125 Jahre Zuckerfabrik in Elsdorf

Von Dietmar Kinder, Elsdorf - Heppendorf

Am 19. April 1995 feierte die Firma Pfeifer & Langen das 125jährige Bestehen ihres Unternehmens, ein Jubiläum, daß eng mit Elsdorf und unserer ganzen Region verknüpft ist. Die wenigsten Kölner, und erst recht die Menschen sonstwo in Deutschland, werden wohl an Elsdorf denken, wenn sie irgendwo im Warenhaus oder auf einem LKW, die beiden Zuckerhüte, die an die beiden Kölner Domtürme erinnern, mit dem Namen „Kölner Zucker“ lesen. Und doch basiert der Erfolgs dieses, weit über Deutschland hinaus bekannten Unternehmens, auf der Zuckerfabrik, die im Jahre 1870 hier in Elsdorf begründet wurde. Dieser Fabrik verdankten und verdanken bis heute viele Bauern und Arbeiter in Elsdorf und Umgebung ihre wirtschaftliche Existenz.

Und auch heute noch ist die Firma Pfeifer & Langen der mit Abstand größte Gewerbebetrieb in unserer Gemeinde. Daß das nach wie vor so ist, wird jedem Elsdorfer, auch jedem Neubürger, spätestens im Frühherbst eines jeden Jahres klar, wenn die Bauern aus allen Himmelsrichtungen mit ihren Rübenfuhrwerken nach Elsdorf einströmen, und es allenthalben nach „Zuckerknollen“ riecht. Dieser Geruch, der je nach Windrichtung in jedem Ortsteil unserer Gemeinde zu vernehmen ist, mag dem einen oder anderen nicht immer angenehm sein. Vielen anderen dagegen vermittelt er auch ein anheimelndes Gefühl, denn er erinnert stets an die Kindheit, wo man ab und zu auf den damals noch mit Pferden bespannten Karren und Wagen, mit zur Zuckerfabrik fahren durfte. Es gibt überhaupt viele Kindheits- und Jugenderlebnisse, die mit dem zuckerrübenanbau, bis zur Fahrt zur Fabrik, zusammenhängen. Vom „Knolle-einzelne“ (Rüben einzeln) an den oft schon sehr heißen Tagen im Mai, wo Rückenschmerzen und Sonnenbrand eine Rolle spielten, bis zum „Knolle-opwirpe“ (Rüben von Hand auf Haufen werden) im Herbst, wo abends ebenfalls der Rücken weh tat, was aber auch einen gesunden Hunger bewirkte.

Bei solchen Arbeiten wurden noch in den 50er bis Anfang der 60er Jahre die Kinder mit herangezogen. Nur beim „Knolleoplahde“ (Rüben auf die Karren und Wagen von Hand, mit speziellen Gabeln, aufladen) schauten sie meist zu, denn diese Arbeit war für sie dann doch zu schwer. Besonders die Pferde hatten es in dieser Zeit nicht leicht, wenn sie die mit ihren Rädern tief eingesackten, schwer beladenen Fahrzeuge, von den im Herbst meist nassen Feldern, ziehen mußten.

Für die Bauern waren als Futter für die Kühe, die vorher abgeschnittenen Rübenblätter bzw. die nassen oder trockenen Zuckerrübenschnitzel von Bedeutung, die sie hinterher von der Fabrik abholten. Und für die Menschen war „Krock“ (Rübenkraut) als Brotaufstrich damals nicht wegzudenken. Man sieht also, welchen Stellenwert der Zuckerrübenanbau bis in jede Familie hinein hatte, auch wenn sie keine Landwirtschaft mehr betrieb.

Somit ist die Geschichte der Elsdorfer Zuckerfabrik immer auch eine Geschichte Elsdorfs und der Menschen in den letzten 125 Jahren. Auch wenn heute kontrovers über den gesundheitlichen Aspekt des Zuckers, bzw. über den ökologischen der Zuckerrübenpflanze, diskutiert wird, so gilt der aus Rüben gewonnene Zucker als ein nicht mehr wegzudenkendes Nahrungsmittel, das in vielen Produkten vorhanden ist, die wir nahezu alle (manchmal sogar allzusehr) gerne mögen.




