Der Aufbau im Geschäftsleben

Aachener Volkszeitung vom 18.1.1947


Als am 16. November 1944 der Kern unserer Stadt in Schutt und Asche versank, sank damit in den blühenden Geschäftsstraßen auch der wirtschaftliche Mittelpunkt der Stadt in Trümmern. Die Elite der Kaufmannschaft, alle Lagerbestände und Geschäftshäuser wurden mit wenigen Ausnahmen ein Opfer des sinnlosen Widerstandes. Was die Todesstunde des grausamen 16. November verschonte und der nachfolgende Aribeschuß nicht zertrümmerte (Warenlager von Gewerbetreibenden und Geschäftsleuten an den Rändern der Stadt), fiel den durchflutenden Soldaten in die Hände. So war, als die Amerikaner am 23. Februar 1945 die Stadt endgültig in Besitz nahmen von dem ehedem blühenden Einzelhandel mit seinen ausgedehnten Lagern und gehorteten Waren nichts mehr übrig.

Unter den ersten, die die Stadt zögernd und zaghaft neubesiedelten, waren zum großen Teil Dürener Geschäftsleute, die nur ihr nacktes Leben gerettet hatten und nun ratlos vor ihren Trümmern standen. Mit dem Wettlauf um noch beziehbare Wohnungen und brauchbare Möbelstücke ging der Wettlauf der Einzelhändler um Ladenlokale und Einrichtungen analog. Das Pseudo-Recht des zuerst Dagewesenseins hob wirkliches Besitz- und Eigentumsrecht auf. Kräftige Ellbogen galten mehr als die Moral des Mein und Dein. Provisorische Behörden legalisierten diese Zustände. Daran leidet noch heute der Aufbau des Gewerbe- und Geschäftslebens in erhöhtem Maße.


LKW: Fa. Franz Brodt - Autoreparaturwerkstatt und Reparaturdienst, Meieringplatz 15 in Düren -
vor dem Krieg: Arnoldsweilerstraße 43 - Die Gebäudereste sind nicht genau indentifiziert, Stand 7/96 - Hinweise erbeten
Sammlung Stadtarchiv Düren


Die Handvoll Geschäftshäuser an den Stadträndern war schnell belegt und immer mehr entstanden die sog. Etagengeschäfte, die gewöhnlich aus einem oder zwei Zimmern bestanden und gleichzeitig als Wohnraum für den Inhaber dienten. Als nächste Etage wurden die Kellerräume unter den Ruinen bevölkert, rauchende Ofenrohre und ein provisorisches Schild verrieten, daß Kaufleute davon Besitz ergriffen hatten.

So spannte sich allmählich über den Rest der Stadt und den notdürftig hergerichteten Trümmerwohnungen wieder ein Netz von Einzelhändlern, die vorerst allerdings als einziges Kapital ihres Unternehmens ihren mehr oder weniger erschütterten Lebenswillen und vielleicht einige tausend Mark ihr eigen nannten. Die alten Geschäftsverbindungen nach draußen wurden angeknüpft und die ersten Waren rollten spärlich in die Stadt. Oberstes Gesetz war die Bedürfnisbefriedigung der neuen Bevölkerung, die immer mehr anwuchs. Die meisten waren mittellos. Erfahrungsgemäß waren es die alten Geschäfte, die auf Grund ihrer Verbindungen den Bedarf der Bevölkerung am besten decken konnten. Das war besonders in den nicht so streng bewirtschafteten Artikeln der Fall.

Diese Entwicklung der Dinge wurde nun plötzlich durch eine Tatsache gehemmt, die um so erstaunlicher war, als sie nur im Regierungsbezirk Aachen zu finden war. Alle Teile des Landes Nordrhein-Westfalen kennen keine Beschränkung in der Eröffnung von Gewerbebetrieben, lediglich der Bezirk Aachen veranlaßte Schließungen von alten Betrieben und Neueröffnungen von später Heimkehrenden wurden nicht mehr genehmigt, zum Teil aus mangelndem Bedürfnis. Dadurch kamen eine Reihe gut eingefahrener Geschäfte nicht in den Verteilungsprozeß und der Bevölkerung gingen die Vorteile der guten Geschäftsverbindungen, die diese Unternehmen gegenüber neueröffneten Geschäften hatten, verloren. Diese Tatsache wiegt um so schwerer, als wir als Notstandsgebiet anderen Teilen des Landes in der Versorgung sowieso nachhinken. Soweit die augenblickliche Bewirtschaftungsmethode überhaupt eine Privatinitiative zuläßt, wurde sie in das Geschäftsleben eingeschaltet. Trotzdem ist ein großer Teil der Kaufleute gezwungen, heute noch von der Substanz zu leben, die durch Wiedereröffnung der Banken greifbar wurde.

Bis heute haben wieder 280 Einzelhändler ihre Pforten oder Kellerlöcher geöffnet. Ein Teil davon ist allerdings nur als formelle Genehmigung zu betrachten. Der Hauptanteil der bestehenden Geschäfte fällt auf die Lebensmittelbranche, dann folgen in weitem Abstand Textil- und Eisenwaren, Möbel, Fahrräder, Tabak, Schuhe usw.

In diesem Provisorium ist das Geschäftsleben durch die Dezentralisation und die Verteilung auf die Außenteile der Stadt sehr unübersichtlich geworden. Damit hat unsere Stadt leider die Bedeutung als Verkaufszentrum für das Hinterland eingebüßt. Es bleibt die Aufgabe einer schon jetzt weitschauenden Planung, diese Einbuße durch geeignete Maßnahmen nach Möglichkeit abzuschwächen und wieder etwas wie ein Verkaufszentrum zu schaffen. Nur so wird der Dürener Einzelhandel wieder seine ehemalige Bedeutung zurückerlangen.

B.S.

© Copyright 2000 wisoveg.de

Zur Homepage