Kölnische Rundschau vom 1. November 1946

Ist die Milchanlieferung zu steigern?

Die Lage der Molkereien

In letzter Zeit werden wieder Fragen der Milchwirtschaft lebhaft erörtert, und aus der Tatsache, daß im dritten Vierteljahr 1946 nur etwas mehr als die Hälfte der im dritten Vierteljahr 1944 angelieferten Milch der Verarbeitung in den Molkereien zugeleitet wird, versucht man Schlüsse zu ziehen, die der Lage der Produzenten nicht immer gerecht werden. In der Nordrheinprovinz konnte der Milchviehbestand mit 274.000 Stück Vieh auf 80 v. H. des Bestandes von 1943/44 gebracht werden. Das ist ein erfreuliches Ergebnis bäuerlicher Tatkraft, wenn man bedenkt, daß bei Kriegsende der Milchviehbestand in der Nordrheinprovinz nur etwa 60 v. H. des Standes von 1943 ausmachte; in einigen Kreisen betrug er sogar nur noch 10 v. H. Wie in der Landwirtschaftlichen Zeitschrift der Nordrheinprovinz vom 19. Oktober d. J. dargelegt wird, macht die verstärkte Schlachtviehumlage jetzt auch Eingriffe in die Milchviehbestände notwendig, wodurch die günstig angebahnte Entwicklung wieder unterbrochen wird.

Das Molkereiwesen hat durch den Krieg zum Teil schwer gelitten. Der Wiederaufbau der milchverarbeitenden Betriebe hat aber trotz bauwirtschaftlicher Schwierigkeiten gute Fortschritte zu verzeichnen. Von 134 Molkereien in der Nordrheinprovinz war bei Kriegsende nur etwa die Hälfte betriebsfähig. Heute arbeiten wieder 124 Betriebe, und nur 10 sind so zerstört, daß ihr Wiederaufbau vorläufig noch zurückgestellt werden muß. Die bauerlichen und maschinellen Schäden wurden seinerzeit mit 6,5 Millionen Mark errechnet.

Die Milchlieferung konnte, gemessen an dem katastrophalen Niedergang bei Kriegsende, schritthaltend mit dem Wiederaufbau der bäuerlichen Wirtschaft und des Molkereiwesens gesteigert werden. Jedoch sei, so betont die Landwirtschaftliche Zeitschrift, das Verhältnis einstweilen noch unbefriedigend. Wenn auch teilweise wichtige und verständliche Gründe für eine Minderanlieferung vorliegen, so sei ein großer Teil doch auf eine gesunkene Ablieferungsmoral zurückzuführen. Anderseits aber gelte es zu bedenken, daß auf Grund des Zustroms von Flüchtlingen, des unheimlichen Ansteigens der Krankenziffern infolge ungenügender Ernährung, vor allen dingen in den Großstädten der Milchbedarf erheblich größer geworden sei. Der Bedarf an Vollmilch ist im letzten Jahr um das Doppelte (16,8 Millionen kg) gestiegen. Auch der Bedarf an Magermilch hat sich wesentlich erhöht. Der Rationssatz von ein Achtelliter pro Normalverbraucher werde in diesem Winter, schreibt das Blatt, nur zu einem geringen Bruchteil zu decken sein, wenn es nicht gelinge, neben Zulieferungen von Trockenmilch aus anderen Gebieten die Milchablieferung innerhalb der Nordrheinprovinz an die Milcherzeuger auf das notwendigste zu beschränken.

Von den Behörden und den Betrieben werde alles getan, um diesen großen Anforderungen gerecht zu werden. Stützungen und Anfuhrkosten hätten den Zweck, auch kleinste Mengen an die Molkereien heranzubringen, ohne den Milchpreis zu belasten. Es würden weitere Mittel und Wege gesucht, um die schwer um ihre Rentabilität ringenden Molkereien finanziell zu entlasten und den Erzeugern einen angemessenen Milchpreis zu sichern. Eine Steigerung der Milchanlieferung senke die Produktionskosten der Molkereien und stelle den bäuerlichen Lieferanten einen angemessenen Milchpreis in Aussicht.

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