Bildbeschreibung: Zucker und Honig sind die süßesten Geschenke der Natur. Jahrhundertelang war der aus tropischem Rohr gewonnene Zucker ein Luxus, den sich nur Wohlhabende leisten konnten. Zucker wurde sogar als Arzneimittel in kleinen Mengen an Kranke verkauft. Erst nachdem Zucker in der Zuckerrübe entdeckt wurde, konnte er zum Genuß- und Nahrungsmittel für die Allgemeinheit werden.

Bei der nun folgenden Abhandlung über die Geschichte der Firma Pfeifer & Langen, und somit die der Elsdorfer Zuckerfabrik, werden Anfang und erste Entwicklungsphase einen breiteren Raum einnahmen; gerade die Gründerzeit ist ein wichtiger historischer Abschnitt auch der Gemeinde Elsdorf.

„Die 100jährige Firmengeschichte von Pfeifer & Langen kann nur recht dargestellt werden, wenn man sie unter politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten sieht, unter denen es sich zu behaupten gilt“, heißt es eingangs in der Chronik zum 100jährigen Bestehen des Unternehmens im Jahre 1970, die auch dieser Berichtsserie in weiten Teilen zugrunde liegt. Gemeint ist damit zunächst einmal der Staat mit seinen wechselnden Staatsformen über die Monarchie, die Weimarer Republik, die Diktatur des Nationalsozialisten bis hin zur parlamentarischen Demokratie heute. Entsprechend sind gleitend und überschneidend die ebenfalls Wechseln unterworfenen wirtschaftlichen Verhältnisse. Neben den technischen Fortschritten und Weiterentwicklungen sind es die sozialen und gesellschaftlichen Fragen, die ein Unternehmen dieser Größenordnung über einen langen Zeitraum prägen.

Das Eingangskapital der besagten Chronik ist mit dem Titel „Zucker im Spannungsfeld der Zeit“ überschrieben. Und diese Formulierung ist keineswegs übertrieben, wenn man bedenkt, mit welchen handelspolitischen Gegebenheiten man sich auseinanderzusetzen hatte, noch bevor es zur Gründung der ersten großen Zuckerfabrik kam. Angefangen von den politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen in der nachnapoleonischen Zeit, in denen Preußen, Österreich und die vielen Fürstenstaaten um ihren jeweiligen Einfluß wetteiferten, bis hin zu den Auseinandersetzungen hinsichtlich Zoll und Steuern der rohrzuckerverarbeitenden Raffinerien. Da bedurfte es Männer, die neben dem nötigen Weitblick bezüglich neuer Anbaumethoden und technischen Möglichkeiten auch das Durchsetzungsvermögen besaßen, die einmal als richtig erkannten Erfordernissen wirtschaftlich anzugehen und marktgerecht zu realisieren.

Solche Männer fanden sich in zwei Familien, die sich im Jahre 1870 zur unternehmerischen Partnerschaft verbanden. Der Grundstein zu einer nunmehr 125jährigen erfolgreichen Firmengeschichte




Eine das Jubelfest unterstützende Anzeige der Firma, auf der Rückseite der Festschrift, zur 850-Jahrfeier des Ortes Giesendorf, im Jahre 1966. Auch ohne die Domtürme im Hintergrund assoziiert jeder die beiden Zuckerhüte mit dem Wahrzeichen, das in aller Welt für Köln steht.

Emil Pfeifer, heiratete im Jahre 1833 Maria Emma Hoesch, Tochter des bekannten Dürener Papierfabrikanten. Damit kommt er in den Wirkungskreis von Familien, die durch ihre unternehmerischen Tätigkeiten den industriellen Aufbau in ihrer jeweiligen Region mitprägten. Neben verschiedenen Firmenaktivitäten gilt das Interesse Emil Pfeifers auch dem Erwerb von Haus- und Grundbesitz. Im Jahre 1840 kauft er das Gut Frohnhof in Ossendorf in unmittelbarer Nähe Kölns und gründet hier, elf Jahre später, die erste Rübenzuckerfabrik am Rhein mit seinem Partner August Joest.

