Kölnische Rundschau vom 1. Nov. 1946

Wie hoch ist unser Braunkohlenvorrat?
Tiefbauversuche im Kölner Gebiet

Der Wiederaufbau unserer Wirtschaft steht und fällt mit der Kohlenförderung. Unser Ernährungsproblem ist hinsichtlich der Einfuhr lebensnotwendiger Nahrungsmittel zu einem bedeutsamen Teil mit dem Kohlenexport verbunden. Die Energiequelle für Industrie, Gewerbe und Haushalt basiert auf der Kohle. Und die gesamte chemische Erzeugung ist der nächstwichtigste Abnehmer der Kohle. Neben der Steinkohle spielt in der Entwicklung der Kohlenwirtschaft die Braunkohle mengenmäßig zwar eine große Rolle, doch ist ihr Heizwert um zwei Drittel geringer, so daß ihr Verwendungsgebiet begrenzter ist. Das heißt aber keineswegs, ihren Wert vor allem im Energiehaushalt herabzumindern. Die Braunkohle ist zu einem der größten Kraftversorger geworden.

Um so verständlicher ist die Frage nach der Größe der Braunkohlenvorräte in abbaufähiger Lage, die also vor allem im Tagebau gefördert werden können. In letzter Zeit tauchen wieder vielfache Erörterungen auf, die mit einer gewissen Sorge in die Zukunft blicken und der Braunkohlenförderung ein baldiges Ende voraussagen wollen. Aber die Forschung hat hier gut gearbeitet und die Lagerstätten festgestellt, die sicher vorhanden sind und abgebaut werden können. Sie belaufen sich im deutschen Braunkohlentagebau auf mindestens 16 Milliarden Tonnen. Wenn der in Vorbereitung befindliche und später bestimmt einsetzbare Tiefbau der Braunkohlengewinnung dienstbar gemacht wird, dann würden noch weitere 12 Milliarden Tonnen Braunkohle erschlossen. Eine direkte Sorge um eine Erschöpfung der Vorräte braucht man nicht zu haben. Die Preußische Geologische Landesanstalt hat in Deutschland bis zu einer Tiefe von 1000 Meter 57 Milliarden Tonnen Braunkohle nachgewiesen. Im rheinischen Braunkohlenrevier sind die Vorkommen mit 17,7 Milliarden Tonnen und im Westerwaldbezirk mit 48 Millionen Tonnen angegeben. Eine andere Schätzung, die von privater Seite durchgeführt wurde, will für den Tagebau nicht so günstige Errechungen gelten lassen und weist darum mit Recht auf eine frühzeitige Vorsorge zur Erschließung der Braunkohlenfelder hin, die tief unter der Erdoberfläche liegen und nur im Tiefbauverfahren abgebaut werden können.

Zu diesem Zweck hatte sich zu Anfang des Jahres 1939 in Köln die Rheinische Braunkohlentiefbaugesellschaft mbH gebildet. An der Gründung hatten sich die Unternehmen des rheinischen Braunkohlenbergbaus beteiligt, die über Tiefbaufelder verfügen. In zahlreichen Versuchen wurden Flöze, die durchschnittlich 300 Meter unter der Erdoberfläche liegen, angebohrt. Dabei gewann man wertvolle Aufschlüsse über Beschaffenheit, Verarbeitungs- und Verwertungsmöglichkeit dieser Kohlen. Sobald die Tagebauvorräte erschöpft sein sollten, kann man jedenfalls den Abbau der tiefer liegenden Braunkohle in Angriff nehmen. Hierfür werden neue mechanische Verfahren entwickelt, deren konstruktive Gestaltung im Zusammenwirken mit einschlägigen Maschinenfabriken durchgeführt wird. Vor allem kommen Kleinbagger in Frage, die in genügender Menge die Braunkohle fördern könne. Die Erfahrungen im Steinkohlenbergbau kommen nur beschränkt in Betracht, da die Braunkohle ein weicher Rohstoff ist.

In Mitteldeutschland wurden bereits derartige Abbauverfahren eingeführt, allerdings in bescheidenem Rahmen und ohne nennenswerte Erfolge. Das Problem bedarf noch eingehender Versuche. Daß man im Kölner Gebiet einen Studienschacht errichtet hat, um genügend Erkenntnisse sammeln zu können, berechtigt zu der Erwartung, daß wirtschaftliche und technische Fördermethoden gefunden werden, die dem rheinischen Braunkohlenbergbau angepaßt sind. Die britische Militärregierung hat der Rheinischen Braunkohlentiefbaugesellschaft die Genehmigung erteilt, die Arbeiten an dem Versuchsschacht fortzusetzen.
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