Kölnische Rundschau vom 11. März 1950

Großgeräte ebnen die Tagebaue ein

Auf 256 Rädern rollt des Baggers „großer Bruder“

Längst hat im linksrheinischen Braunkohlenrevier der „eiserne Bergmann“, der Bagger die Handarbeit des Menschen, der sich einst im Rolloch-Betrieb abmühte, abgelöst. Während die Belegschaft stetig auf mehr als 24.000 Menschen anstieg, entwickelte die unablässig fortschreitende Technik die „Großgeräte“ mit ständig steigender Leistung. 4.870.800 t Rohkohle wurden allein in den 24 Arbeitstagen des Monats Februar dieses jahres gewonnen; sie wanderten in die Brikettfabriken und Kraftwerke, um in „Hausbrand“, Industriebrennstoff und Strom verwandelt zu werden. An die rund 2.887.000 cbm Deckgebirge, - oder „Abraum“ wie der Bergmann sagt - die in der gleichen Zeit bewegt wurden, wird weniger gedacht. Aber auch die Abraummassen, die abgebaggert werden, um die Kohle freizulegen, müssen weggeschafft und untergebracht werden. Statt der dünnen Abraumschichten von einst, sind jetzt mächtige Deckgebirgsschichten zu bewältigen. Die Tagebaue wachsen in die Tiefe und in die Breite. Lange Jahre wird es dauern, bis die heutigen Neuaufschlüsse wieder Abraum aufnehmen können. Durch das Aufschütten riesiger Halden auf nicht kohleführendem Gelände würden große Flächen fruchtbaren Bodens verlorengehen. So kommt es, daß in älteren Tagebauen wie Fortuna auf der ausgekohlten Seite nicht nur der Abraum sondern auch die aus einem benachbarten Aufschluß anfallenden Massen untergebracht werden. Wenn somit monatlich bis zu 480.000 cbm Abraum bei der Zusammenarbeit eines Neuaufschlusses mit einem älteren Betrieb zu meistern sind, wäre ein Verladen und Verkippen von Hand längst nicht mehr den mengenmäßigen Anforderungen gewachsen. Auch die Gefahren, die großen Arbeiterkolonnen bei der Höhe solcher Kippen drohten, wären kaum zu verantworten.

Die Technik hat aus dieser Notwendigkeit heraus neue Geräte entwickelt. Neben dem Bagger entstand der „Absetzer“ und angesichts der nun in Betrieb genommenen Riesengeräte zum Einbringen und Verteilen des Abraums in die ausgekohlten Tagebaue muß man schon vom „größeren Bruder“ des Baggers sprechen. Auf 256 Rädern rollt die 2.400 t überschreitende Last des neusten Absetzers des Reviers, der seit einem Vierteljahr auf der Kippe der Grube Fortuna (der Rheinischen A.G.) bei Oberaussem die Abraummassen aufschüttet. 1.200 l fassen die einzelnen Eimer, die das aus großen stählernen Abraumwagen in den „Graben“ gekippte Material aufnehmen. 1.500 cbm Abraummaterial befördert das aufsteigende Band in einer Stunde zum 70 m weit hinausragenden Ausleger, der die Massen abwirft und verteilt. Zwei andere Absetzer mit 50 m Ausladung, die schon länger an der hohen Böschung der weitausgedehnten Fortuna-Kippe stehen und den riesigen Tagebau wieder auffüllen, soweit es nur die Kohlegewinnung zuläßt, haben nun die notwendige Hilfe erhalten. - Überall in den Gruben des Reviers sind die Absetzer am Werk. Auch im Betrieb Berrenrath-West der Roddergrube A.G. ist vor kurzem ein neuer Absetzer von großen Abmessungen und Leistungen eingesetzt worden. - Der Bagger nimmt das Deckgebirge fort und gewinnt die Kohle; der Absetzer füllt die ausgekohlten „Löcher“ wieder auf, er ebnet das Gelände ein und leistet die umfangreiche Vorbereitungsarbeit zu abschließenden Rekultivierung. - Im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau sind die großen Abraumbrücken die Standardgeräte; im rheinischen Revier liegen die geologischen Verhältnisse anders, zahlreiche „Sprünge“ verlangen andere Abbau- und Einebnungsmethoden, und damit auch oft anderes Zeitmaß. Das Zusammenwirken von Bagger und Absetzer ist typisch für die gegenwärtige Arbeitsweise des rheinischen Reviers geworden und umfaßt erst den ganzen bergbaulichen Vorgang zwischen Aufschluß und Rekultivierung, der meist nur einseitig „von der Baggerseite“ gesehen wird.




Erst kurz vor dem ersten Weltkriege sind auf Gruhlwerk Versuche mit einem kleinen Absetzapparat aufgenommen worden. Das Gerät - mit nur 3 m Ausladung - hatte sich im mitteldeutschen Braunkohlenrevier nicht durchsetzen können. Zahlreiche Erfahrungen mußten gemacht, außerordentliche Schwierigkeiten bewältigt werden, ehe das heutige Großgerät in enger Zusammenarbeit mit den Maschinenfabriken entwickelt war. Die Beherrschung großer Abraummmassen setzt äußerste Wachsamkeit voraus. Ganze Teile der großen Kippen - Millionen von Kubikmetern - können sich plötzlich in Bewegung setzen und abrutschen. Erst mit der Reichweite der großen Absetzer konnten Methoden entwickelt werden, die schoninder Anlage und Anschüttung der Kippen das Gefahrenmoment einschränken.

Die betriebliche Sicherheit und die Notwendigkeit, mit der Gewinnung der Kohle und der Steigerung der Stromerzeugung die Grundlage für den Wiederaufbau der Wirtschaft zu schaffen und zu erweitern, haben die Braunkohlenwerke veranlaßt, in der Entwicklung ihrer Großgeräte konsequent fortzuschreiten. Mehr als 7 Millionen DM sind in dem neuen Absetzer (von Stahlbau Rheinhausen) investiert. Wenn die Werke des rheinischen Braunkohlenbergbaus sich trotz der angespannten Kreditlage und zahlreicher anderer Investierungen die Kosten für eine Reihe solcher Großgeräte aufzuerlegen waren, handeln sie bewußt im Vertrauen auf die Zukunft und auf die verantwortungsbewußte Bewegungsfreiheit, aus der allein sie die Aufgaben, die ihnen im Rahmen der Gesamtwirtschaft gestellt werden zu lösen vermögen.

Fr.

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