Zwei Jahre später ist er alleiniger Inhaber des nun Emil Pfeifer & Cie. firmierenden Unternehmens und nimmt im Jahre 1865 seinen Sohn Valentin als Teilhabe auf. Im Jahre 1868 kommt es zu der für die Firmengeschichte entscheidenden Begegnung mit Eugen Langen, der in Ossendorf seinen patentierten Knochenkohleofen erstmals in der Praxis erprobt. Der Vater von Eugen Langen hatte sich schon im Zuckergeschäft versucht. Er selbst, auch sehr an technischen Dingen interessiert, betätigt sich als Zivil- und beratender Ingenieur. In seiner Person verbinden sich in idealer Weise das eher nüchterne Kalkül des wagenden Kaufmanns, und das einer hohen technischen Begabung. Und das letzte führt auch zum Kontakt mit Nikolaus August Otto, dem Erfinder des Otto-Motors, nach dessen Prinzip noch heute weltweit die meisten Autos angetrieben werden. Diese Verbindung führte im Jahre 1864 zur gemeinsamen Gründung der N.A. Otto & Cie., die 1872 unter erheblicher Beteiligung von Pfeifer'schem Kapital in die Gas-Motoren-Fabrik Deutz Aktiengesellschaft, umgewandelt wird. Als Klöckner-Humboldt-Deutz AG besitzt das Unternehmen noch heute Weltruf. Fünf große Bereiche bestimmen das Lebenswerk von Eugen Langen: Zuckerindustrie, Maschinenbau (Deutz-Humboldt, wie erwähnt, u.a. aber auch der Bau der Schwebebahn Elberfeld-Barmen, später wurde ja aus diesen beiden Orten Wuppertal), dann das Bankwesen und die Wirtschaftspolitik und schließlich auch die Kolonialpolitik.




Die erste Seite der Gründungsunkunde in verkleinerter Kopie vom 19. April 1870. In der letzten Zeile unten links steht, wo die Rübenzuckerfabrik gebaut werden soll, nämlich in Elsdorf im Kreise Bergheim.

„Heute den neunzehnten April im Jahre achtzehnhundertsiebzig“, heißt es eingangs in der Gründungsurkunde mit der Reg.-Nr. 24015, um dann mit folgendem Wortlaut fortzufahren: „Vor dem in der Stadt Cöln am Rhein wohnenden Notar Johann Philipp Wilhelm Eglinger, in Gegenwart der zu Ende genannten Zeugen erschienen:
1. Herr Emil Pfeifer, Gutsbesitzer und Fabrikbesitzer zu Cöln wohnhaft,
2. Herr Eugen Langen, Kaufmann zu Cöln und
3. Herr Valentin Pfeifer, Kaufmann, in Ossendorf wohnhaft.
...“Die Komparenten Herr Emil Pfeifer, Herr Langen und Herr Valentin Pfeifer, errichten hiermit eine offene Handelsgesellschaft, welche unter der Firma Pfeifer & Langen in Cöln ihren Sitz hat.“

Als diese einleitenden Sätze zum Gründungsvertrag von 1870 geschrieben werden, ist Emil Pfeifer bereits 64 Jahre alt. Zu den in einem Mannesalter erworbenen Erfahrungen des erfolgreichen Unternehmers und väterlichen Freundes tritt die Tatkraft der bald dreißig Jahre jüngeren Partner. Selbst die nüchterne Kanzleisprache des Gesellschaftsvertrages läßt noch in beredter Weise die gegenseitige Verbundenheit und Wertschätzung erkennen. Die vorausschauende Festlegung von Rechten und Pflichten der Partner, wie der sachlichen Fakten, werden neben den menschlichen Beziehungen richtungsweisend für den Weg des Unternehmens. Erstes „Geschäftsdomizil“ ist das Haus Johannisstraße 74 in Köln.

Weiter heißt es in Artikel zwei der Gründungsurkunde: „Gegenstand des Unternehmens ist die Anlage und der Betrieb einer Rübenzuckerfabrik zu Elsdorf im Kreise Bergheim, durch Ankauf von Zuckerrüben und durch eigene Rüben-Cultur auf angepachtetem oder angekauftem Lande, soweit es die Rüben-Cultur erfordert, auch Betrieb von Landwirtschaft, Verkauf aller ihrer Produkte mit Einschluss der landwirtschaftlichen Erzeugnisse.“

Dieser Artikel zwei des Vertrages ist Auftrag und Programm zugleich; für seine Verwirklichung werden Eugen Langen und Valentin Pfeifer bald aufgerufen. Eugen Langen übernimmt den technischen Bereich, Aufbau und Überwachung der Produktion, Valentin Pfeifer fällt der landwirtschaftliche Teil zu. Beide sind gehalten, ihre Aufgabe selbständig und verantwortlich gegenüber der Gesellschaft zu führen.

