Zur Geologie der Kalkmulde von Sötenich in der Eifel

Von Hans Jungheim, Erftstadt


Das Gebiet des Kreises Euskirchen hat Anteil an wichtigen geologischen Erscheinungen der Eifel, die ohne Zweifel zu den interessantesten Mittelgebirgen Europas zählt. Die Entstehungsgeschichte der Eifel ist überreich an Fakten und Daten von übergeordneter Bedeutung; ihre Erforschung, noch lange nicht abgeschlossen, liefert immer wieder neue Ergebnisse und Erkenntnisse in Geologie und Paläontologie. Die Fülle der erdgeschichtlichen Besonderheiten korrespondiert mit der Schönheit der Landschaft und ihrer abwechslungsreichen Morphologie.


Blick in einen aufgelassenen Steinbruch östlich der Urft und südlich von Sötenich, in dem die Fleringer Schichten anstehen

Neben einigen exponierten vulkanischen Bildungen als Zeugnissen der Erdneuzeit (Michelsberg) fallen im Kreis Euskirchen die vornehmlich rotgefärbten Buntsandsteinfelsen, wie sie z. B. bei Nideggen oder Mechernich anstehen, auf; ihre Entstehung fällt in die Zeit des Erdmittelalters (Trias). Ihr Alter beträgt etwa 200 Millionen Jahre. Die Bildungen zeugen von einem erdgeschichtlichen Abschnitt mit Wüstencharakter.

Die geologisch-paläontologisch interessantesten Erscheinungen im Kreisgebiet sind allerdings die Anteile an der sogenannten Kalkeifel in den Mulden von Sötenich und Blankenheim, die, ähnlich wie die sich südlich anschließenden übrigen Kalkmulden der Eifel, reich an Fossilien sind. Bei diesen Fossilien handelt es sich um die versteinerten Hartteile von Meeresorganismen, wie Korallen, Muscheln, Brachiopoden, Schnecken, Trilobiten, Seelilien u.a.

Gerade die fossilen Korallenäste und –stöcke weisen eindeutig die marine Herkunft der fossilen Fauna aus und sind augenfälliger Beweis für eine ferne Meereszeit mit einem bereits reich entfalteten Pflanzen- und Tierleben. Diese Zeit - sie trägt den Namen Devonzeit - liegt mehr als 300 Millionen Jahre zurück. Das Gebiet des heutigen Rheinischen Schiefergebirges war Teil eines tropisch-warmen Flachmeeres, im N und S von Festländern und Inseln begrenzt, deren Verwitterungsschutt, in eben diesem Flachmeer abgelagert, das Material für ein Gebirge lieferte, von dem nur noch der Sockel erhalten ist. In diesem Sockel eingebettet, stellt die Kalkmulde von Sötenich den nördlichsten Teil der Kalkeifel dar. Von NE nach SW hat sie eine Länge von mehr als 30 km. Ihre regionale Begrenzung wird in etwa durch die Orte Sötenich, Nettersheim und Eschweiler markiert.

Ihr Fossilreichtum lockt seit Jahrzehnten Sammler nicht nur aus Deutschland an. Für die Wissenschaft ist die Sötenicher Kalkmulde seit langem Studiengebiet; sie hat vor allem für den mittleren Teil des Muldengebietes eine differenzierte Schichtenfolge ermittelt und ihren Fauneninhalt beschrieben 1).


Lebensräume in der Eifeler Meeresstraße (vereinfacht nach W. Struve, 1963, unter Berücksichtigung der horizontalen Ausdehnung der einzelnen Lebensräume). - Legende: 1 = Stromatoporiden - Bankriff, 2 = Knollen - Block - Riff, 3 = Rasen - Riff und Crinoiden - Wälder, 4 = Rüben - Riff, 5 = Brachiopoden - Siedlungen.

Für den Sammler sind vor allem die Fleringer Schichten, die mit anderen Schichten in einem großen Steinbruch bei Sötenich rechts der Urft aufgeschlossen sind, lohnend. Die Fleringer Schichten sind etwa 150 m mächtig, sie beginnen mit einem Basiskalk-Horizont, auf den Wachtberg-, Zillkens- und Scheid-Horizont folgen. Nach oben schließen sich dann die fossilarmen Spickberg-Schichten an. Der eigentliche Fossilreichtum der Fleringer Schichten beginnt mit dem Wachtberg-Horizont (Mächtigkeit etwa 10 m; Gestein: Mergel, teilweise rot gefärbt und leicht dolomitisiert, und bankige Kalke).


Die Verteilung von Land und Meer im Bereich der Eifel zur Devonzeit (vereinfachte Darstellung nach W. Struve). - Legende: 1 = Meer, 2 = Festland/Inseln, 3 = Korallenriff, Dü = Düsseldorf, Kö = Köln, Aa = Aachen, Tr = Trier, Fr = Frankfurt/Main.

