Mit Volldampf durch den Kreis - 150 Jahre Eisenbahn - Teil 2



Die Kühe des Bauern Bethune
Kölner Stadtanzeiger vom 10.12.1985

Ein tierisches Kapitel aus der Geschichte der Eisenbahn Köln-Aachen

Von Helmut Weingarten



Der Bahnhof Grosskönigsdorf Ende des 19. Jahrhunderts. Unweit der Station der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft lag auch das Gehöft des Bauern Bethune. Repro: Helmut Weingarten.

Als in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die „Dampfmaschinen“ zu laufen begannen und ein neues Verkehrszeitalter einläuteten, gab es nicht nur Beifall, nicht nur Befürworter. Die Eisenbahngesellschaften stießen auch auf Widerstand. Da waren zum Beispiel die Fuhrwerks-Spediteure, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlten. In Großkönigsdorf hatte der Bauer Bethune seinen Kummer mit der Bahn.

Im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf befindet sich noch ein dickes Aktenbündel aus den Jahren 1860/61, das von dem einsamen Kampf des Landwirtes mit der Rheinischen Eisenbahngesellschaft Kenntnis gibt.

Am Grundstück des Bauern Bethune führte die Eisenbahnlinie unmittelbar vorbei. Es gab lediglich eine Dornenhecke, die sein Hofgelände von den tieferliegenden Gleisen abschirmte. Um diese Einfriedigung ging es.

An die Regierung

Seinen Ärger machte Bethune im Februar 1860 in einem Brief an „Eine Königliche, Hochlöbliche Regierung zu Cöln“ Luft. Die Hecke, so schrieb er, sei in einem so desolaten Zustand, „daß sie der Bezeichnung eines Schutzmittels kaum mehr Anspruch machen kann“. Durch die „mannsbreiten Löcher an verschiedenen Stellen“ hätten sich die Arbeiter der Bahngesellschaft einen bequemen Durchlaß verschafft, um in dem ihm benachbarten Laden Branntwein und Lebensmittel einzukaufen.

Während der Stallreinigung trieb Bethune seine Kühe auf das Hofgelände. Die Öffnungen in der Hecke machten die Kühe neugierig und so kam, was der Bauer befürchtet hatte. „Ein Rind stürzte den Einschnitt herunter und ist todt geblieben.“

Aber es kam noch schlimmer, wie er der Regierung mitteilte. Als ein andermal ein Rind auf eine Öffnung in der Hecke zusteuerte, versuchte die Frau des Bauern das Tier zurückzutreiben, „Dieses aber, anstatt den Rückweg anzutreten, wagte sich, von meiner Frau fortwährend verfolgt, den einschnitt herab und kommt dort auf den Bahnkörper gleichzeitig mit einem eben durchgehenden Zug an. Meine Frau räth in die erheblichste Lebensgefahr, das Thier aber wird von der Locomotive sofort getödtet.“

Der Großkönigsdorfer Bauer rechnete mit einer Entschädigung, doch er irrte sich. Die Rheinische Eisenbahngesellschaft zeigte ihn wegen „Sperrung der Bahn“ an. Damit konnte er sich nun gar nicht anfreunden und strengte seinerseits einen Prozess gegen die Bahn an.

Vieh ohne Hüter

Die Regierung bat er um eine Ortsbesichtigung, damit sie sich von dem schlechten Zustand der Umzäunung überzeugen könne. Tatsächlich gab die „Abtheilung des Inneren“ der Bahngesellschaft die Auflage, die Einfriedigung in Ordnung zu bringen.

Am 7. Januar 1861 meldete sich auch die Rheinische Eisenbahngesellschaft bei der Königlichen Regierung. Sie gab zu, daß die Hecke „gegenwärtig nicht in bestem Zustand“ sei, dies aber sei keineswegs ein Verschulden der Bahnarbeiter. Bahnmeister Roeder, der selbst in Großkönigsdorf wohnte und die Örtlichkeiten genau kannte, schob die Schuld dem Vieh des Bethune zu, „welches in dem Hofraum und Garten ohne Hüter frei umherläuft“. Das Vieh habe die Einfriedigung durchbrochen.

Ohne Präjudiz für die beiden schwebenden Verfahren, habe man den Bahningenieur angewiesen, die „fragliche Hecke“ ausbessern zu lassen.

In diesem Sinne informierte die Regierung im März den Landwirt und machte deutlich, daß er besser auf sein Vieh aufzupassen habe. Was aus den beiden Prozessen geworden ist, läßt sich nicht mehr nachforschen. Diese Akten fehlen.

Zum Teil 3 der Serie
Zurück zur Serienübersicht

© Copyright 2001 Helmut Weingarten
©
Copyright 2001 wisoveg.de

Zur Homepage