Großes Erholungszentrum bei Zülplich

Von Otto Becker

840.000 Quadratmeter großer See - Braunkohlenbagger ziehen ab


Kein Brikettrauch dringt mehr aus dem Schornstein der Brikettfabrik vor den Toren Zülpichs in Richtung Geich. Lastwagen, hochbeladen mit Brikett, sind aus dem Zülpicher Stadtbild verschwunden. Die Braunkohlenbandstraßen stehen still, Bagger und Absetzer arbeiten nicht mehr. Sie stehen am Grubenrand im ehemaligen Tagebau „Süd“ zwischen Zülpich und Lövenich und warten auf Verschrottung oder Antransport nach Belgien. 1952 wurde unterhalb des Zülpicher Weiertores im Herbst mit dem Aufschluß eines neuen Braunkohlentagebaues begonnen. 1969/70 standen die Räder still. In der Brikettfabrik und auch im Tagebau. Die in der Fabrik und in den Tagebauen, in den Werkstätten und Büros beschäftigten Männer haben inzwischen neue Arbeitsplätze gefunden.

Mit umfangreichen Rekultivierungsarbeiten ist begonnen worden. Wo einst Schaufelradbagger den Boden aufwühlten, um Braunkohle zu fördern, wo die Bandstraßen Tag und nacht die Rohkohle in Richtung Brikettfabrik beförderten, wo Bergmänner im Schichtwechsel bei Sonne, Wind und Regen unter freiem Himmel tätig waren, da sollen sich bereits in absehbarer Zeit Menschen aus den Ballungsbereichen der Großstädte erholen können. Unmittelbar vor den Toren Zülpichs entsteht ein großes Erholungszentrum mit Badesee, Strand und vielen Möglichkeiten für den Wassersport; ein Erholungszentrum auch für Angler und Spaziergänger, für Tier- und Naturfreunde. Die Ausmaße dieses Erholungszentrums zeichnen sich jetzt bereits ab. Und auch auf der anderen Seite von Zülpich, zwischen Geich und Füssenich, wo vor Jahren die Victor Rolff KG ihren Haupttagebau hatte, werden sich die Menschen bald an einem großen See erholen können. In ein paar Jahren wird kaum noch etwas im Zülpicher-Land an den Braunkohlenabbau erinnern. Man wird dann den Kindern sagen müssen, daß dort, wo dann geschwommen, gerudert und gesegelt wird, von 1952 bis 1969 Braunkohle aus dem Boden geholt worden ist, und daß in der Fabrik bei Geich, in der inzwischen die Euskirchener Maschinenbaufirma Trennjäger einen Zweigbetrieb eingerichtet hat, Brikett gepreßt worden sind.


Auch Campingplatz

Unter der technischen Leitung von Ingenieur Gerhard Norbutat werden werden noch bis zum Frühsommer 1971 etwa 50 Männer der Victor Rolff KG mit den Rekultivierungsarbeiten im früheren Tagebau „Süd“ zwischen Zülpich und Lövenich beschäftigt sein. Bis Ende September dieses Jahres waren rund 50.000 Kubikmeter Mutterboden bewegt worden, um Böschungen zu schaffen. Campingplatz und Liegewiesen, zusammen fast 100.000 Quadratmeter groß, sind fertig und können noch vor Einbruch des Winters mit einer Klee- und Lupinen-Mischung eingesät werden. Später wird dann eine Grassamen-Mischung zugegeben.

Der an der Westseite des früheren Tagebaues gelegene Badestrand, rund 44.000 Quadratmeter groß, ist ebenfalls nahezu fertig. Sobald das Wasser steigt, wird die Victor Rolff KG Sand anfahren lassen, damit die Freunde des Schwimmsports am Strand über Sand gehen, oder die „Sonnenanbeter“ auf Sand liegen können. Bis zum späten Abend wird der windgeschützt liegende Strand Sonneneinstrahlung haben. Er bietet einigen Tausend Badefreunden Platz.


So sieht das weite Grubenfeld im Augenblick noch aus

Für motorisierte Besucher wird es zwei große Parkplätze geben. Zusammen sind sie rund 27.000 Quadratmeter groß. Rechnet man Campingplatz, Liegewiesen und Badestrand zusammen, dann bietet die Fläche 10.000 und mehr Erholungsuchenden Platz. Damit dürfte Zülpich ein besonderer Anziehungspunkt für den Naherholungsbetrieb werden. Das dürfte vor allem für Zülpichs Geschäftswelt von Interesse sein.