Bei der Gründung liegen Pläne für die Zuckerfabrik Elsdorf baureif vor. Maschinen und technische Einrichtungen von Eugen Langen haben sich nicht nur in der Rübenzuckerfabrik Ossendorf von Emil und Valentin Pfeifer und in der Raffinerie J.J. Langen bewährt, sondern auch als „Langen'sche Maschinen“ auch in Werken anderer Unternehmen der Zuckerindustrie. Wichtig und ausschlaggebend für die Standortwahl Elsdorf war die im Jahre 1869 eröffnete Eisenbahnstrecke Düren - Neuss, an der Elsdorf lag. Nun galt es für Eugen Langen die Elsdorfer Zuckerfabrik an das Terrain dieser Bahnlinie termingerecht bis zum Spätherbst 1871 zu errichten.

Der Deutsch-Französische Krieg und die Reichsgründung durch Bismarck stärken den Optimismus nicht nur in Elsdorf, sondern ergreifen in ihren Auswirkungen eine ganze Nation, die sich nunmehr anschickt, in einer gewaltigen Anstrengung die Wandlung vom Agrar- zum Industriestaat zu vollziehen.




Auszug aus einem Geschäftsbriefbogen der Firma Pfeifer & Langen aus dem Jahre 1907, auf dem neben der Zuckerfabrik Elsdorf (oben rechts ) auch noch die später errichtete Zuckerfabrik in Euskirchen abgebildet ist.

Berichte über die Entstehung der Zuckerfabrik Elsdorf sind Pfeifer & Langen in den Aufzeichnungen des Maschinen- und Siedemeisters Conrad Moll erhalten geblieben“, wie es in der erwähnten Chronik des Unternehmens aus dem Jahre 1870 weiter heißt. Conrad Moll schrieb u.a. folgendes:

„... Als verantwortlicher Leiter galt Herr Eugen Langen, den man täglich fast überall sehen konnte. Unermüdlich überwachte er die fortschreitenden Arbeiten, kontrollierte an Hand der Zeichnungen und erteilte seine Ratschläge. Ermahnend erschien er oft in den einzelnen Stationen, wenn er sah, wie ein Arbeiter in der Hast leichtsinnig die Betriebsvorschriften nicht beachtete. Und wenn seiner Meinung nach die Durchführung irgendeiner Arbeit mit Gefahr verknüpft, schickte er alle Unbeteiligten in Sicherheit und legte bei der Ausführung selbst mit Hand an...“ Über Valentin Pfeifer ist zu lesen: „... Und die zweite Frage des Rübenanbaus war zu lösen. Hier sei des tatkräftigen Herrn Valentin Pfeifer gedacht, der die Schwierigkeiten der Rohstofffrage überwand. Neben einer einsetzenden Belehrung und Werbung in Bauernfamilien handelte er nach dem Sprichwort: Worte belehren, Beispiele reißen hin! Er pachtete mehrere Güter, auf denen er den Rübenanbau mustergültig betreiben ließ. Es sind mir von diesen sogenannten Zuckerrübengütern bekannt: Ameln, Lipp-Millendorf, Glesch, Burg Grouven, Mönchskaul bei Berrendorf und Buir... Weitere Rübenanbauflächen stellt der Valentin Pfeifer gehörende Sittarderhof und das Gut seines Schwiegervaters Matzerath in Etzweiler.“ Soweit die Berichte des Siedemeisters Moll.

Gleichrangig zur Errichtung der Fabrik und Förderung des Rübenanbaus ist in dieser Zeit die Heranbildung eines ersten Facharbeiterstammes. Eine Kolonne tüchtiger Arbeiter wird in die Pfeifer'sche Rohzuckerfabrik nach Ossendorf geschickt, und je zwei Mann erlernen die gleichen Vorgänge des Betriebsablaufes. In Elsdorf heißen sie später „die Ossendorfer“.

