Die Wiedertäufer-Bewegung in Düren
Und Ihr Anführer Lancelot von Kettig

Dr. Otto von Fisenne, Hamburg


Die Bewegung der Wiedertäufer in Deutschland, die während der Reformationswirren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Thüringen von Thomas Münzer und in Münster in Westfalen von Jan Bockelson angeführt wurde, vermochte zeitweise auch in manchen Gegenden der Jülicher Lande und der Vordereifel Fuß zu fassen. Die in religiöser Hinsicht schwankende Haltung des Herzogs von Jülich begünstigte die Einwanderung zahlreicher Wiedertäufer aus den benachbarten Niederlanden in sein Herzogtum, die dort überall verstreut Gemeinden gründeten, welche von oftmals fanatischen Anhängern der neuen Lehre wie z.B. Johannes Campanus, Dionysius Vinne, Heinrich Stachtscaef, Hermann Staprade von Mörs und Gyß von Rothem geführt wurden. Auch in Düren siedelte sich im Jahre 1529 eine Gruppe von Wiedertäufern an, deren Oberhaupt Lancelot v. Kettig war.


Lancelot v. Kettig, zeigtgenössischer Kupferstich

Die Wiedertäufer nahmen mit ihrer Lehre eine Mittelstellung zwischen den Katholiken und Protestanten ein. Sie wurden so genannt, weil sie die Kindestaufe verwarfen und die Taufe von Erwachsenen, die „Wiedertaufe“ einführten. In Übereinstimmung mit den Lutheranern lehrten sie, daß die Bibel die einzige Grundlage des christlichen Glaubens darstelle. Doch erkannten sie nur das Neue Testament an. Weiterhin verwarfen sie die Lehre von der Erbsünde. Nach ihrer Auffassung könne in neugeborenen Kindern keine Sünde sein, da alles, was Gott erschaffen habe, gut sei. Ebenfalls lehnten sie das Trinitäts-Dogma ab. Der ewige und allmächtige Gott könne nur ein einziger sein. Sehr tiefgreifend war die Abweichung ihrer Lehre vom Abendmahl. In demselben, sagten sie, werde der Leib und das Blut Christi nicht wirklich genossen, sondern das Abendmahl sei von Christi lediglich zum Gedächtnis an seine Leiden und sein Sterben eingesetzt worden. Ebenso verwarfen sie die Beichte, da Gott allein die Sünden vergeben könne. Die „Kettisten“, wie die in Düren ansässigen Wiedertäufer nach ihrem Anführer Lancelot v. Kettig genannt wurden, lebten streng nach ihren Glaubensüberzeugungen.

  1. Wahrhafte Christen bedürfen keiner Obrigkeit, denn irdische Gesetze werden nur gegeben für die Ungerechten und Ungehorsamen.

  2. Das Neue Testament stellt nicht nur die Grundlage des christlichen Glaubens, sondern auch das irdische Gesetzbuch dar.

  3. Der Glaube allein macht den überzeugten Christen nicht selig. Er muß sich in Werken der tätigen Liebe übern. Zorn, Haß und Feinschaft sind seine erbittertsten Feinde. Der Gebrauch des Schwertes und jeglicher Kriegsführung wird deshalb untersagt.

  4. Niemandem steht auf Erden das Recht zu, einen Menschen mit dem Schwert zu richten. Die einzige erlaube Strafe auch für Verbrecher besteht in dem Ausschluß aus der christlichen Gemeinschaft.

  5. Jeder Eid ist verboten, denn in der Hl. Schrift sagt Christus: „Eure Rede sei ja, ja, nein, nein, was darüber ist, ist von Übel“ (Matth. 5,37).

  6. Unter wahren Christen hat Gemeinschaft aller Güter zu herrschen, denn die Geschichte lehrt, daß bei den ältesten Christen eine brüderliche Eintracht und eine Teilung in allen Stücken stattfand.

Besonders die Forderung der Wiedertäufer, daß ein Christ kein Eigentum besitzen dürfe, brachte ihnen viele Anhänger unter der armen Stadt- und Landbevölkerung. Als Lancelot v. Kettig seinen „christlichen Brüdern“ jedoch befahl, die Besitzenden der Stadt Düren aufzufordern, „all ihr Gut aufzugeben und ihm zu folgen“, kam es zu den ersten Unruhen. Nach einer zeitgenössischen Darstellung „liefen wilde Horden (von Kettisten) wie rasende Hunde durch die Straßen und Gassen von Düren, so daß Bürger und geistliche Herrn um ihr Leben bangen mußten“. Bald darauf kam es auch zu dem ersten Exzeß gegen die Obrigkeit. Ein paar angetrunkene Kettisten drangen in die Bürgermeisterei von Düren ein und jagten mehrere Stadträte mit Steinwürfen hinaus. In privatem Besitz befindliche Webstähle wurden mit Beschlag belegt und eine allgemeine Enteignung der staatlichen Besitzungen wurde vorbereitet. Um den immer heftiger um sich greifenden Unruhen in Düren Einhalt zu gebieten, befahl der Herzog von Jülich gegen die Wiedertäufer strafend einzugreifen. Um der bevorstehenden Verhaftung zu entgehen, floh Lancelot v. Kettig mit mehreren hundert seiner Getreuen ins Erzbistum Köln. Der damalige Kölner Kurfürst Hermann v. Wied stand auch schon vor seinem Übertritt zum Protestantismus im Jahre 1543 den Bestrebungen der Reformation wohlwollend gegenüber und gestattete den aus Düren geflohenen Wiedertäufern, sich in Andernach anzusiedeln, da ihr Anführer Lancelot v. Kettig Erbansprüche auf Burg Kray erhob, die im Laacher-See-Gebiet liegt.


