Kölnische Rundschau vom 11. Juni 1949

Katholische Großkundgebung in Kerpen

Silberjubiläum des Katholischen Arbeitervereins

Kerpen. Am 26. Juni feiert der Katholische Arbeiterverein Kerpen das Fest seines 25jährigen Bestehens. Ein Vierteljahrhundert im Leben des Menschen, gewiß eine große Spanne Zeit. Gründungstag - 25. Jubiläum - Katholische Arbeiterbewegung, Begriffe seltenen säkularen Zusammentreffens.

Sinnend gehen die Gedanken um Jahre zurück. Der edle, große Vorkämpfer für die unabdingbaren Rechte des werktätigen Volkes, der zutiefst von der Sendung seiner Kirche zur Lösung der sozialen Frage überzeugte, freiherrlich, bischöfliche Würdenträger Wilhelm Emmanuel von Ketteler, hauchte vor 75 Jahren sein zum Vermächtnis der Katholischen Arbeiterbewegung opfervoll gelebtes Leben aus. Papst Leo XIII., der stete Wächter sittlicher Ordnung, der feinsinnige Schauer in den brodelnden Gärprozeß der werkenden Volksmasse, hatte vor 55 Jahren mit seiner großen Enzyklika „Rerum novarum“ das eherne Grundgesetz der christlich-sozialen Forderung plastisch und unmißverständlich vor aller Welt feierlich proklamiert. Es war die Geburtsstunde der Katholischen Arbeitervereine. Durch die nimmermüden sozialen Rufe Papst Pius XI. wurde in der Enzyklika „Quadragesimo anno“ dem katholischen Arbeiter in weiter Welt seine Magna charta berufsständischer Ordnung verliehen und ihm seine Position, zwar anders geartet, aber als gleichwertiges Glied im großen Getriebe der Wirtschaft angewiesen. Kulturkampf und Sozialistengesetze schrieb man der Vergangenheit zu.

Dennoch tobte der Kampf für Freiheit und Glauben, um die berechtigte Einordnung des großen Heeres der Arbeiter. Zu groß waren die Auswirkungen irriger Wirtschaftslehren vergangener Zeiten. Tausende standen skeptisch beiseite oder in verständnisloser Aggression. Klaffende Gegensätze zwischen Beruf und Klasse, Herr und Untergebenem, der Zwiespalt zwischen Arm und Reich, harrten nach wie vor ihrer Lösung. Verfehltes Vorurteil, Anfeindung, ja Verfemung, Verneinung von Menschen- und Christenwürde waren noch immer Zeichen ihrer Zeit. Wo waren und blieben denn endlich die aufrichtigen Freunde des schaffenden Arbeiters in verständnisvoller, herzlicher Bindung? Immer noch wußte man nicht den christlich-sozialen Standort zu beziehen, die kategorische Forderung gottgewollter Seinsordnung. Trotz ungleicher Kräfteverteilung, in ritterlicher Fehde wurde vieles erkämpft. Der erste Weltkrieg zog auf, fand im Zusammenbruch sein Ende und warf mühselige Aufbauarbeit um Jahre zurück. Währungsverfall, die Nachkriegsjahre mit aller Not und allem Leid brachten Millionen von Arbeitslosen. Und dennoch! Zäh wurde gerungen. Mit eisernem Willen und einem gläubigen Herzen. Nur wenige waren es. Es ging um das Erbe Kettelers, um Glaube, Freiheit und Recht.

