Aus: Der Stadtverkehr, Januar 1966, Nr. 1, 11. Jg.


Die Alweg-Bahn Tokio-Haneda

Erste Erfahrungen aus 15 Monaten Betriebszeit

Die ALWEG-Bahn in Tokio *) (vgl. DER STADTVERKEHR, Heft 1/1965, Seite 24-27), eines der großen zur Olympiade 1964 fertiggestellten Bauvorhaben, hat sich nach nunmehr vorliegenden Berichten auch im Alltagsverkehr bewährt.

Nach 15 Monaten Betriebszeit sind die Verantwortlichen für diese bisher längste Einschienenbahn moderner Bauart zufrieden. Es hat keine Unfälle und ernsthaften Zwischenfälle gegeben. Die Bahnanlagen haben auch die ersten heftigen Stürme und einige kleinere Erdbeben gut überstanden; ihre Spannbeton-Konstruktionen sind für solche Belastungen berechnet. Nur einmal mußte der Betrieb für eine Stunde unterbrochen werden: Ein Schwimmkran hatte mit seinem Ausleger einen ALWEG-Zug gestreift und beschädigt. Niemand kam dabei zu Schaden.

Wirtschaftlich entspricht das Ergebnis nicht ganz den - allerdings hochgeschraubten - Erwartungen, hatte man doch mit 10 bis 14 Millionen Fahrgästen bereits im ersten Betriebsjahr gerechnet. Die Zahl ist nicht erreicht worden. Tatsächlich sind nur etwaetw 4 Millionen Fahrgäste befördert worden. (Endgültige Zahlen liegen noch nicht vor.) Es liegt auf der hand, daß dies in der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens kräftig zu Buche schlagen muß. Einige Pressemeldungen, die von einem hohen Verlust und einer Einschränkung des Verkehrsangebotes der ALWEG-Bahngesellschaft wissen wollten, geben allerdings die Situation recht unvollständig wieder. Man ist nämlich nicht in den Fehler verfallen, als Folge eines Anlaufverlustes im ersten Schreck das Verkehrsangebot einzuschränken und damit einem weiteren Fahrgastverlust Vorschub zu leisten. Im Gegenteil, die attraktive siebenminütige Wagenfolge während der Haupttagesstunden wurde beibehalten und der Fahrplan während der restlichen Tageszeit noch besser denjenigen der öffentlichen Verkehrsmittel angepaßt. Im übrigen sind die unmittelbaren Betriebskosten durch die eingenommenen Verkehrserlöse mehr als gedeckt worden. Der Verlust betrifft die buchmäßigen Abschreibungen auf das Anlagevermögen, die nur zu einem geringen Teil erwirtschaftet werden konnten. Das ist für eine Privatgesellschaft zwar bitter, abe diese „Verlustquelle“ konnte wohl kaum unerwartet entstehen und wird auch noch einige harte Anfangsjahre hindurch weiter fließen. Die gesamten Anlagekosten in Höhe von rund 218 Mio DM sind ja aus privaten Mitteln aufgebracht worden und müssen im Gegensatz zu den von der öffentlichen Hand subventionierten U- und S-Bahnen über die Fahrpreise voll amortisiert werden.

Abb. 1: Blick auf die am 28. Juni 1965 eingerichtete „Oi Horse-race Station“ der ALWEG-Bahn Tokio-Haneda

Maßnahmen zur planmäßigen Steigerung des Verkehrsaufkommens sind bereits eingeleitet worden. Hierzu gehört auch die Einrichtung eines weiteren Bahnhofs, „Oi Horse-race Station“, etwa in Streckenmitte (Abb. 1). Mit diesem einfach gestalteten Zwischenbahnhof wird ein Industriegebiet und ein nahe gelegener Pferderennplatz angeschlossen. Von den täglich 112 Fahrten in jeder Richtung zwischen den Endpunkten Hamamatsu-cho und Haneda halten hier 51 je Richtung.

