben. Laß sie also noch graben, diese Männer vom Landesmusuem Bonn: sie werden dir noch dankbarer sein, wenn du ihnen ein wenig mit ausgraben hilfst. - Denn solch ein Fund wird nicht alle Tage in Restdeutschland gemacht. Hochstadensche „Baudenkmäler“ sind noch lange keine fränkischen Gräber“ - In diesem Sinn ...

- nst

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