Erinnerung an „Donatus

Zülpich - Liblar - Bliesheim

Von Fritz Wündisch

Vor hundert Jahren wurden die Braunkohlevorkommen des Rheinischen Reviers fast überall durch „Klüttenbäcker“ abgebaut, die nach Altväter Weise mehr schlecht als recht in kleinen Kuhlen- oder Tummelbauen wühlten. Nur wenige Männer gab es, die sich den Kopf zerbrachen, wie man die Braunkohle wirtschaftlicher gewinnen und verwerten könnte. Zu diesem im Revier damals sehr seltenen Männern mit Initiative gehörte der Friedensrichter Friedrich Doinet in Zülpich. Seine Grube Eustachia war ein zwar bescheidener, aber für jene Zeiten mustergültig arbeitender Tiefbaubetrieb; seine ebenso eifrigen wie erfolglosen Bemühungen, Knet- und Preßmaschinen zu konstruieren, wurden in Fachzeitschriften anerkennend erwähnt. Dieser Amtsrichter und Bergwerksbesitzer Doinet reichte am 20. September 1857 eine Mutung auf ein Braunkohlenfeld bei Liblar ein, das er nach dem Heiligen, aus dessen Namen er seinen Familiennamen ableitete, Donatus nannte.

Wie kam Doinet zu eine Mutung in dieser Gegend? - Nun, kurz vorher hatten die Westmächte - Frankreich, England und Sardinien, die Keimzelle des späteren Königreiches Italien - gegen Rußland Krieg geführt. Dadurch waren, wie das so in Kriegszeiten zu geschehen pflegt, in ganz Europa die Rohstoffe, besonders Eisen und Kohle, knapp und teuer geworden, und kluge Leute hatten begonnen, überall nach bisher ungenutzten Bodenschätzen zu suchen. Und da man auf dem Rücken des Vorgebirges an vielen Stellen Eisenerz - Ortstein und Sphärosiderite - findet, hatte Doinet dort auf Eisenerz schürfen lassen. Das Erz, das er fand, erwies sich zwar als wertlos, aber dafür stieß er auf reiche Braunkohlenlagen.

Weitblickend wie er war, erstreckte Doinet seine Mutung gleich auf ein Feld von über 2600 Hektar, das von Berrenrath bis zu der Brühl-Weilerswister Landstraße reichte. Das war aber der Bergbehörde, die nach dem damals geltenden Bergrecht die Größe eines Feldes nach freiem Ermessen festsetzen konnte, doch etwas zu viel. Nach langen Verhandlungen wurde Doinet am 5. Februar 1861 die Braunkohlenkonzession Donatus in einer Größe von rund 340 Hektar verliehen.

Im Jahre 1861 war aber die Konjunktur für Braunkohle längst wieder vorbei. Steinkohle von der Ruhr drang unaufhaltsam ins Revier ein und nahm den Klütten nach und nach alle guten Märkte ab. Die meisten Braunkohlengruben mußten um ihre nackte Existenz kämpfen; an eine Erschließung neuer Gruben war nicht mehr zu denken. Voller Sorgen um das Schicksal seiner Grube Eustachia konnte sich Doinet nicht mehr um das mühsam erstrittene Feld Donatus kümmern.

Zehn Jahre später lösten die 5 Milliarden Goldfranken, die Frankreich als Kriegsentschädigung zahlen mußte, in dem jungen Deutschen Reich eine bisher noch nie dagewesene Hochkonkunktur aus. Unzählige Firmen wurden gegründet und Vermögen wurden über Nacht gewonnen und wieder verspekuliert. Doinet beteiligte sich nicht an diesem fieberhaften Treiben; er war zu alt dafür. Am 28. Dezember 1872 verkaufte er das Feld Donatus an einen Josef Porcher in Bonn. Dieser verkaufte es weiter an einen Henry Hahn aus London, und dieser brachte es ein in eine neugegründete „Rheinische Actien-Gesellschaft für Braunkohlen-Industrie“. Hahn scheint aber ein etwas zwielichtiger Geschäftsmann gewesen zu sein. Es kam zu langwierigen Prozessen zwischen ihm und Porcher, die schließlich damit endeten, daß am 13. Oktober 1887 das - immer noch unverritzte - Feld Donatus öffentlich versteigert wurde. Meistbietender blieb mit 30.000 Mark der Fabrikant Ernst Leutert aus Giebichenstein bei Halle (Saale).

