Dürener
Zeitung vom 7.1.1950

Ein uralter Plan - wird er Wirklichkeit?

Die Pläne, im Raume zwischen Rhein, Maas und Schelde auch einen Wasserweg in ost-westlicher Richtung zu schaffen, reichen Jahrhunderte zurück. Sie sollen schon zur Römerzeit bestanden haben. Jedenfalls gewannen sie, als die Niederlande zu Spanien gehörten, greifbare Gestalt. Unter der Regierung Philipp IV. Wurde mit dem Bau eines Kanals, der sogenannten „Fossa-Eugenia“, begonnen. Er sollte von Rheinberg über Venlo zur Schelde führen. Vollendet wurde er nicht. Auch in späteren Jahren nicht, als sich Preußen unter Friedrich II. für einen Kanalbau in dieser Ausrichtung interessierte. Unter Napoleon I. wurde dann der Ausbau eines „Grand Canal du Nord“ von Grimmlinghausen am Rhein über Venlo, Herenthals nach Antwerpen in Angriff genommen. Es blieb bei der Fertigstellung nicht unwesentlicher Abschnitte, die später allerdings größtenteils wieder zugeschüttet wurden.

Der Gedanke aber, eine derartige Querverbindung zu schaffen, deren Fehlen immer wieder - wenn auch in wechselnder Dringlichkeit - empfunden wurde, blieb lebendig.

So wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts drei Projekte fast gleichzeitig zur Erörterung gestellt. Sie betrafen die Krefelder Linie von Baurat Hentrich, die von Krefeld südlich an Venlo vorbei zum Campinekanal über Herenthals nach Antwerpen führen sollt, dann die Gladbacher Linie von Ober-Ingenieur Valentin, die von Grimmlinghausen ausging über Sittard, Elslo, Hasselt, Herenthals nach Antwerpen und endlich die Aachener Linie vom Ing. Schneiders, die von Godorf über Jülich nach Elslo, dann zum Campinekanal über Herenthals nach Antwerpen ging. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges setzte der weiteren Erörterung dieser Pläne ein Ziel. Nach dessen Ende stand man vor grundlegend veränderten Verhältnissen. Wesentlich war jedoch, daß der Versailler Vertrag in Artikel 361 eine Bestimmung enthielt, wonach Belgien innerhalb von 25 Jahren den Bau eines Rhein - Maas - Schelde - Kanals verlangen konnte. Dabei hätte Deutschland gegebenenfalls die Kosten für den auf ihn entfallenden Abschnitt aufzubringen gehabt.

Die deutsche Regierung hatte bei der finanziellen Beengung, in der sie sich befand, naturgemäß kein Interesse, ihrerseits noch den Bau eines Kanals anzuregen. Eine weitere Diskussion früherer deutscher Pläne einer Rhein-Scheldeverbindung wurde daher als nicht erwünscht bezeichnet.

Inzwischen bahnte sich aber eine überaus fühlbare Verschlechterung der Wettbewerbslage des Aachener Gebietes an. Diese entstand einerseits durch die Einführung des differenzierten Staffeltarifs im Eisenbahngüterverkehr. Dadurch wurde die für das Gebiet so wichtige Nah- und Mittelentfernung ganz wesentlich verteuert. Andererseits verbesserte der Ausbau des rechtsrheinischen Wasserstraßensystems wesentlich die Absatzmöglichkeiten der dortigen Wirtschaftsbetriebe. Endlich schritt auch im eng benachbarten Ausland der Ausbau leistungsfähiger und verkehrsverbilligender Großschiffahrtswege unentwegt voran. Das Aachener Gebiet allein verharrte in seiner ungünstigen Verkehrslage.

Kein Entgegenkommen der Reichsbahn

Jahrelange Bemühungen, eine Verbilligung der Frachtlage auf dem Schienenwege zu erzielen, blieben vergeblich. Da wurde 1926 der Aachen - Rhein - Kanalverein begründet, dessen Streben es war, die Erbauung eines Stichkanals vom Rhein nach Aachen zu erwirken, um dadurch die unentbehrliche Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. Gegen die Bemühungen standen recht gewichtige Gegner auf. So Köln, das fürchtete, durch eine Wasserstraße den Umschlag seines Nieler Hafens zu verlieren. Der Ruhrbergbau, der kein Interesse daran hatte, den Absatz des damals noch getrennten Aachener Kohlensyndikates verbessert zu sehen. Krefeld, das für seine früheren Kanalpläne fürchtete. Endlich die Reichsbahn, die zwar frachtlich im Hinblick auf Berufungen nicht helfen konnte, durch Verhinderung des Kanals einer Schmälerung ihres Güteraufkommens entgegenwirken zu können.

Die Verhandlungen mit Parlamenten, Ministerien, Sonderausschüssen und Kommissionen gingen jahrelang hin und her.