Jakobstal mit Mennonitensiedlung

Seit dem Jahre 1452 war das kölnische Lehnsgut Kray im Besitz eines Johann v. Kettig gewesen, dessen Sohn Dietrich 1488 in die Rechte seines Vaters nachgefolgt war. Aus der Ehe des Dietrich v. Kettig mit Anna v. Selbach entstammten Anna und Lancelot v. Kettig. Nach dem Tode des Dietrich v. Kettig war seine Frau Anna mit ihrem Sohn Lancelot für längere Zeit nach Düren gezogen. Währenddessen hatte von Burg Kray Balthasar Boos v. Waldeck, der Ehemann der Schwester Lancelot namens Anna Besitz ergriffen. Als Lancelot, der sich in Düren der Wiedertäufer-Bewegung angeschlossen hatte, im Jahre 1530 ins Erzbistum Köln fliehen mußte und nunmehr als Erbe seines Vaters gegenüber seinem Schwager seine Rechte auf Burg Kray geltend machte, bestritt letzterer die eheliche Geburt und jegliches Erbrecht des Lancelots. Außerdem teilte er dem Kölner Erzbischof mit, daß Lancelot den rechtmäßigen Glauben der katholischen Kirche öffentlich verhöhne und dadurch Unruhe in der Bevölkerung stifte. Der Erbstreit fand jedoch bereits nach wenigen Monaten dadurch sein Ende, daß der Kölner Kurfürst das Lehnsrecht des Lancelot v. Kettig auf Burg Kray bestätigte.

Lancelots Schwager, Balthasar Boos v. Waldeck, der Kray verlassen mußte, rächte sich für diese ihm widerfahrene Unbill auf grausame Weise. Als er eines Tages von der Zusammenkunft zahlreicher Wiedertäufer im Jakobstal erfuhr, die dort in einsamer Abgeschiedenheit ihre Tauffeier im Freien abhalten wollten, überfiel er sie mit mehreren Gleichgesinnten aus dem Hinterhalt und metzelte sie nieder.

Später siedelten sich auf dem mit Wiedertäuferblut getränkten Boden des Jakobstales, das von den Rheinhöhen landeinwärts abfallende bei der Krayer Mühle ins Pönterbachtal einmündet, Mennoniten an, deren religiöse Ausgangspunkte mit den Wiedertäufern eng verwandt sind.

Simons Menno, der Stifter ihrer Sekte, hatte sich im Jahre 1536 zunächst auch den Wiedertäufern angeschlossen, war jedoch bestrebt gewesen, ihre Lehren von allen schwärmerischen Elementen zu reinigen. Zuletzt ließ er sich in der Herrschaft Fresenburg bei Oldesloe in Holstein nieder, wo er eine Druckerei zur Verbreitung seiner Schriften errichtete und am 13.1.1559 starb.

Das Jakobstal in der Eifel ist indessen noch bis zur Gegenwart von Mennoniten besiedelt. Die Familien Jüngerich, Heinemann und Schantz besitzen die Höfe des malerischen Tales und leben auch heute noch streng nach den Regeln, die Menno in seinem „Fundamentbuch von dem rechten christlichen Glauben“ (1539) aufgestellt hat. Sie besitzen in ihren Bauernhäusern separate Räume für ihre religiösen Zusammenkünfte sowie Taufbecken und beerdigen ihre Toten auf ihrem privaten Mennonitenfriedhof, der auf einem Höhenzug hinter dem Nastberg bei Eich liegt.

© Copyright *) Mit freundlicher Genehmigung Dr. Otto von Fisenne, Hamburg

Editionsvermerk:

Nach Ernst v. Oidtmann war Lancelot von Kettig, Sohn des Bruders von Anna von Kettig, Gerhard von Kettig.
Die obige Darstellung ist nicht richtig
Eingereicht von Germanus Stark, Köln

Nachweise/Quellen:

Sekundärquelle = Ernst v. Oidmann Mappe 214 (dort die Genealogie von Kettig)
Lancelot v.Ketge(Kettig) war einziger Sohn des Gerhard von Kettig.
1530 mit Kray belehnt. 1543 als Stiefsohn des Dr. Winter erwähnt.
Seine Mutter Isabeue de Turpin heiratete I. Gerhard von Kettig
(Sohn des Dietrich von Kettig und der Catharina von Selbach) und
II. Johan Winter Dr. med..

Primärquelle: Staatsarchiv Gräfl. Eltzsches Archiv zu Eltville Nr. 760

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