Die Zahlen der Betriebsstatistik sind in nachfolgender Tabelle zusammengefaßt, die allerdings nur den Zeitraum vom 17.9.1964 bis 30.6.1965 umfaßt. Neuere Angaben liegen noch nicht vor. Es ist reizvoll, sie mit den Zahlen der Schwebebahn Wuppertal zu vergleichen, weil beide Strecken nahezu gleich lang sind. Dabei muß man selbstverständlich den unterschiedlichen Charakter der Verkehrsaufgabe berücksichtigen. Die Zahlen für Wuppertal sind den „Statistischen Übersichten 1964“ des Verbandes Öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) entnommen und auf den Vergleichszeitraum von 287 Tagen umgerechnet.


ALWEG-Bahn
Tokio

Schwebebahn
Wuppertal

Streckenlänge in Betrieb, km

13,2

13,3

Zahl der Bahnhöfe

2 [1]

18

Mittlere Reiselänge, km

13,2

4,6

Fahrzeugbestand, Wagen

33

67

Anzahl der angebotenen Plätze je Wagen
Gesamter Wagenpark

81 [2]

2676

78

5196

Wagenkilometer in 1000 [3]

3095

2190

Platzkilometer in Mio [3]

243

156

Beförderungsfälle in 1000 [3]

3056

13850

Personenkilometer in 1000 [3]

40300

66200

Platzausnutzung

16,60%

42,50%




[1] Seit 28.6. 1965 : 3.
[2] Platzangebot nach japanischen Bestimmungen errechnet; Verhältnis Sitzplätze : Stehplätze wie 1: 1,3.
[3] Bezogen auf 287 Tage; Zahlen gerundet

Für die Alweg-Bahn sind in dem betrachteten Zeitabschnitt im Fahrbetrieb rund 3,48 Mio kWh an elektrischer Arbeit verbraucht worden. Dies entspricht einem spezifischen Verbrauch von rund 78 Wh/tkm. Dieser Wert ist natürlich in Anbetracht des ungewöhnlich großen Haltestellenabstandes weder für schienengebundene Nahverkehrsmittel im allgemeinen noch für die ALWEG-Bahn im besonderen typisch. Aufgrund vorliegender Messungen und Vergleiche verbrauchen ALWEG-Fahrzeuge bei Haltestellenabständen zwischen 600 und 1500 m etwa 15 % mehr an elektrischer Energie als herkömmliche Schienenfahrzeuge unter sonst gleichen Voraussetzungen. Der höhere Rollwiderstand der Luftreifen hat demnach - im Gegensatz zu den Verhältnissen im Fernverkehr - nicht die Bedeutung, die ihm manchmal zugeschrieben wird.

Die Reifenlebensdauer beträgt nach den vorliegenden Meldungen aus Tokio im Durchschnitt 70.000 km bei den Tragreifen bis zur ersten Runderneuerung. Die Seitenreifen sind während der bisherigen Betriebszeit noch nicht erneuert worden; ihre Lebensdauer wird auf 200.000 km geschätzt. Die Tragräder sind bei den ALWEG-Fahrzeugen in Tokio in starren Achsen gelagert. Bei Drehgestellfahrzeugen, die zukünftig nur noch geliefert werden sollen, kann mit im Durchschnitt beträchtlich größerer Laufleistung der Tragreifen gerechnet werden, die etwa bei 100.000 km liegen wird.

Bei einem Vergleich der Betriebs- und Verkehrsleistungen fällt auf, daß der Betrieb der ALWEG-Bahn in Tokio mit etwa der Hälfte der Wagen rund 40 % mehr Wagenkilometer leistet als derjenige in Wuppertal. Das liegt an der verhältnismäßig hohen Reisegeschwindigkeit von 53 km/h (Wuppertal: 25 km/h), die natürlich wegen des Fehlens von Zwischenaufenthalten so hoch ist. Die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (Wuppertal: 55 km/h) wird bei der ALWEG-Bahn in Tokio im planmäßigen Verkehr aus wirtschaftlichen Gründen allerdings nicht ausgefahren. Wegen der sich ergebenden großen Umlaufgeschwindigkeit kommen die ALWEG-Fahrzeuge auf hohe jährliche Laufleistungen, die etwa bei 120.000 km für eine Dreiwagen-Einheit liegen.