Der Zilckens-Horizont besteht aus dickbankigen Mergeln, hellen Mergelkalken, Fettkalken und hier und da aus Dolomiten (Mächtigkeit des Horizonts insgesamt 10-15 m). Die Mächtigkeit des Scheid-Horizontes wird auf 50 m geschätzt. Er setzt sich zusammen aus dunklen Mergeln und Kalken, hellen Fettkalken und Dolomiten.


Calceola sandalina links mit, rechts ohne Deckel

Wachtberg- und Scheid-Horizont sind die fossilreichsten Partien der Fleringer Schichten.

An häufig nachgewiesenen Arten können in den Fleringer Schichten jederzeit gefunden werden:

a) Wachtberg-Horizont

* Hexagonaria sp., koloniale Koralle,
..Calceola sandalina, solitäre Koralle
* Paracyclas proavia, Muschel
* Atrypa var. Aspera, Brachiopode
* Atrypa longispina, Br.
* Athyris concentrica, Br.
..Athyris concentrica, Br.
..Undispirifer undiferus, Br.
* Cyrtina heteroclita, Br.

b) Zilckens-Horizont

..Undispirifer undiferus, Br.
..Spinocyrtia ascendens, Br.
* Dechenella verneuili, Trilobit

c) Scheid-Horizont

* hexagonaria sp., koloniale Koralle
* Aulacophyllum looghiense, solitäre Koralle
* Stringocephalus burtini, Br.
* Atrypa lonispina, Br.
..Athyris concentrica, Br.
..Yunnanella custos, Br.
..Undispirifer undiferus, Br.
..Dechenella sperula, Trilobit

Die mit * bezeichneten Versteinerungen sind als Fundstücke besonders zahlreich vertreten.


Aulacophyllum Iooghiense

An Hohltieren (Ceolenterata) kommen sowohl Einzelkorallen z. B. Calceola sandalina, Pantoffelkoralle (nicht häufig), Aulacophyllum looghiense (sehr häufig), wie koloniebildende Korallen vor z.B. Hexagonaria sp. (wird besonders oft gefunden).


Kolonie von Hexagonaria sp.

Die Korallen sind ausschließlich Meeresbewohner. Sie existieren seit mehr als 400 Millionen Jahren. Die riffbildenden Korallen leben in der Regel bis zu einer Tiefe von etwa 50 m. Bereits im Devonmeer entstanden Korallenriffe, deren fossile Reste u.a. auch in den Kalkmulden der Eifel anzutreffen sind. So stellen beispielsweise die Dolomitfelsen von Gerolstein-Auberg. Munterley, Hustley-Teile eines Saumriffes aus dem Erdaltertum (Devon) dar, das sich bis ins Bergische Land erstreckte und dort in der Schlade, einem kleinen Trockental bei Bergisch-Gladbach, besonders gut untersucht werden kann.


Favosites polymorphus, eine fabulate Koralle, nur kolonial

In dem hier angegebenen Sötenicher Kalksteinbruch finden sich bis zu zentnerschwere Korallenstöcke aus dem Blockriffbereich und meterdicke Partien mit sog. Rasenkorallen (Disphyllum sp.) aus den Partien des Rasenriffs. Die Sötenicher Kalkmulde bietet insgesamt einen Querschnitt durch den Hauptteil eines paläozoischen Saumriffes 2) vom Stromatoporen-Bankriff (flaches, stark bewegtes Wasser als Lebensraum großer, oft kugelförmiger Stromatoporiden), über das Knollen-Block-Riff (turbulentes Wasser, Siedlungsraum von koloniebildenden Korallen wie Hexagonaria und Favosites) bis zum Rasenriff mit astförmig wachsenden Rasenkorallen (z. B. Disphyllum).


Disphyllum caespitosum (Rasenkoralle)

Die hier aufgeführten und abgebildeten Riffbauer (Stromatoporen und Korallen) können indem bereits mehrfach genannten Steinbruch, in dem nicht nur die Fleringer Schichten anstehen, gesammelt werden.

Von den Gliederfüßern erscheint dechenella verneuili, ein Trilobit, von dem allerdings zumeist nur der Schwanzschild, das sog. Pygidium, gefunden wird. Vollständig erhaltene Exemplare sind am Fundort sehr selten.


Schwanzschild von Dechenella verneuili

Die Trilobiten sind, ähnlich wie die Korallen, bereits zu Beginn des Erdaltertums vertreten, reichen über das Paläozoikum aber nicht hinaus.

Die meisten Trilobitenarten lebten am Meeresboden im Flachseebereich; dies weisen Eigentümlichkeiten ihres Körperbaus aus. Zahlreiche Arten besaßen hochentwickelte Facettenaugen, andere Arten waren „blind“.