So war nun endlich das Feld Donatus in die Hände eines Mannes gekommen, der etwas damit anzufangen wußte. Leutert besaß im Hallischen Revier eine gutgeführte Braunkohlengrube mit Brikettfabrik; wie Hermann Gruhl wollte er seine Erfahrungen ins Rheinland übertragen. Zur Verstärkung seiner Kapitalgrundlage schloß er sich am 13. Februar 1889 mit einer Witwe Prang aus Xanten und einem Kaufmann Balthazar aus Köln zu der Gewerkschaft „Brühl-Kölner Braunkohlenbergwerk Donatus“ zusammen.

Jetzt konnte der Aufschluß der Grube beginnen. Er stellte den Betriebsführer, Obersteiger Troschke aus Senftenberg (Niederlausitz), vor beträchtliche Schwierigkeiten. Eine Zeitlang mußte unterirdisch, aus Schrägstollen, gefördert werden. 1891 wurde der vom Revierbeamten sehr empfohlene Steiger Martin Dasbach, der bis dahin auf Grube Brühl tätig gewesen war, nach Donatus übernommen. Als Betriebsdirektor setzte Leutert seinen Schwiegersohn, den Premierlieutenant Gustav Wendt, ein. Die Villa „Glück Auf“, die sich dieser am Bahnhof Liblar bauen ließ, diente später der Gemeinde und dem Amt Liblar als Rathaus.

Die Eröffnung des Betriebs Donatus war für den Liblar-Bliesheimer Raum, in dem es bis dahin noch keinerlei Industrie gab (die Brikettfabrik Liblar wurde erst zehn Jahre später errichtet), und dessen Bevölkerung sehr ärmlich lebte, ein wahres Geschenk des Himmels. Obwohl anfangs für eine zwölfstündige Schicht mit zwei Stunden Pause alles in allem nur ein halber Taler bezahlt wurde, war die Nachfrage nach Arbeit jahrelang größer als die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze. Erst als die Belegschaft von 59 Mann (1891) auf 458 Mann (1895) und gar auf 747 Mann (1900) verstärkt wurde, erst dann stieg der Schichtlohn von 1,50 Mark (1891) allmählich auf 3,30 Mark (1900). Seit der Jahrhundertwende, als auch die Fabrik Liblar eröffnet und die Grube Brühl vergrößert worden waren, reichten die in näherer Umgebung wohnenden Arbeitskräfte nicht mehr aus. Arbeitskräfte von auswärts mußten angeworben werden, zu deren Unterbringung nach und nach die für jene Zeiten vorbildliche Siedlung Donatus-Dorf gebaut wurde.

Im Jahre 1895 faßte die Gewerkschaft Donatus einen epochemachenden Entschluß: Sie setzte - erstmals im Revier - in ihrem Abraumdienst einen Bagger ein. Damals war gerade der Kaiser-Wilhelm-Kanal fertig geworden, der quer durch Holstein die Ostsee mit der Nordsee verbindet. Bei Aushebung dieses Kanals hatten einige von der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft gebaute Bagger gute Dienste geleistet. Einen dieser Bagger - man nannte sie damals noch „Excavatoren“ - kaufte nun Donatus an. Es war ein kleines Gerät, das höchstens 180 cbm in der Stunde schaffte, aber es bewährte sich so gut, daß zwei Jahre später noch ein zweiter LMG-Bagger eingesetzt wurde. Diese beiden unscheinbaren Excavatoren waren die „Ahnherren“ all der riesigen Geräte, die heute im Revier als „stählerne Sklaven“ unzähligen Männern die schwere Handarbeit abnehmen.

Von 1899 bis 1916 besorgte die Firma Döring & Lehmann aus Helmstedt die Abräumung. So wie seinerzeit die Ribbertwerke aus dem Abraum ihrer Grube Kendenich die Erdmassen geliefert hatten, die man zum Bau des Kölner Hauptbahnhofs brauchte, so lieferte Donatus im Jahre 1901 über 600.000 cbm für den Güterbahnhof Köln-Eifeltor.

Doch noch einmal zurück zu den Anfängen: Ende 1892 war die mit Schulz'schen Röhrentrocknern und drei Pressen ausgerüstete Fabrik betriebsfertig geworden; zu Weihnachten 1892 wurden die ersten Donatus-Briketts gepreßt. Anderthalb Jahre später verlegte Leutert seine Giebichensteiner Fabrik mit vier Pressen nach Donatus. Ende 1898 kam eine dritte Fabrik mit sieben Pressen in Betrieb. Im Jahre 1899 wurden schon rund 170.000 t Briketts hergestellt.