Die Zahlen der beförderten Personen und der geleisteten Personenkilometer sind hingegen bei der Wuppertaler Schwebebahn weitaus größer. Das erklärt den großen Unterschied in der Platzausnutzung der beiden Verkehrsmittel. Mit mehr als 42 % steht Wuppertal allerdings weit an der Spitze aller deutschen und den meisten ausländischen Schnellbahn- (und Straßenbahn-) Betriebe, deren Platzausnutzungsziffern überwiegend unter 30 %, manchmal als Folge verbesserten Platzangebotes sogar unter 30 % liegen.

Was sind nun die Gründe für die zur Zeit noch sehr niedrige Platzausnutzung der ALWEG-Bahn Tokio - Haneda und warum glaubt die betriebsführende Gesellschaft, die Tokyo Monorail Co. Ltd., in absehbarer Zeit eine ausgeglichene Bilanz und darüber hinaus angemessene Gewinne vorweisen zu können?

Zunächst: Diese Dinge haben mit dem ALWEG-System nicht das geringste zu tun. Sie sind ausschließlich verkehrs- und wirtschaftsstruktureller Natur.

Die Inanspruchnahme der ALWEG-Bahn ist zu ihrem größeren Teil zwangsläufig an die Entwicklung des Flughafens Haneda und das dortige Verkehrsaufkommen gebunden. Der Luftverkehr innerhalb Japans soll aber nach Eröffnung der Tokaido-Schnellbahn-Linie zwischen Tokio und Osaka stark zurückgegangen sein, da die Eisenbahnreise jetzt weniger als eine Flugreise kostet und nur unbeträchtlich länger dauert. Trotzdem soll nach vorliegenden Prognosen das Verkehrsaufkommen des Flughafens Haneda bis 1970 auf das 5- bis 7fache desjenigen von 1963 steigen. Zu diesem zeitpunkt werden jährlich etwa 40 Millionen Menschen den Flughafen betreten oder verlassen, von denen erwartet wird, daß etwa die Hälfte die ALWEG-Bahn benutzen.

Ein weiteres Handikap für das öffentliche Verkehrsmittel ALWEG-Bahn war die etwa gleichzeitige Freigabe eines Teilstückes der im Bau befindlichen Autobahn Tokio - Yokohama für den Verkehr bis Haneda. Es ist natürlich für viele Fluggäste zur Zeit, d.h. solange die Autobahn noch zügig befahrbar ist, bequemer, von der Stadt her mit dem Auto zum Flughafen zu fahren anstatt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und dabei eventuell umsteigen zu müssen. Der tatsächlich vorhandene Zeitgewinn bei Benutzung der ALWEG-Bahn wird derzeit, besonders im Hinblick auf die Gesamtreisedauer bei einer Flugreise, noch nicht als entscheidend angesehen. Die größere Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrsmittels wird aber wohl zukünftig den Ausschlag zu seinen Gunsten geben, wenn die Fernverbindung der Autostraße bis Yokohama fertiggestellt ist und auf dieser Strecke mit Verkehrsstauungen zu rechnen sein wird.

Folgende Maßnahmen werden das Verkehrsvolumen und die Wirtschaftlichkeit der ALWEG-Bahn positiv beeinflussen:

Der stadtseitige Endbahnhof wird mit einem Airport-Terminal verbunden werden; außerdem sollen in unmittelbarer Nachbarschaft ein zentraler Omnibus-Bahnhof und verschiedene Neubauten für ein Handelszentrum entstehen.

Der verkehrliche Einzugsbereich der dritten bereits in Betrieb genommenen Station wird sich wegen der geplanten Neuansiedlung von Industrie mehr und mehr vergrößern.

Für die nächsten Jahre ist eine Verlängerung der ALWEG-Bahn nach Yokohama geplant. Auch damit wird selbstverständlich eine Vergrößerung des Verkehrsaufkommens verbunden sein.

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