Vorarbeitenamt in Aachen

Der Kanalverein erreichte aber die Errichtung eines staatlichen Vorarbeitenamtes in Aachen, das nun in dreijähriger intensiver Prüfungsarbeit die Möglichkeiten des Kanalbaus prüfte und ihn als technisch durchaus möglich, wirtschaftlich wirksam und bauwürdig anerkannte. Es legte 1929 verschiedene Entwürfe einer Linienführung vor, und zwar eine Erftlinie, eine Gladbacher Linie und die sogenannte Mittellinie. Letztere ging südlich bei Neuß vom Rhein aus und führte in Richtung Jülich, Inden bis Langweiler im Wurmkohlengebiet.

Die weiteren Erörterungen in der Angelegenheit fanden u.a. dadurch einen Antrieb, daß 1931/32 die holländische Presse einen Vorstoß machte und erklärte, die Aachener Gruben durch Seilbahn vorteilhaft an den Juliana-Kanal und damit an die Maas anschließen zu können. Demgegenüber waren die maßgebenden deutschen Stellen der Auffassung, daß doch eine Verbindung zum Rhein vorzuziehen sei. So wurde nun eine Verwirklichung des Aachen-Rhein-Kanals vorerst bis Inden in Aussicht genommen. Die Wirtschaft des Aachener Gebietes sollte an diesen Endhafen vorläufig durch Gruben- und Hafenbahnen vorteilhaft angeschlossen werden. Eine tragbare finanzielle Beteiligung der interessierten Wirtschaftskreise wurde vorgesehen auch von Seiten des Bergbaus, der seit 1933 zum Ruhrkohlensyndikat gehörte. Dieses stellte seinen Widerstand gegen die Pläne nunmehr zurück. Es erklärte, im Falle einer Erbauung des Kanals den Aachener Zechen dieselbe Stellung einräumen zu wollen, wie sie die übrigen „nassen Zechen“ hatten, die ihm angeschlossen waren. Daraus hätte sich eine Vergünstigung in der Verrechnung der Frachtkosten ergeben, die den Aachener Zechen die Möglichkeit gab, auf eine Reihe von Jahren die Verzinsung eines angemessenen Baukostenanteils zu übernehmen. Die Lage war damals so, daß man die Inangriffnahme des Baues fast mit Sicherheit erwarten konnte.

Tarife „als ob“

Da trat Ende 1934 eine plötzliche Schwenkung in der Haltung der nationalsozialistischen Partei ein, die auch auf maßgebende Regierungsstellen nicht ohne Einfluß blieb. Sie erklärte, daß man dem Aachener Gebiet nun doch auf andere Weise helfen werde, nämlich dadurch, daß ihm die Reichsbahn Tarife einräumen würde, so, „als ob“ es über einen Wasserweg verfügte.

Nun begannen neue Berechnungen, die aber keineswegs zu „als-ob-Tarifen“ führten, wohl zu fünf Notstandstarifen, die einzelnen Industriegruppen halfen, aber für die Gesamtheit des Gebietes keine grundsätzliche Bedeutung haben konnten. Weitere Verhandlungen in der Kanalfrage wurden aber durch Ausbruch des unglückseligen Krieges verhindert.

Als er zu Ende ging, waren die Verhältnisse auf deutscher Seite so grundlegend verändert, daß man an eine Initiative in dieser Frage vorderhand überhaupt nicht denken konnte.

Nun aber ging man im benachbarten Belgien mit allem Nachdruck daran, eine Verbesserung der Verkehrslage des Antwerpener Hafens und auch des Lütticher Beckens zu erstreben. Man verlangte zunächst einmal, bei einem Friedensschluß mit Deutschland wieder die Einräumung des alten Anspruchs auf einen Rhein - Maas - Schelde - Kanal wie ihn der Versailler Vertrag vorgesehen hatte. Daneben aber fordert man nunmehr erneut von Holland den Ausbau einer besseren Verbindung Antwerpens mit dem holländischen Diep durch den seit langem beanspruchten Moerdijk-Kanal.

Die Verhandlungen maßgeblicher belgischer Stellen mit der deutschen Regierung wie mit deutschen Interessenten lassen erkennen, welches Gewicht man auf die Ausführung des Kanalprojektes legt. Man wird in Kürze sich auch deutscherseits mit allem Nachdruck dieser Angelegenheit zu widmen haben, so daß hoffentlich bald konkrete Angaben darüber vorliegen, die zur Zeit natürlich noch nicht gegeben sind. Absehend davon aber kann man ohne weiteres sagen, daß eine derartige Wasserstraße im nordwest-europäischen Raum, sowohl als transkontinentale Verbindung wie als Rhein-Seeweg, größte Bedeutung haben und die so notwendige enge Zusammenarbeit europäischer Wirtschaftsgebiete wirksam fördern wird.

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