Aus: „Der Stadtverkehr Januar 1964, 19. Jg


Die japanische ALWEG-Bahn in Nagoya

Von H. Halle

Die erste japanische ALWEG-Bahn wurde im März 1962 auf der Rhein-Park-Linie in Nagoya in Betrieb genommen. Die Bahn wurde nachdeutschen ALWEG-Lizenzen von Hitachi gebaut. Die Strecke ist 1,4 km lang und wird zwischen den Bahnhöfen Inuyama Yuen und Inuyama Zoo betrieben. Zur Zeit laufen zwei Dreiwageneinheiten, die auch in Zugsteuerung arbeiten können, zufriedenstellend auf dieser Strecke. Nach der Fertigstellung der Fahrzeuge wurde eine Reihe von Versuchen in der Fabrik und auf der Rhein-Park-Strecke durchgeführt, ehe sie für den öffentlichen Verkehr freigegeben wurden.

Wie die Typenskizze zeigt, entsprechen die Züge in ihrem Aufbau dem deutschen Vorbild und bilden eine Dreiwagen-Einheit.

Die Hauptfahrzeug-Daten der folgenden Tafel beziehen sich auf die dreiteilige Einheit:

Länge

30.800 mm

Breite

3.962 mm

Höhe (gesamt)

4.300 mm, davon
2.900 mm über Fahrbahn-Oberkante und
1.400 mm unter Fahrbahn-Oberkante

Lichte Höhe des Fahrgastraums

2.056 mm im Mittelgang

Gesamtgewicht

39,6 t

Anzahl der Türen

6 auf jeder Seite

Lichte Türweite

1.000 mm

Fahrgastzahl

195, 92 Sitz- und 103 Stehplätze

Stromschienenspannung

1,5 kV

Fahrwerk

Einachs-Radgestelle, aus Stahl geschweißt

Motorstundenleistung

4 x 70 kW - 340 V - 232 A - 1600 U min

Getriebeübersetzung

15,13 : 1

Geschwindigkeit bei Stundenleistung

22 km h

Höchstleistung

45 km h

Steuerung

Selbsttätiges motor-angetriebenes Nockenschaltwerk

Bremsen

Elektrische, pneumatische und Federspeicher-Bremse

Antrieb

Gelenkwelle

Laufräder, Treibreifen

Luftreifen 13.00-20-20 PR, 1120 mm Ø

Seitl. Führungsräder

Luftreifen 7.50-15-12 PR


Wagenbaulicher Teil

Bei den luftbereiften Wagen wurden von allen Möglichkeiten, Alu-Legierungen anzuwenden, Gebrauch gemacht. Der Wagenkasten wiegt 8,4 t und ist etwa 4 t leichter als bei Verwendung von Stahl. Die Verbindung der Bauelemente erfolgte durch Schweißung in entsprechenden Vorrichtungen und die Verbindung der Baugruppen untereinander durch Nietung. Teile, die zur Aufnahme konzentrierter Kräfte bestimmt sind, wie Radlagerung, Antriebsmechanismus und Zug- und Stoßvorrichtung, sind aus Stahl.

Um den Nutzraum möglichst weitgehend für die Fahrgäste freizuhalten, ist der maschinelle Teil unterhalb des Fußbodens im Raum beiderseitig des Fahrbalkens untergebracht und durch Schürzen geschützt. Lediglich die Laufräder ragen in den Fahrgastraum hinein. Der Antrieb der Räder erfolgt durch eine schräg aufwärts gerichtete Gelenkwelle.

Die Eigenart des ALWEG-Systems beeinflußt auch die routinemäßige Fahrzeug-Unterhaltung und Wartung des maschinellen und elektrischen Teils, die schweren Ausrüstungsteile sind deshalb so ausgebildet, daß sie mit Hilfe eines Gabelstaplers von unter her aus- und eingebaut werden können.

Weiterhin treten bei luftbereiften Fahrzeugen bei nicht einwandfreier Isolation die vom Trolleybus her bekannten Gefahren für ein- und aussteigende Fahrgäste durch Berührungsspannungen am metallischen Wagenkasten auf, die sich bei 1500 V Betriebsspannung noch stärker auswirken würden. Die Züge wurden deshalb mit einer Einrichtung versehen, welche die Wagenkästen an den Bahnsteigen während des Aus- und Einsteigens erdet.

Das Einachs-Radgestell hat Doppelluftreifen und Luftfederung und ist mit dem Wagenuntergestellt verschraubt. Bei Reifenschaden treten Vollgummi-Notlaufrollen in Aktion. Die 4 mittleren Achsen sind Treibachsen, sie werden von der schrägen Gelenkwelle über Kegelradgetriebe am Motor und an der Achs angetrieben. Eine Bremstrommel befindet sich auf der Motorwelle, und die Räder haben eine Federspeicherbremse.

Mit dem Wagen wurden umfangreiche Messungen betreffs Laufruhe durchgeführt, die durchaus befriedigten; die Schwingungen bei 40 km/h, der möglichen Höchstgeschwindigkeit, waren recht gering.



Die elektrische Ausrüstung

wurde so ausgelegt, daß der Zug auf 97 ‰ Rampe sicher anfahren und bremsen kann. Die mittlere Reisegeschwindigkeit auf der 1,4 km langen Strecke, wovon 40 % in der Neigung liegen, ist 24 km/h. Feldschwächung der Fahrmotoren wird wegen der relativ geringen Geschwindigkeiten, bedingt durch die Steigungen und Kurven, nicht angewendet. Die Fahrmotoren sind mit 3.100 kg maximaler Zugkraft so ausgelegt, daß ein Zug einen anderen vollbesetzten auf der Strecke liegengebliebenen in 97 ‰ Steigung anfahren und dabei bis zu 500 A aufnehmen kann. Ein Motor-Generator mit 1500 V - 9 kW Gs-Doppel-Kommutator-Motor primär und 100 V - 60 Hz Ws-Generator sekundär ist vorhanden. Die Spannungsregelung auf der Wechselstromseite geschieht durch einen Transistor-Regler, der bei Stromschienenspannungsschwankungen zwischen 900 und 1650 V sekundär nur ± 5 % Abweichung von der Nennspannung zur Folge hat.