Großer See

Schon jetzt sammelt sich im ehemaligen Tagebau „Süd“ das Wasser an, gespeist aus dem Vlattener Bach. Aber noch vier Jahre wird es nach Angaben eines Grubensprechers dauern, bis der See bei Zülpich seine endgültige Höhe (154 über NN) erreicht haben und eine Ausdehnung von 840.000 Quadratmetern haben wird. Er wird also in seiner Ausdehnung den „Lido“ bei Liblar übertreffen und damit der größte See im Kreis Euskirchen sein. Auch das beweist, welche Bedeutung dem Erholungszentrum bei Zülpich zukommen wird. Schon jetzt sind am See bei Zülpich Wildenten, Wildschwäne, Möwen und andere Wasservögel heimisch geworden. Für sie wird eigens am Osthang eine kleine Insel geschaffen, auf der sie ungestört nisten können.

Auch an die Spaziergänger ist gedacht worden. Rund um den See führt ein Weg, der eigens für Spaziergänger angelegt worden ist. Etwa 90 Minuten braucht man, um rund um den See zu wandern. Sicher werden an diesem See auch Sportangler stille Ecken finden können.


Am Grubenrand stehen Bagger und Absetzer. Sie werden verkauft und zum Teil verschrottet.

Bei der Rekultivierung des Geländes, vor allem aber bei der noch in diesem Jahr beginnenden Bepflanzung, wird nach Plänen von Oberforstmeister Scheplitz aus Düren vorgegangen, der seine Pläne mit der Landwirtschaftskammer, Forststellen und anderen Behörden abgestimmt hat. Rund um den See wird ein Mischwaldgebiet entstehen, werden Bäume und Sträucher gepflanzt, die verhältnismäßig schnell wachsen und zum Bild der Eifellandschaft passen. Das gesamte Gelände untersteht vorerst noch der Aufsicht der Bergbaubehörde. Mit Nachdruck setzt sich der Zülpicher Stadtrat dafür ein, daß es in öffentliche Hand übertragen wird. Nicht zuletzt, um privater Geschäftemacherei vorzubeugen.


Zweiter Badestrand

Auch der Füssenicher Gemeinderat bemüht sich darum, am Braunkohlensee unmittelbar hinter der Füssenicher Schule und dem Eulenberg einen Badestrand anlegen zu dürfen. Vertreter der Bergbehörde, des Großen Erftverbandes, und der Kreisverwaltung Düren haben diesem Plan bereits grundsätzlich ihre Zustimmung gegeben. Mit einem Kostenaufwand von 1,1 Millionen DM möchte der Große Erftverband den See bei Füssenich zu einem Rückhaltebecken ausbauen lassen. Für 4,9 Millionen DM will der Erftverband außerdem den Neffelbach ausbauen lassen. Nach Angaben von Dr. Lindner vom Großen Erftverband ist eine Brauchwassernutzung des im See bei Füssenich angestauten Wassers vorgesehen. Auf die industrielle Entwicklung des angrenzenden Raumes müsse demnach bei künftigen Plänen Rücksicht genommen werden.

Die Vertreter der Victor Rolff KG schlugen den Füssenicher Vertretern vor, den Badestrand nicht am Westufer, sondern am Ostufer anlegen zu lassen. An dieser Stelle sei nicht mit Schwemmgut zu rechnen. Außerdem sei dort eine flachere Uferböschung vorhanden.


Die Steinbachtalsperre hat wieder ein sehr großes Schwimmbad erhalten

Einig waren sich die Vertreter des Großen Erftverbandes, der Victor Rolff KG und der Kreisverwaltung Düren darin, daß der See bei Füssenich und eine entsprechend große Uferfläche möglichst bald in öffentliches Eigentum übergeführt werden sollten. Das vor kurzem eingeleitete Flurbereinigungsverfahren Rövenich/Zülpich biete die beste Gelegenheit dazu.

Schon in diesem Sommer ist an heißen Tagen im Braunkohlensee bei Füssenich geschwommen worden. Täglich sind am See Angler anzutreffen. Der Fischereiverein Zülpich hat das Gewässer für seine Zwecke gepachtet und Fische eingesetzt.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1971

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