„Der sehr jeehrter, jnädiger Herr Kopf“

Eine Erinnerung an die Hubertus-AG.
Von Dr. Ernst Winter

Der stürmische Aufschwung der Braunkohlen-Industrie hatte die biederen Bauern der Gegend zwischen Liblar und Kierdorf ein wenig überrumpelt.

Über Nacht wurden dies verdutzten Ackerleute damals vor eine völlig veränderte Situation gestellt. Vor ihren Augen erstanden mächtige Fabriken, aus allen Gegenden der Welt kamen Arbeiterkolonnen und begannen, die Erde umzukrempeln.

Es dauerte eine geraume Weile, bis die Bauersleute sich mit der neuen Entwicklung abgefunden hatten und Geschmack an der Sache bekamen, weil sie merkten, daß man dort wirklich gutes Geld verdienen konnte, wenn man sich als Arbeiter verdingte.

Nicht ganz so schnell aber konnten sie sich in ihrer Lebensart und Sprache umstellen und fühlten sich ziemlich befangen, wenn sie gelegentlich einmal mit einem von „dä huuhe Hääre“ zu tun hatten, womit die Betriebsleiter und Direktoren gemeint waren. Nun wurde anläßlich irgendeiner Feier eine Gruppenaufnahme von den leitenden Angestellten der „Hubertus-AG“ gemacht. Ein paar Tage später zeigte der technische Direktor das wohlgelungene Foto einem körperbehinderten Invaliden, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, die Büros sauberzuhalten und zur Pause Kaffee auszuschenken.

„Nun, Matthes, wen erkennst Du denn auf dem Bild?“ fragte der Direktor.

„All“, platzte der Matthes heraus und zeigte der Reihe nach auf die verschiedenen Personen, die auf dem Foto verewigt waren: „Dat es dr Obersteiger X! Dat es dr Inschenjör Y! On dä do, dat es dr Z! On hee ...“ Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Bild und befleißigte sich ungewohnter Vornehmheit: „... On he, dat es Ihr sehr jeehrter, jnädiger Herr Kopf“, sagte er und wies auf den abgebildeten Kopf seines Direktors.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961

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