Schnecken aus dem Eifelmeer: links Euomphalus sp., rechts Natica sp

Den größten Anteil des fossilen Faunenaufkommens am Fundort haben Weichtiere (Mollusken) und Futterfilterer (seßhafte Futtersammler). Sie sind in den drei oberen Horizonten der Fleringer Schichten reich vertreten. Eine Ausnahme bilden Schnecken und Kopffüßler (Tintenfische), die als Fundstücke selten geworden sind. An Schnecken (Gastropoda) werden hin und wieder noch Tatica sp. und Euomphalus sp. gefunden.

An Kopffüßern (Chephalopoden) kommt vornehmlich Cyrtoceras sp. in oft sehr guter Erhaltung vor.

Die Kopffüßer des Eifelmeeres (Nautiloideen und Goniatiten) zählen zu den Vorläufern unserer Tintenfische. Sie tauchen vor mehr als 400 Millionen Jahren auf und erleben im Erdmittelalter ihre Blütezeit. Von den gehäusetragenden Cephalopoden hat nur Nautilus bis heute überlebt.


Das leicht gebogene Gehäuse des devonischen Kopffüßers Cyrtoceras sp., eines Vorläufers der Tintenfische

Von den devonischen Muscheln ist vornehmlich Paracyclas proavia häufig, aber auch Solenopsis pelagica wird, wenn in der Regel auch nur in schlechter bzw. bruchstückhafter Erhaltung, gefunden.

Der Innenraum von Paracyclas proavia kommt am Fundort oft auskristallisiert vor. Hierbei sind u.a. folgende Mineralien beteiligt:

Auch Dolomit und Glaskopf (Limonit?) konnten beobachtet werden.


Stielstücke von Seelilien, oben der geschlossene Kelch der Seelilie Cupressocrinus crassus GOLDF. (Gerolstein, Dachsberg)

Die Brachiopoden - sie zählen zu den Futterfilterern - haben neben den Korallen den größten Anteil am Fossilaufkommen in den genannten Horizonten. Besonders häufig sind Atrypa var. aspera und A. longispina, beide zeigen Klappen mit besonders auffälliger schuppiger Skulptur; bei A. longispina laufen die Rippen in stachelartige Bildungen aus. Spiriferen sind am Fundort seltener vertreten.

Die Stachelhäuter (Echinodermen) liefern lediglich Stielstücke oder einzelne Stielglieder von Seelilien. Exemplare mit Kelch und Fangarmen kommen nicht vor. Als Fundgebiet für vollständig erhaltene Seelilien ist die Kalkmulde von Gerolstein berühmt geworden. Im Heimatmuseum des Kreises Daun in Gerolstein kann eine außerordentlich wertvolle, wenn auch nicht günstig ausgestellte Sammlung von Seelilien betrachtet werden. Doch kann der Fossiliensammler nicht mehr mit solchen Funden rechnen. Eine kleine Sammlung mitteldevonischer Fossilien befindet sich im Museum des Kreises Euskirchen in Blankenheim. Die Fossiliensammlung der Stadt Bergisch Gladbach präsentiert neben Versteinerungen aus allen erdgeschichtlichen Formationen eine umfangreiche Kollektion von z.T. besonders wertvollen Fossilien aus der Kalkmulde von Bergisch Gladbach-Paffrath und den Kalkmulden der Eifel.


Beispiele der Brachiopodengattung Atrypa

Mit der Betrachtung der Fleringer Schichten ist selbstverständlich nur ein kleiner Ausschnitt aus den Ablagerungen des Eifeler Korallen-Meeres - und dieser auch nur fragmentarisch - erfaßt. Erst die Fülle der noch erhaltenen Schichten, Horizonte und Folgen mit ihren Fossilinhalten vermag ein zusammenhängendes Bild in vergröbernden Umrissen zu liefern. Die Geschichte des Eifel-Korallen-Meeres ist so reich an Wechsel und Veränderung, daß man sich eher eine Aufeinanderfolge von vielen einzelnen Momentaufnahmen vorstellen muß, ehe sich - sofern überhaupt heute schon möglich - ein umfassender Überblick ergeben kann, zumal die Dauer der Meeresbedeckung auf 40 Millionen Jahre veranschlagt werden muß. Wer das Staunen verlernt hat, kann es angesichts der paläontologischen Dokumente, die unsere Eifel zu liefern vermag, wieder gewinnen.

Anmerkungen:

  1. Bruno Paulus: Das Urfttal-Profil in der Sötenicher Eifelkalkmulde (Devon), im 10. Sonderheft zur Zeitschrift DER AUFSCHLUSS, Heidelberg 1961

  2. vgl. W. Struwe: „Das Eifeler Korallen-Meer“ in SoHft. 10, DER AUFSCHLUSS 1961, S. 81 ff

Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1974

© Copyright wisoveg.de 2003
© Copyright 2003 Kreisarchiv
Zu den Euskirchener Wisoveg-Seiten
Zur Homepage