Die Anfahr- und Bremswiderstände aus gewelltem Blechband sind fremdbelüftet, und zwar durch 1500 V - 2 kW - 1260 U/min - Lüftermotoren mit je einem Lüfter auf jedem der beiden Wellenenden. Alle Motoren sind von der Außenseite der Schürze für eine Wartung zugänglich.

Abb. 1: Die wichtigsten Hauptabmessungen einer ALWEG-Bahn Dreiwageneinheit, die nach deutschen Lizenzen von Hitachi Ltd. (Japan) gebaut wurde.

Die Steuerung arbeitet mit einem motorisch angetriebenen Nockenschaltwerk in Zugsteuerung für automatische Beschleunigung und Verzögerung, wobei die Bremse eine kombinierte elektrische und pneumatische Bremse ist. Die 4 Fahrmotoren liegen beim Fahren und Bremsen ständig in Reihe. Der Fahrschalter betätigt mit 4 Fahrstellungen 17 Fahrstufen und mit 3 Bremsstellungen als Gefällebremse, das Führerbremsventil 17 elektrische Bremsstufen und die Luftbremse der Verzögerungsbremse. In der Widerstandsgruppe werden die Teilwiderstände von der Mitte ausgehend nach beiden Enden hin stufenweise abgeschaltet, wodurch nur etwa die halbe Stromschienenspannung an den Kontakten der Nockenschütze auftritt. Die Ausnützung der höheren Haftreibung zwischen Luftreifen und Fahrbahn gestattet, in der Ebene mit 1,12 m/sec2 anzufahren und die Steigung von 97 ‰ zu bewältigen.

Die vom Führerbremsventil betätigte kombinierte elektrische und Luftbremse wird von einem Strombegrenzungs-Relais überwacht, insbesondere beim Übergang von einer Bremsart auf die andere. Während der elektrischen Bremsung ist der Mittelpunkt der in Reihe liegenden Fahrmotoren über die Spule des Erdungsrelais an den Wagenkasten gelegt. Diese Maßnahme halbiert das Potential der beim Bremsen erzeugten Generatorspannung gegen den Wagenkasten und erhöht so die Sicherheit der Isolation. Bei Gefällefahrt kann mittels des Fahrschalters eine der Gefälle-Bremsstufen eingeschaltet werden und auf 89 ... 97 ‰ Gefälle eine Beharrungsgeschwindigkeit von 25 ... 35 km/h gehalten werden.

Es sind folgende Sicherheits-Einrichtungen vorhanden: Der Wagenkasten des gummibereiften Fahrzeugs ist normalerweise gegen Erde isoliert. Jeder auftretende Körperschluß der Hochspannungskreise mit dem Wagenkasten wird durch ein Erdschluß-Relais festgestellt und die unmittelbare Abschaltung des hauptschalters bewirkt. Weiterhin wird durch einen besonderen Schleifschuh, der auf eine Erdungsschiene in den Bahnhöfen aufläuft, der Wagenkasten geerdet, um ungefährdetes Ein- und Aussteigen der Fahrgäste sicherzustellen. Wenn der festgelegte Haltepunkt in den Bahnhöfen aus irgendwelchen Gründen überfahren werden sollte, bewirkt eine elektronisch betätigte Notbremse das Anhalten des Zuges; ebenso wird eine Zwangsbremsung ausgelöst, wenn die Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h überschritten wird. Eine Reifenschaden-Alarm-Anlage warnt den Fahrer, wenn der Reifendruck eines Rades unter einen bestimmten Wert sinkt. Der Fahrschalter hat Totomann-Einrichtung.

Abb.2: Der erste ALWEG-Dreiwagenzug auf der steigungsreichen Strecke in Nagoya (Japan) zwischen den Bahnhöfen Inuyama Yuen und Inuyama Zoo. Diese Anlage diente zugleich als Vorbild für die gegenwärtig im Bau befindliche 13,2 km lange, zweigleisige ALWEG-Strecke zwischen Tokio, Stadtmitte und dem Flugplatz Haneda, welche Anfang September noch vor Beginn der Olympischen Spiele eröffnet werden soll.

Die Kupplung an den Stirnseiten der Züge arbeiten automatisch, d.h. sie kuppeln Zug- und Stoßvorrichtung, die elektrische Leitungen mit 50 Punkten durch silberbelegte Kontakte und die Luftleitungen. Da die Züge in etwa 10 m Höhe verkehren, werden die Kupplungen vom Wageninnern aus betätigt und gelöst. Ein automatisch schließender Deckel schützt die elektrischen Kontakte gegen Witterungseinflüsse im entkuppelten Zustand.

Die Leichtbau-Stromabnehmer zum Bestreichen der am Fahrbalken angebrachten Stromschienen arbeiten mit einem Anpressungsdruck von 13 kg, sie haben Gußeisen-Schleifschuhe. Vertikale Höhenunterschiede von 65 mm nach oben und 45 mm nach unten können beherrscht werden. Die Stromabnehmer haben doppelte Isolation durch spezialbehandeltes Holz und Porzellan-Isolatoren.

(nach Hitachi-Review Februar 1963)
H. Halle

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