Kölnische Rundschau vom 31. Oktober 1947

Gestern Braunkohle - morgen Seen

Ausgekohlte Tagebaue als Sport- und Erholungsstätten

Bergheim - Bei unserer schwachen Ernährungsbasis ist es einleuchtend, daß Gebiete, in denen die Braunkohle im Tagebau gewonnen wurde, wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden müssen, soweit dies durchführbar ist. Dabei müssen sie von Ortschaften oder landwirtschaftlichen Betrieben aus ohne Schwierigkeiten bearbeitet werden könne, das heißt, wirtschaftliche Gesichtspunkte werden im Vordergrund stehen.

Von Bergbautechnikern sind bereits interessante Berechnungen darüber angestellt worden, in welchem Umfang sich die Tagebaue des rheinischen Braunkohlenreviers nach ihrem völligen Abbau mit Grundwasser füllen werden. Auch sind Pläne aufgestellt worden, nach denen die entstehenden Wasserflächen miteinander in Verbindung gebracht werden müssen, um einen einheitlichen Wasserspiegel zu erreichen. Zur Regulierung der Grundwasserstandes ist außerdem ein Ablauf von dem Seengebiet zur Erft vorgesehen.

Die Bevölkerung der umliegenden Großstädte und Industriezentren suchte früher die großen Waldgebiete, die der Braunkohle zum Opfer fielen, zur Erholung auf. Sie ist natürlich sehr daran interessiert, was mit diesen Gebieten geschieht, wenn die Gewinnung der Braunkohle zu Ende ist. In der Zukunft werden wir

ein Gebiet mit großen Seen

vorfinden, mit Böschungen zu höhergelegenen Partien, die forst- oder landwirtschaftlich genutzt werden. Besonders für Sportzwecke (Wassersport oder Schwimmsport) wird sich dieses Seengebiet eignen. Auch Fischzucht wird in großem Umfang betrieben werden können.

Für den Landschaftsgestalter ergibt sich eine geradezu ideale Aufgabe. Terrassenförmige Abhänge und Mulden eignen sich ganz besonders zur Planung großer

Volkserholungsstätten.

Die Verwertung solcher Abhänge in natürlicher Gestaltung ließ sich in besonders vorteilhafter Weise im Ruhrtal südlich von Essen längs der Heisinger Halbinsel durchführen. Es sei hier besonders die Volkserholungsstätte „Nottekampfsbank“ erwähnt. Die in den ruhrabhängen geschickt eingebauten Wanderwege - Ruhrhöhenweg - vermitteln herrliche Ausblicke auf das Tal mit seinem „Baldeney-See“, das typische Beispiel für wasser- und schwimmsportliche Ausnutzung. Auch die erfolgreiche Tätigkeit des Siebengebirgsvereins auf diesem Gebiet dürfte manche Anregung bieten.

Die Überlegungen über die mögliche Zukunftsgestaltung des Gebietes ehemaliger Tagebaue im rheinischen Braunkohlengebiet wären wertlos, wollte man nicht gleichzeitig die

Frage der Finanzierung

und Durchführung erörtern. Wer den Nutzen aus der Gewinnung der Braunkohle und die Landschaft zerstört hat, wird auch für den Schaden aufkommen müssen! Hiernach wird man grundsätzlich der Braunkohle die Kosten der Anschüttungen (Rekultivierungen), die Bepflanzung der Böschungen, die Entwässerung des Seengebietes und des Ausbaues der Hauptwege auferlegen müssen. Der Ausbau aller Erholungs- und Sportanlagen, der Wanderwege, Höhenwege, der Anlage von Fischzuchten usw., ebenso die Unterhaltung und Nutzung all dieser Anlagen wird Sache eines zu bildenden Verbandes („Ville“-Verband?) sein, der auch das gesamte Gebiet zu Eigentum erwerben müßte. Hierbei wird auch an die wasserwirtschaftliche Nutzung der Seengebiete gedacht werden müssen, ebenso an die Nutzung geeigneter Flächen und Abhänge für den

Anbau von Steinobst

(Schattenmorellen, Pflaumen, Zwetschen usw.), mit denen Versuche an mehreren Stellen im Abbaugebiet bereits mit gutem Erfolg durchgeführt wurden.

Im Rahmen der Ausnutzung des Seengebiets für Erholungszwecke wäre auch öffentlichen Versicherungsanstalten und privaten Unternehmen die Möglichkeit der Errichtung von Erholungsstätten und Heimen einzuräumen.

Bereits an anderer Stelle ist die

Aufstellung eines Wirtschaftsplanes

für das gesamte Gebiet als notwendig bezeichnet worden, in dem alle angeschnittenen Fragen zu regeln wären. Der Landtag in Düsseldorf hat sich dieser Notwendigkeit nicht verschlossen und ein beschlossen, das die Vorbereitung aller hierfür notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen in die Wege leitet. Die bisherigen Bemühungen der Braunkohlenindustrie zur Wiederurbarmachung ausgekohlter Flächen müssen anerkannt werden. Die baldige Fertigstellung des Gesamtgestaltungs- und Wirtschaftsplanes für das rheinische Braunkohlengebiet und der Erlaß der zur Ausführung erforderlichen Gesetze und Vorschriften ist aber schon aus dem Grunde notwendig, um sicherzustellen, daß die weiteren Bodenanschüttungen nur unter Zugrundelegung dieses Planes erfolgen.

HtH.

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