Kölnische Rundschau vom 15. Juli 1947

Belgiens Forderungen an Deutschland

30 qkm mit 3850 Einwohnern - Der Verlauf der gewünschten Grenze

(KR) Brüssel, 12. Juli (Eig. Meldung) Aus dem Memorandum Belgiens an die Moskauer Konferenz, das nunmehr durch einen Bericht der Senatskommission für auswärtige Angelegenheiten im Wortlaut bekannt wird, erfährt die Öffentlichkeit zum erstenmal den genannten Umfang der belgischen Gebietsforderungen an Deutschland. Diese Gebietsforderungen gehen nach der belgischen Darstellung von der Absicht aus, die bisherigen, wenig glücklichen Grenzverhältnisse an den Grenzen der Kreise Eupen und Malmedy zu bereinigen.

Durch den Artikel 35 des Versailler Vertrages war eine internationale Kommission zur Regelung der Grenzfragen eingesetzt worden, die durch Beschluß vom 27. März 1920 die bekannte Regelung traf, daß die von Aachen ausgehende Bahnlinie Walheim - Monschau - St. Vith an den belgischen Staat fiel, obschon sie auf weite Strecken durch deutsches Gebiet lief, während die entsprechende Landstraße bei Deutschlang verblieb, trotzdem sie zu einem großen Teil durch belgisches Hoheitsgebiet führte. Daraus ergab sich, daß westlich der belgischen Eisenbahnlinie deutsche Ortschaften lagen und der deutsche Straßenverkehr sich zum erheblichen Teil durch belgisches Staatsgebiet abwickelte.

Die belgischen Gebietsforderungen laufen daher in der Hauptsache auf die Beseitigung dieses Zustandes hinaus: Sie verlangen die Zuteilung des ganzen Gebietes westlich der Eisenbahnstrecke Roetgen - Monschau - St.Vieth, außerdem aber auch die Zuteilung der gesamten Gemeinde Roetgen und einige kleinere Korrekturen. Das deutsche Grenzdorf Münzenich mit über 1.000 Einwohnern sowie die Gemeinde Roetgen mit 2.500 Einwohnern würden dadurch ganz zu Belgien kommen.

Einzelheiten der belgischen Gebietsforderungen

Zwischen den Grenzsteinen 1008 und 980 wird eine Ausbuchtung der Grenze bei Hergenrath beseitigt, die durch die Zuteilung einer 50 ha großen Parzelle im Jahre 1921 an Deutschland zur Anlage eines Güterbahnhofs entstanden war, der aber aus technischen Gründen nicht gebaut wurde.

Die Straße Aachen - Raeren, zwischen den Grenzsteinen 920 und 943, kommt einschließlich des deutschen Zollbüros an der Kreuzung der Straße von Oberforstbach an Belgien, ebenso der Straßenabschnitt der Straße von Oberforstbach gegenüber dem Zollbüro.

Die Straßen von Roetgen nach Fringshaus und von dort nach Lammersdorf und Konzen, werden ebenfalls belgisch.

Die grundsätzliches Zuteilung des gesamten Gebietes westlich der Bahn, wird durch die Bestimmung gefordert, daß zwischen dem Grenzstein 900 (Schnittpunkt der Bahnlinie von Raeren mit der bisherigen Grenze westlich Münsterbildchen) und dem Grenzstein 657 (Schnittpunkt der Eisenbahn mit der bisherigen Grenze westlich Kalterherberg), die Bahnhöfe und die Bahnstrecke die Grenze bilden sollen.

Die einschneidenste Bestimmung trifft die Gemeinde Roetgen. „Der Teil der Gemeinde Roetgen, der östlich der Bahnlinie liegt, wird belgisch. An dieser Stelle muß die Grenze einen solchen Verlauf nehmen, daß sie vom Grenzstein 886 F (an der Bahnlinie westlich Münsterbildchen) bis zur Bahnlinie beim Grenzstein 790 (an der Eisenbahn nordwestlich Lammersdorf) führt, nachdem sie an dem südlichen Teil des Reservoirs des Dreilägerbachs und am Dreilägerbach vorbeiführt.“ Demnach würde die ganze Gemeinde Roetgen belgisch, die Dreilägerbachtalsperre, die der Trinkwasserversorgung des Kreises Aachen dient, bei Deutschland bleiben, ebenso auch das Dorf Lammersdorf bis auf einige Häuser westlich der Eisenbahnlinie. Ferner werden einige kleine Grenzänderungen bei Kalterherberg (7 ha) und an der Grenze des Kreises Prüm (½ qkm mit fünf Häusern) gefordert.

Die Auswirkungen der Grenzvorschläge

Das belgische Memorandum gibt darüber folgende Darstellung: „1. Die Enklaven und andere Anomalien der Grenzen würden beseitigt. 2. Die Bahn Eupen-St. Vith würde keine deutsches Gebiet mehr durchschneiden, und alle Schwierigkeiten bei dem Betrieb der Strecke würden beseitigt. 3. Es würde keine Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten über Grenzschwierigkeiten mehr geben. Die Hoheitsrechte beider Länder wären klar festgelegt. 4. Sowohl die Interessen der belgischen als auch der deutschen Grenzbewohner würden durch das neue Grenzregime gewahrt. Der Grenzverkehr auf deutscher Seite könnte über die Straße Schleiden - Monschau - Imgenbroich - Simmerath - Lammersdorf - Zweifall - Stolberg abgewickelt werden. Die Straßenverbindung von Zweifall über Breinig und Kornelimünster nach Aachen könnte von der deutschen Verwaltung verbessert werden.“

Die Denkschrift betont, daß alle diese Grenzberichtigungen 30 qkm mit 3.850 Seelen betreffen.

Ansprüche auf Talsperre von Schwammenauel

Nach dem Bericht des „Grenz-Echo“ verlangt Belgien von Deutschland ebenfalls den Bau eines „Wasserzuführungskanals“. „Dieser Kanal soll vom Heimbachsee ausgehen und in die Weser (Vesdre) oberhalb Limburg einmünden.“

(KR) Mit der Heimbachtalsperre ist offenbar die 100-Millionen-Talsperre Schwammenauel bei Heimbach gemeint, welche neben dem Hochwasserschutz der Versorgung der Düren-Jülicher Gebietes mit Industriewasser dient. Der Höhenunterschied zwischen der Schwammenaueler Talsperre und der Wesertalsperre oberhalb Eupen, welche nach einer früheren Meldung dieses Zusatzwasser aufnehmen soll, beträgt rund 120 m, wobei der 600 m hohe Rücken des Hohen Venn durchstoßen werden müßte, so daß es sich wohl nicht um einen Kanal, sondern um einen Tunnel handeln würde, der bis zur Wesertalsperre etwa 22 km und bis Limburg sogar 32 km lang sein müßte, außerdem aber ständig erhebliche Betriebsunkosten für die Pumpwerke erfordern würde. Der Verlust des Indstriewassers von Schwammenauel würde für das Düren-Jülicher Wirtschaftsgebiet geradezu katastrophale Auswirkungen haben.

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