In dieser schicksalsschweren Zeit, es war in den Tagen des Juni 1924, da schlossen einige beherzte Arbeiter der Kolpingsstadt sich im Gasthaus „Zur Glocke“ unter Kaplan M. Schinker, jetzt Dechant in Gummersbach, zur Gründung eines Katholischen Arbeitervereins zusammen, um sich als des Herrgottes Knappen einzureihen in die große Phalanx und mitzustreiten für die Einigung einer lebendigen Gemeinschaft des in die verschiedensten Sozialschichten in religionsloser und sittenwidriger Verirrung auseinandergerissenen Volkes. Unter verständnisvoller Führung, erinnert sei auch an den 1. Vorsitzenden Heinrich Halven, schlug das junge Reis gar schnell starke Wurzeln, schritthaltend mit den großen Aufgaben der Gesamtorganisation. Ungern verließ der Gründer den geliebten Arbeiterverein, um anderweit seinen Beruf zu erfüllen. In seinem Sinne setzte der Nachfolger, Kaplan Gieshoff, allzufrüh als Pfarrer von Noithausen bei Grevenbroich verstorben, das begonnene Werk fort. Aus der Kraft großer Erfahrung und innigster Verbundenheit mit dem katholischen Arbeitervolk, brachten der nachmalige Präses Kaplan G. Beemelmanns, jetzt Pfarrer in Adendorf, mit dem hochbetagten Vorsitzer Engelbert Müller, den Verein zur schönsten Blüte. Fürwahr, erbauend war es, wenn beim allmonatlichen Gemeinschaftsdienste vor Gott eine große Anzahl Männer mit gefaltenen, von harter Arbeit oft zerschundenen Händen, mit fahlem, ob zu drückender Last durchfurchtem Antlitz, aber leuchtendes Auges und mit freier Stirn zu jener Reihenbank in dem leider zertrümmerten Gotteshause St. Martinus hinstrebten, um sich beim Herrgott selbst neue Kraft zu holen für das schwere Tagewerk. Galt es in der Öffentlichkeit frei und frank für den heiligen Glauben und christliches Recht einzutreten, geschlossen war der Katholische Arbeiterverein zur Stelle. Gleichwie man in vermeintlichem Klassenbewußtsein oder in kollektivem Egoismus denken mag, braves katholisches Arbeitervolk, dir gebührt das Hohelied. Um das stille, karitative Wirken des Vereins, raunt man in manchem armen Häuschen des Kolpingstädtchens heute einander noch Worte dankbaren Gedenkens. Zu belehrenden Stunden, einte man sich in schönstem Einvernehmen. Es war halt doch kein sich auslösender, verpuffender Vereinsbetrieb, nein, es war eine Gemeinschaft, die aus christlicher Überzeugung an der sozialen Gestaltung der Gesellschaftsordnung mitzuhelfen sich zum Ziele gesteckt hatte. Nahm es da wunder, daß auch die Familie daheim in das Vereinsleben hineinwuchs? Mochte daher wohl der Katholische Arbeiterverein als das Ideal eins Zusammenschlusses innerhalb des Gesellschaftsganzen gelten.

Auch Geselligkeit und Frohsinn kamen zu ihrem Recht. Fanden sich in jedem Monat die Mitglieder allesamt nach ihrem Gottesdienste an den aus eigenen Mitteln, reichlich gedeckten Frühstückstafeln, dann war die Freude groß. Oder es hieß, die Katakomben in Valkenburg-Holland zu besichtigen und mancherlei andere schöne Fahrten in Gottes herrliche Natur zu unternehmen. Vergessen sei auch nicht der verunglückte Ausflug ins Siegerland. Vielleicht zieht heute noch ein Zwinkern und Lächeln durch gealterte Augenwinkel, wenn die urgemütlichen Abende in die Erinnerung zurückgerufen werden, da zu vorgerückter Stunde alt und jung, der ansehnlich große und lustige Präses im langen Schlepprock an der Spitze, in musikalischen Fuchsenritt Länge und Breit des Vereinslokales zu errechnen versuchten. Die Zeit war köstlich.