Als der Herbst des Jahres 1871 heranrückt, steht die Fabrik unter Dampf. Die erste Kampagne verläuft reibungslos. 46.600 dz Rüben werden vorwiegend mit Pferde- und Ochsengespannen von den Bauern angefahren und verarbeitet. Für die damalige Zeit eine Leistung, die jeden Arbeiter mit Stolz erfüllte!. Einhundert Jahre später, als die Firmenchronik zum Jubiläum entstand, entsprach das fast genau der Tagesleistung der Zuckerfabrik hier in Elsdorf.

In dieser Zeit nach 1871, die allgemein auch oft als Gründerzeit bezeichnet wird, wuchs Elsdorf im wahrsten Sinne über sich hinaus. Anders als etwa Kerpen, Bergheim oder Bedburg, die bereits im Mittelalter eine bedeutende Rolle gespielt hatten, war Elsdorf jahrhundertelang ein kleines Dorf unter vielen, nicht bedeutender als die anderen Orte von Heppendorf bis Oberembt, wie man mit einem Blick auf die Tranchot-karte von 1803 ersehen kann. Lediglich die Lage Elsdorfs an der alten Römerstraße, die ja bis in unsere Zeit eine wichtige Bedeutung hatte (im Zuge des Braunkohletagebaus Hambach I mußte sie ja verlegt werden), fand eine gewisse Beachtung, doch die meisten Reisenden per Postkutsche fuhren meistens nur durch. Doch mit dem Bau und der späteren Ausdehnung der Zuckerfabrik wurden nachher immer mehr Arbeiter benötigt, mehr als aus dem Umland zur Verfügung standen.

Also mußten Arbeiter aus anderen Gegenden Deutschlands angeworben werden. Neue Baugebiete wurden in Elsdorf erschlossen, die Bevölkerungszahl stieg stetig. Aus dem Adreßbuch des Kreises Bergheim aus dem Jahre 1911 geht hervor, daß Elsdorf mit 2364 Einwohnern auf einmal größer war, als die Kreisstadt Bergheim, die damals nur 1803 Bürger zählte. Auch der Anteil der evangelischen Bevölkerung stieg stark an. War bis dahin die jüdische Religion weit hinter den Katholiken, die zweitstärkste Konfession, so wurde sie diesbezüglich von den „Protestanten“ wie man damals gerne sagte, innerhalb weniger Jahre überholt. Über die rege Bautätigkeit in Elsdorf, während und nach dem Bau der Zuckerfabrik, finden sich interessante und wertvolle Unterlagen im Privatarchiv des Elsdorfer Bauunternehmens Heinrich Schwartz, dessen Großvater Heinrich Wolff damals viele Bauprojekte und Anlagen plante und durchführte.

Die Gründung von Pfeifer & Langen und die Errichtung des Werkes Elsdorf vollziehen sich, als mit der Gründung des Bismarckreiches für die deutsche Nation stabile politische Verhältnisse geschaffen werden. Unter der Staatskunst des Kanzlers, der militärische Stärke des Reiches und bald auch einer wirtschaftlichen Macht entsteht eine Gesellschaftsordnung, die für alle Zeiten geschaffen schien. Von der älteren Generation gern auch „die gute alte Zeit“ genannt, ist auch sie nicht frei von Auseinandersetzungen, die jede Epoche zu bestehen hat.

Vor dem politischen und wirtschaftlichen Hintergrund dieser Zeit, dem noch die sozialen Probleme einer wachsenden Industriegesellschaft zuzuordnen sind, vollzieht sich, in Abhängigkeiten und Bindungen, auch de Beginn und die erste Phase des Firmengeschehens von Pfeifer & Langen.

Für die Wahl des Standortes Elsdorf waren, wie gesagt, die Verkehrslage sowie der nötige Rohstoff, die Zuckerrübe also, und die Arbeitskraft die bestimmenden Faktoren. Die 1869 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie Düren-Neuss ermöglicht das Werk Elsdorf auch den Antransport von Kaufrüben aus entferntgelegenen Anbaugebieten, die für Pferde- und Ochsengespanne kaum oder nur schwer zu erreichen sind.

