Kölnische Rundschau vom 14. Dezember 1950

Geschichte einer alten Landstraße

Grefrath. Eine Straße, die soviel Geschichte zwischen Ost und West miterlebte, muß nun dem vordringenden Braunkohlenbau weichen - die alte Grefrather Landstraße, Kosaken, Türken, Baschkiren, Kalmücken, Franzosen, Amerikaner, Engländer und Deutsche zogen über diesen Weg, um Kriege zu führen. Schon um 800 n. Chr. Diente sie den Soldaten Karls des Großen. Knüppeldämme aus dieser zeit wurden an vielen Stellen gefunden. Grefrath selbst wird erst im Jahre 1550 in einer Urkunde erwähnt. Mitten im dichten Wald standen ein paar Fachwerkhäuser. Um das Jahr 1800 wurde die alte Straße fachmännisch ausgebaut. Napoleon brauchte gute Anmarschwege für seine Armeen. Um keine Knüppeldämme mehr zu legen, schüttete man Kies auf, der die Straße trocken und haltbarer machen sollte. Über diese Heerstraße zogen die siegreichen Armeen Napoleons gegen Rußland. Über sie schleppten sie sich zerschlagen und verfolgt wieder nach Frankreich. Nach dem Frieden wurden die Freiheitskorps wieder aufgelöst. Die entlassenen Soldaten zogen plündernd durch das Land. Zu Grefrath, am Kreuzberg, stand ein Galgen, an dem noch einige von ihnen gehängt wurden. Im Jahre 1830 wurde die Straße Köln - Düren - Aachen auf Befehl von König Friedrich Wilhelm III, erneuert. Preußische Behörden richteten in Grefrath ein Bürgermeisteramt und eine Zollstation ein.

Das Horn des Postillons verstummte, als die Postkutsche durch die Technik verdrängt wurde. Die erste Eisenbahn, eine Privatbahn, wurde in Grefrath gelegt, 1914 marschierten wiederum die Truppen im Eilschritt zur Westfront. Vier Jahre später schleppten sie sich heimwärts, zerschlagen und müde. Genau so war es 1945. Elendszüge der Zivilbevölkerung, vermische mit Truppenresten einer geschlagenen Armee überfluteten die Straße. Die Regimenter der Alliierten drängten vorwärts.

Diese Straße, die soviel Geschichte miterlebte, wird in wenigen Wochen weggebaggert sein. Das preußische Haus, Bürgermeisteramt und Zollstation, wurde bereits abgerissen. Damit verschwinden Zeugen aus der alten Zeit, eng verbunden mit der Geschichte vieler Jahrhunderte. Eine neue Straße ist im ausgekohlten Gebiet gebaut worden. Ob sie auch wieder soviel erleben wird, oder wird sie nur friedlichen Zwecken dienen?

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