Das war für die damaligen Zeiten eine sehr beachtliche Produktion. Sie zu verkaufen - zu lohnenden Preisen zu verkaufen! War gar nicht einfach. Waren doch in dem vorangegangenen Jahrzehnt so viele neue Fabriken errichtet worden, daß die jährliche Brikettproduktion des Reviers von 123.000 t (1890) auf 1.275.000 t (1900) stieg. Das war weit mehr als die Verbraucher, die sich nur langsam an die „neumodischen“ Briketts gewöhnten, abnehmen wollten. So war zwischen den einzelnen Braunkohlengruben, deren jede ihre eigene Fabrikmarke hatte, ein verbissener, mit allen Mitteln geführter „Kampf um den Kunden“ entbrannt.


Einstige Klüttenherstellung in Liblar

In diesem Kampf erwies sich Willy Daelen, der seit 1894 kaufmännischer Direktor von Donatus war, als eine wahre „Verkaufskanone“. Als erster ersann er ein Werbeverfahren, das heute von allen Markenartikelfirmen angewandt wird: die Dauerberieselung der Verbraucher mit Werbeversen. Tag für Tag brachten damals die Kölner Zeitungen einen Vers, der die einzigartigen Vorzüge der Donatus-Briketts pries. Diese Donatus-Verse waren kleine edle Poesie, man lachte über das „jecke Gedöhns“, aber sie hämmerten den Begriff „Donatus-Brikett“ in das Bewußtsein weitester Kreise ein. Ein Vers wie

„Heiz' nur mit Donatus-Bri-
ketten, sie enttäuschen nie!“

ist so unsagbar schön, daß man ihn nie wieder vergißt. Das Donatus-Brikett wurde volkstümlich wie später „Persil“ oder „Kukirol“.

Auch musikalisch wurde der Krieg geführt: Als die Gewerkschaft Roddergrube eine „Briket-Polka“ mit dem Text „... und das beste jetzt, sind GR-Brikets“ auf tausend Flugblättern verteilte, ließ Daelen schleunigst einen „Brikett-Walzer“ komponieren, mit dem er sich die Herzen der Hausfrauen eroberte. - Über solche Werbung lächeln wir heute. Und doch hat noch zu Anfang der 1920er Jahre die American Fruit Company sich durch den einen Schlager „Ausgerechnet Bananen!“ den deutschen Markt erschlossen.

Um die Jahrhundertwende sahen dann aber die meisten leitenden Männer der Braunkohlenwerke allmählich ein, daß dieser Kampf aller gegen alle ebenso kostspielig wie sinnlos war. Nach zähen Verhandlungen schlossen sich Ende 1899 etwa zwei Drittel der Revierwerke zu dem „Verkaufsverein der Rheinischen Braunkohlenbriket-Werke“ zusammen, einem Syndikat, das ab 1. April 1900 die Produktion seiner Mitglieder einheitlich verkaufte. Die Briketts sollten mit der Einheitsmarke UNION gepreßt werden; in gewissem Umfange durften die Werke aber auch noch ihre eigenen Fabrikmarken führen. In diesem Verkaufsverein hatte Donatus gleich den beiden größeren Revierwerken Roddergrube und Gruhlwerk eine Quote von 16,04 Prozent.

In dem zweiten von sämtlichen Revierwerken unterzeichneten Syndikatsvertrag, der am 1. April 1904 in Kraft trat, verpflichteten sich dann die Werke, ihre Briketts nur noch mit der Marke UNION nach einheitlichen Normen zu pressen; lediglich Roddergrube und Grube Brühl behielten einige Sonderrechte. Damit verschwand die mit soviel Mühe und Kosten eingeführte Marke „Donatus“ vom Markt.

In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts erfuhr die Gewerkschaft Donatus auch starke innere Veränderungen: Ernst Leutert, der Gründer des Werks, war gestorben. Sein gleichnamiger Sohn und Erbe, Professor der Ohrenheilkunde an der Universität Gießen, hatte zwar den Vorsitz im Grubenvorstand übernommen, konnte sich aber kaum mehr um den Betrieb kümmern. Gustav Wendt hatte sich auf sein Gut bei Lübeck zurückgezogen und ließ sich fast nie in Liblar sehen. Auch Kommerzienrat Reichard aus Neuwied, der 1902 mit 152 Kuxen der Hauptgewerke war, sah in seiner Beteiligung nicht viel mehr als eine gute Kapitalanlage. Die Donatus-Kuxe wurden lebhaft an der Börse gehandelt und wechselten oft ihre Besitzer. So fiel es Carl Gruhl nicht allzu schwer, in den Jahren 1904/05 nach und nach 326 Kuxe aufzukaufen und sich damit einen beherrschenden Einfluß auf die Gewerkschaft zu verschaffen.