Doch am Horizonte des großen Weltgeschehens zogen abermals unheildräuende Wolken auf. Terror und Gewalt ließen auch ehrlichsten Geisteskampf ersticken. Zwar setzten sich aufrechte Männer gegen Unterdrückung zur Wehr. Noch hielten starke Arbeiterhände krampfhaft die Fahne, auf die sie Treue geschworen. Nachdem aber alles zerschlagen, mußten auch sie weichen. Der Katholische Arbeiterverein bestand nicht mehr. - Jahre chaotischer Zustände vergingen. Wer dachte je an die Wiedergeburt des Vereins? Da waren es die wenigen Getreuen, aus deren Innerstem man nicht hatte rauben können, was heilig und teuer war. Ein kleines Häuflein Gleichgesinnter scharte sich um sie. Aus Trümmern, Elend und Not fanden sie einander zurück. Der Katholische Arbeiterverein ist wieder erstanden. Nach dunklen Zeiten der Verfolgung sind neues Leben und eine neue Zukunft erwacht. -

Nun rüstet der Katholische Arbeiterverein zu seinem 25. Jubelfest. Ist es an sich ein Fest des Vereins selbst, darüber hinaus soll es uneigennützig der Tag einer machtvollen Kundgebung des katholischen Volkes des ganzen Kreises Bergheim sein. So man die erste Ehre dem Allerhöchsten zollt, wird am Vorabend des Festtages vom fahnengeschmückten, in strahlende Lichtkegel getauchten, altersgrauen Turm der zerstörten Stiftskirche, dem verbliebenen stummen und ernsten, aber wuchtigen Mahner der jenseitigen Welt, feierlicher Glockenklang über die weiten Fluren der Erftlande erklingen. Das herrliche Gotteshaus ging zwar in Trümmer. Hoch in den Lüften ragt von zutiefster Deutung, wie ehedem, das Kreuz. Von hier aus ergeht der Ruf in alle Straßen der Kolpingstadt, in alle Dörfer und Städte des Erftkreises: Katholisches Volk stehe auf, vernimm die Stimme deines Gottes, erkenne das Gebot der Stunde! - Der Festtag selbst beginnt mit einem feierlichen Levitenamt, zelebriert vom Gründer des Vereins, Dechant Schinker (Gummersbach) unter Assistenz der beiden letzten Vereinspräsides- Pfarrer Beemelmanns (Adendorf), Kaplan Meindorf (Kerpen), und dem Oberpfarrer der Stiftspfarre, Dechant Esser. Die Festpredigt hält Arbeiterpräses Kaplan Annbeck (Frechen), in der Festsitzung im Vereinslokal wird Landtagsabgeordneter Lenz (Brühl) das Wort ergreifen. Diese Feierstunde, in der 13 Jubilare geehrt werden, wird umrahmt sein von gesanglichen Darbietungen des Kirchenchores und Solokonzerten eines Sohnes des Kolplingstädtchens, des Meisterpianisten Johann Werner. Der Nachmittag steht ganz im Zeichen einer Großkundgebung aller Katholiken des Kreises Bergheim. Von feierlichem Glockengeläute und den Klängen choraler Musik begleitet, bewegt sich ein stattlicher Bannerzug vom Kolpingswerk zum Stiftsplatz. Es spricht der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf, Landtagspräsident Gockeln, zu seinen katholischen Arbeitern, zum ganzen katholischen Volke des Kreises. Zweihundert jugendliche Sänger des Singekreises Bergheim werden ihre Lieder erschallen lassen. Mit dem großen Hymnus an Gott findet die Kundgebung ihren Abschluß. -

Katholische Volk in Stadt und Land des Kreises, katholischer Mann, katholische Frau, vor allem katholische Jugend, bekennet machtvoll euren heiligen, katholischen Glauben. Es ruft euch alle die Vaterstadt Adolf Kolpings. Katholische Korporationen, entsendet eure Banner! Tretet mit euren Pfarrämtern in Verbindung. Dort erhaltet ihr jede Auskunft. Technische Anlagen, Lautverstärker und Rundfunk, stehen im Dienste der guten Sache. Für Fahrtgelegenheit ist soweit und solange als möglich gesorgt. Vergeßt auch nicht die herzliche Bitte, ein Scherflein für das zerstörte Gotteshaus!

Und du katholische Jugend, auch die Jugendfreude sei recht verstanden. Dein Tänzchen in Ehren, es wird niemand verwehren.

Willkommen in der Kolpingstadt!

F.V.

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