Für die Bewohner des weiten Umlandes, die ihr Brot nur kärglich in der Landwirtschaft und im Handwerk verdienen, wird das Werk zu gesicherten Existenz. Der bereits zitierte Moll'sche Bericht schildert die damalige Lage wie folgt: „... Und welche Hoffnungen wurden daran geknüpft! Wohnten wir doch in einer Gegend, die ihre Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten gewaltig gestiegen. Die Landwirtschaft nahm nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl Arbeitssuchender auf, und die Entlohnung war dabei ganz gering. Mein Vater verdiente damals als landwirtschaftlicher Arbeiter pro Tag 0,25 Mark und die Kost, durfte aber auch am Sonntagmittag bei seinem Bauern zum Essen erscheinen ...“

So entsteht in Elsdorf dann auch eine Werksgemeinschaft, für die das Miteinander zum Leitbild wird. Das Wachsen des Werkes ist der Erfolg aller und wird mit Stolz auch als solcher empfunden!

Das Bestreben, einen möglichst großen Stamm von Arbeitern auch in den Sommermonaten zu beschäftigen, ist nicht zuletzt der Anlaß dafür, der bisherigen Rohzuckerfabrik Elsdorf eine Raffinerie anzugliedern, mit deren Bau 1880 begonnen wird. Elsdorf gilt bald als internationale „Musteranstalt“ und wird zusammen mit dem Ausstoß von Euskirchen das größte Zuckerunternehmen Westdeutschlands. Der Siegeszug der Technik erstrahlt im besonderen Licht, als Elsdorf 1899 die elektrische Beleuchtung erhält.

Die Zuckertechnologie wurde stets weiter vervollkommnet und weiterentwickelt. Es wurde sogar hinsichtlich der „Kristallisation in Bewegung“ ein Verfahren „System Elsdorf“ entwickelt, was in zahlreichen Ländern der Welt in Lizenz eine Anwendung fand.

So endete die erste Epoche einer erfolgreichen Firmengeschichte, in deren Zeitraum Deutschland sich vom Agrar- zum machtvollen Industriestaat emporarbeitete. Die Gründer von Pfeifer & Langen haben auf ihrem Gebiet zu dieser Entwicklung beigetragen. Als das Grollen des Ersten Weltkrieges sich ankündigte, liegt ihr Werk bereits in den Händen ihrer Nachfolger.

Doch ist in diesem Zusammenhang für Elsdorf die im Jahre 1905 erfolgte Gründung des „Pfeifer-Stifts“, durch den Commerzienrat Valentin Pfeifer, noch von großer Bedeutung. Sie beinhaltete ein Handgeschenk von einhunderttausend Mark zugunsten der Gemeinde Elsdorf für die Errichtung eines Kranken- und „Alte-Leute-Hauses“. Dieses erste Gebäude besteht nicht mehr, doch der großzügige Nachfolgebau wird heute als Altenheim geführt, in dem nun fast 100 Menschen leben. Auch die Elsdorfer Festhalle entstammt einer Stiftung aus den Gewinnen der Elsdorfer Zuckerfabrik. Die Familie Langen zeichnete für diesen Bau verantwortlich, mit dem noch kurz vor dem 1. Weltkrieg begonnen wurde. (Sowohl über das Pfeifer-stift als auch über das Entstehen der Festhalle, wird später einmal in separaten Rundblickausgaben ausführlich zu berichten sein.) Welche Bedeutung dem Familienunternehmen auch anderenorts beigemessen wurde, erkennt man auch daran, daß der preußische Kronprinz bei Jagdgesellschaften dort öfters zu Gast war.






Die beiden führenden Männer in der Aufbau- und erster Entwicklungsphase der Elsdorfer Zuckerfabrik: Valentin Pfeifer (links 1837 - 1909) und Eugen Langen (rechts 1833 - 1895)