Auf diesem Briefkopf vom „Brühl-Kölner Braunkohlenbergwerk Donatus“ ist auch (unten links) Oberliblars einstiges „Donatus-Dorf“ abgebildet

Unter Einfluß vereinbarten im Herbst 1907 die Gruhlwerke GmbH und die Gewerkschaft Donatus, sich mit Wirkung vom 1. April 1907 zu einer Aktiengesellschaft zusammenzuschließen, an der die Gewerken von Donatus zu 38 % und die Gesellschafter des Gruhlwerks zu 62 % beteiligt sein sollten. Diese Vereinbarung wurde durch die a. o. Gewerkenversammlung Donatus vom 11. November 1907 mit allen anwesenden 959 Stimmen genehmigt, denn mittlerweile hatte sich bereits ein größerer Zusammenschluß angebahnt: Noch im November 1907 beschlossen die Fortuna AG., die Gruhlwerke GmbH und die Gewerkschaft Donatus, sich zu der am 4. Januar 1908 gegründeten Rheinischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau- und Brikettfabrikation (RAG) zu vereinigen, die seit dem 1. April 1908 ihren Sitz in Köln hat. Damit wurden die Grube und die Fabriken der Gewerkschaft Donatus zu Betriebsabteilungen der RAG. Ihre weitere Entwicklung kann hier nur kurz skizziert werden; sie unterscheidet sich nur wenig von den Schicksalen anderer Gruben und Fabriken des Südreviers.

1917 feierten die ersten fünf Arbeiter ihr 25jähriges Dienstjubiläum. 1926 mußte Fabrik I und 1930 Fabrik II wegen Überalterung stillgesetzt werden. 1932 stellte man den Kettenbahnantrieb auf Großraumförderung um. 1940 wurde eine Lehrstrecke eingerichtet, da die im Tagebau gewinnbaren Kohlevorkommen allmählich zur Neige gingen.


Die ehemalige Grube Donatus

Im Jahre 1944 war es dann soweit, daß aus dem Tagebau Donatus nicht mehr genug Kohle zur Versorgung der Brikettfabrik gefördert werden konnte. Deshalb verpachtete die RAG die gesamten Anlagen an die Roddergrube, und diese belieferte die Fabrik aus ihrem benachbarten Tagebau Brühl. Die Donatus-Belegschaft trat in die Dienste der Roddergrube.

Die letzte Kohle aus dem Tagebau Donatus wurde 1948 gefördert. Ab 1947 erweiterte man die Lehrstrecke zu einem regelrechten Tiefbaubetrieb, in dem zeitweise bis zu 200 Mann arbeiteten, um Erfahrungen zu sammeln, wie die tiefliegenden Flöze des Reviers gewonnen werden könnten. Dieser „Donatus-Tiefbau“ blieb aber ein - recht kostspieliger - Versuch, da die Maschinenindustrie mittlerweile Geräte konstruierte, mit denen man auch in größeren Tiefen Tagebau treiben kann. Seit etwa 1952 steht es fest, daß ein hochmechanisierter Tieftagebau größere Fördermengen bringt und wirtschaftlicher arbeitet als ein noch so guter, aber im wesentlichen doch auf Handarbeit angewiesener Tiefbau. Darum wurde Donatus-Tiefbau im Jahre 1952 stillgelegt.

Seit Ende 1957 wurde auch die Brikettfabrik Liblar voll von Grube Brühl aus beliefert. Der hier noch anstehende Kohleblock - im wesentlichen der Damm, auf dem früher die Bundesbahn lief - reichte aber nicht mehr zur Versorgung zweier Fabriken aus; er glich einer schmelzenden Eisscholle, deren Tragfähigkeit immer rascher nachläßt. So mußte dann auch die Fabrik Donatus ihren Betrieb einstellen. Am 30. Juni 1959 wurde das letzte Donatus-Brikett gepreßt. Die Belegschaft wurde von anderen Betrieben der Roddergrube übernommen.

Damit war eine Zeit zu Ende gegangen, die Liblar und Bliesheim aus ärmlichen, weltentlegenen Dörfchen zu stattlichen, wohlfundierten Gemeinden aufblühen ließ. Viele Millionen Mark sind in Gestalt von Löhnen und Steuern von Donatus aus ins Land geflossen und haben weithin Handel, Gewerbe und Landwirtschaft befruchtet. Unzähligen Menschen ist die auf Donatus geleistete Arbeit zugute gekommen. Möge das Werk, das seit 1959 endgültig der Vergangenheit angehört, allen in guter Erinnerung bleiben!


Letzte Schicht auf Grube „Donatus“. In der Frühe des 1. Juli 1959 verließ die Belegschaft nach einer Nachtschicht für immer das Fabrikgelände.

Werbespruch vom November 1900:
„Willst du gut und billig kochen,
mußt du nur „Donatus“ stochen!“

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1964

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