Kölnische Rundschau vom 10. Januar 1950

Braunkohle und Aachen-Rhein-Kanal

Gesellschaften des rheinischen Braunkohlenreviers äußern Bedenken

Bei den zahlreichen Veröffentlichungen über die Kanalverbindung Schelde-Rhein und über die verschiedenen Linienführungen auf deutschem Gebiet ist mit mehr oder weniger betonter Selbstverständlichkeit der linksrheinische Braunkohlenbergbau und sein Anschluß an den Aachen- (oder Maas) Rhein-Kanal als eines der Argumente für die dringende Notwendigkeit des Projektes herangezogen worden. Die Planungen setzten dabei voraus, daß das rheinische Braunkohlenrevier dringend auf die Fertigstellung des Kanals warte und sich davon Vorteile verspreche, die auch nötigenfalls erhebliche Kostenbeteiligungen und Opfer rechtfertigten.

Grundsätzlich ist dazu festzustellen, daß bei den Gesellschaften des rheinischen Braunkohlenreviers allgemein

keine besonderen Neigungen

zugunsten der bisher erwähnten Kanalvorhaben bestehen. - Gegenwärtig werden die verschiedenen Planungen genau untersucht. Bei dem Ausmaß der zu prüfenden Einzelfragen kann zunächst noch keine zusammenfassende Darlegung der vielen Untersuchungen, die sich aus den verschiedenen Trassierungen ergeben, erwartet werden.

Die südlichste Linienführung, die von Visé an de Maas ausgehend über Düren den Rhein im Raum von Wesseling erreicht, ist in letzter Zeit wieder zurückgestellt worden. Die anderen Trassierungen, die überhaupt in Reichweite des Braunkohlenreviers bleiben, müßten sämtlich wesentliche Teile der Braunkohlenflöze durchschneiden. Nicht nur der Raum, den der Kanal selbst einnähme, auch die sehr beträchtlichen Kohlenpfeiler, die zur Sicherheit des neuen Wasserweges stehen bleiben müßten, bedeuten für die Braunkohle

einen sehr beträchtlichen Verlust.

Die Zerschneidung der Reservefelder müßte außer diesem direkten Verlust zu einer außerordentlichen Erhöhung der Abbaukosten (im ganzen) führen. Nach den bisher bekannten Planungen ist damit zurechnen, daß an mehreren Stellen statt des einen bisher vorgesehenen Grubenaufschlusses jetzt zwei Aufschlüsse für das gleiche Feld erforderlich werden. Ein Grubenaufschluß muß heute mit mindestens 50 Millionen DM in Ansatz gebracht werden.

Bei dem schnell wandernden Braunkohlenbergbau ist auch die Vorstellung einer Anzahl am neuen Kanal aufgereihter Brikettfabriken utopisch.

Hafen Wesseling gut ausgenutzt

Das Braunkohlenrevier besitzt in Wesseling einen gut ausgenutzten Hafen mit den aus langer Erfahrung entwickelten Verladeeinrichtungen. Es darf kaum angenommen werden, daß die Braunkohlenwerke irgendwo zwischen Köln und Aachen einen zweiten Hafen mit der gesamten, für die zweckmäßige Verladung des Spezialprodukts Brikett erforderlichen Ausrüstung aufbauen werden. Auf die immer wieder geforderte stärkere Ausnutzung des Hafen Köln-Niehl oder auf die Bahnprobleme braucht in diesem zusammenhang nur hingewiesen werden. Mit dieser Aufzählung sind nur einige der wesentlichsten Einwände genannt.

Nachdem wichtigste Aufschlußarbeiten und Versuchsunternehmen durch Kriegs- und Nachkriegszeit verzögert worden sind, sieht der Braunkohlenbergbau die vordringlichste Aufgabe in der Sicherung der Förderleistung des Reviers. Hausbrand- und Stromversorgung erfordern, daß die Förderung nicht absinkt. Die Gesamtwirtschaft gewinnt durch die Stetigkeit dieser Leistung an Krisenfestigkeit.

Vor wenigen Tagen hat das Land aus Mangel an Mitteln die weitere Behandlung der Kanalprojekte an den Bund überwiesen. Es verlautet, daß die

Finanzierung des Kanalbaus durch ERP-Mittel

in Erwägung gezogen werden soll. Frühere Schätzungen von 130 Millionen RM für den Bau der Kanalstrecke auf deutschem Boden, die sich nach neuen überschlägigen Kalkulationen auf das Doppelte an DM erhöhen könne, geben einen Anhalt für das Ausmaß der erforderlichen Beträge. Da auch die ERP-Mittel nicht unbegrenzt sind, dürfte die Entscheidung über die Vorhaben, die tatsächlich die höchste Dringlichkeitsstufe verdienen, nicht einfach sein.

Es muß aber rechtzeitig klargestellt sein, daß hier - wie bei anderen weitreichenden Entwürfen - der Planungseifer mancher Stellen bei wichtigen Wirtschaftszweigen auf abweichende Auffassungen stößt, die aus der ständigen Auseinandersetzung mit den zahlreichen Schwierigkeiten des Wiederaufbaus hervorgehen.

Fr.

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