Bis zum 1. Weltkrieg führte die Entwicklung der Elsdorfer Zuckerfabrik stetig aufwärts. Doch der Krieg machte wieder vieles zunichte. In einem Ringen, für die es in der Geschichte der Völker bis dahin keinen Vergleich gab, unterliegen Deutschland und Österreich ihren alliierten Gegnern. Das Wort „totaler Krieg“ wird erstmals geprägt und in bisher unvorstellbarer Härte auch auf die Zivilbevölkerung angewandt. Als die Deutschen 1915 nach einer Brotkarte anstehen, begreifen sie, was unter „Hungerblockade“ zu verstehen ist. Über die Katastrophale Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gibt ein Vertrag Auskunft, der zwischen der Kölner Stadtverwaltung und Pfeifer & Langen 1917 geschlossen wird. Bald verlassen - einem schwierigen Trocknungsverfahren unterworfen - Erdkohlrabis und Futterrüben als Trockengemüse das Werk und wandern in die Küchen der Kölner Bürger. Für Pfeifer & Langen, die ihren Markt nie auf Deutschland beschränkt sahen, unterbricht der Erste Weltkrieg nicht nur eine bisher stetige Aufwärtsentwicklung, sondern zerreißt auch die in Jahrzehnten geknüpften Bindungen zu ausländischen Lieferanten und Abnehmern.

Nach Ende des Krieges bricht unter dem Druck eines politischen Massenstreiks, in der Novemberrevolution 1918, das Kaiserreich zusammen; die Deutsche Republik wird ausgerufen. Unruhen, Streiks und Aufstände rütteln an den Fundamenten der nation. Hinzu kommt eine fast aussichtslose außenpolitische Lage des Reiches.

Der Versailler Vertrag fordert von Staat und Wirtschaft unerfüllbare Reparationsleistungen. Durch erhebliche Kohleablieferung ist der Wiederaufbau des Ruhrgebietes fast unmöglich. Ein Währungsverfall nie gekannten Ausmaßes ist mit seinen astronomischen Zahlen Spiegelbild der inneren und äußeren Auseinandersetzung. Für 1 dz Zucker wird auf dem Höhepunkt der Krise 1 Billion 589 Milliarden bezahlt. Bei Stabilisierung der Währung im November 1923 sind 1 Billion Papiermark nur noch 1 Goldmark wert.

Bei Beendigung des Krieges hatte die deutsche Zuckerindustrie ihren tiefsten Stand erreicht, doch der Firma Pfeifer & Langen gelang es, wenigstens die Verarbeitungsmenge der Kriegsjahre zu erreichen. Doch Not macht erfinderisch. Auch bein dem Problem, genügend Rüben auf die einzelnen Werke überall, über die man mittlerweile verfügte, zu verteilen, damit eine sinnvolle Produktion aufrecht erhalten werden konnte. Doch die Weimarer Jahre sind von vielen Unruhen und politischen Unabwägbarkeiten gekennzeichnet. Der Übergang von der Zwangs- zur Friedenswirtschaft ist ein dornenvoller Weg für jedes Unternehmen. In der Chronik des Unternehmens heißt es diesbezüglich:

„Die von der Regierung festgesetzten Niedrigpreise decken kaum die Gestehungskosten. Preise und Kosten geraten in ein krasses Mißverhältnis zum tatsächlichen Wert des Zuckers. Hinzu kommt, daß der Güteraustausch fast völlig unterbunden ist, selbst im Ruhrgebiet ist die Kohlebeschaffung ein Problem. Pfeifer & Langen ist dazu von seinen Rohzuckerlieferanten in anderen Teilen Deutschlands abgeschnitten. Während des Ruhrkampfes weitet sich die Situation zur Katastrophe aus. Unverzollter Zucker strömt aus dem Westen in das besetzte Gebiet ein und ruiniert Markt und Preis bis an die Grenze des Überschaubaren. Selbst Zucker, der gar nicht vorhanden ist, wird von der Interalliierten Kommission noch gefordert. Allein Ende 1923 verlangt man von den rheinischen Zuckerfabriken 315.000 dz. Verbrauchszucker. In buchstäblichem Sinne des Wortes bleibt den Fabriken nichts anderes übrig, als sich „loszukaufen“. Zwei Millionen Goldmark Kontribution gehen statt Zucker an die Besatzungsmacht.“

In diesen Jahren findet naturgemäß kein Ausbau der Werke Pfeifer & Langen statt. „Man ist froh“, so steht weiter in der besagten Chronik zu lesen, „durch eine vorübergehende Stillegung und Verpackung der Fabrik Elsen (1916-20) wenigstens Elsdorf und Euskirchen einigermaßen auslasten zu können. Dazu sind die zum Heeresdienst eingezogenen Mitarbeiter nur schwer durch weibliche Arbeitskräfte und Zuweisung von Kriegsgefangenen zu ersetzen. Trotz allem vermerken die Berichte für Elsdorf aus dieser Zeit: 1916 den Bau einer Wendetrockentrommel für Schnitzel, 1922 die Erweiterung des Kesselhauses und den Bau eines Schnitzellagers, 1923 wird das bisherige „System Elsdorf“ durch das Rapid-Verfahren ergänzt.“

Die Chronik liest sich teilweise wie ein Geschichtsbuch, und die Entwicklung des Unternehmens Pfeifer & Langen mit seiner ältesten Fabrik in Elsdorf, ist ja auch ein Teil der Geschichte unseres Landes, unserer Region und Elsdorfs mit seinem Umland. Also lesen wir weiter:

„Das politische Geschehen in der Weimarer Republik ist auch in diesen Jahren von den Folgelasten des Krieges mitbestimmt. Nach dem Zusammenbruch der Währung, für den nicht zuletzt unerfüllbare Reparationen die Ursache sind, setzt sich allmählich eine Auffassung durch, die die Höhe der Forderungen der deutschen Zahlungsfähigkeit anpaßt. Als Dawes- und Youngplan, Hoover-Moratorium und Abkommen von Lausanne sind diese Lösungsversuche der Reparationsfrage in die Geschichte eingegangen. In der Praxis kann das Reich seine Verpflichtungen nur durch Erzielung von Außenhandelsüberschüssen erfüllen. Als diese durch Behinderung der Ausfuhr (Schutzzölle) fast unmöglich gemacht werden, kommt es zur Transferkrise. Da die Republik keine Devisen besitzt, muß eine Finanzhilfe der Siegermächte, besonders der USA in Anspruch genommen werden. Eine internationale Verschuldung des Reiches ist die Folge und wird mit zur Ursache der Weltwirtschaftskrise. Diese wird am 24. Oktober 1929 durch den Kurssturz an der New Yorker Börse ausgelöst und greift bald auf alle Industrieländer der Welt über. An Deutschland gegebene Kredite werden kurzfristig zurückgezogen, was eine katastrophale Verminderung der Liquidität der Wirtschaft zur Folge hat. Ein Sturm auf die Bankschalter beginnt, und als 1931 die Darmstädter und Nationalbank (Danatbank) infolge des Zusammenbruchs der Österreichischen Creditanstalt und der „Nordwolle“ in Bremen die Zahlungen einstellen muß, tritt zu den allgemeinen Schwierigkeiten in Deutschland noch eine Bankenkrise.

Die internationale Erschütterung des Wirtschaftslebens wird dazu von einer ungewöhnlich schweren Agrarkrise begleitet, die auch zu einem Zusammenbruch der Weltzuckerwirtschaft führt. Eine allgemeine Beschäftigungslosigkeit ist die Folge: 1932 zählt Deutschland 6 Millionen, 1993 USA 13,6 Millionen Arbeitslose. Die sozialen Folgen führen besonders in Deutschland zur politischen Radikalisierung der Bevölkerung.“

Die Versorgung ihrer Raffinerien mit Rohzucker kommt, wie während der Jahre der Rheinlandbesetzung, fast zum Erliegen. Doch die folgenden günstigen Rübenjahre machen es Pfeifer & Langen möglich, die Verarbeitungsmenge wieder wesentlich zu steigern. Die Firma hatte, um mittel- und ostdeutschen Konkurrenten rechtzeitig zu begegnen, die zusammengebrochene Uerdinger Raffinerie P. Schwengers & Söhne übernommen, die ihrerseits bis dahin die Aktienmehrheit an den drei Rübenzuckerfabrikationen in Dormagen, Wevelinghoven und Ameln besaß. Das veranlaßte Pfeifer & Langen nach Erwerb dieser Firmengruppe sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. In den folgenden Jahren konnte sogar der Teil der Aktien, die sich noch im Besitz von Banken befanden, zurückerworben werden, so daß der Weg zur Rückkehr in die Form der Familiengesellschaft wieder frei wurde.




Ein Bild Mitte der 80er Jahre: Der Heppendorfer Landwirt Toni Wacker hat auf einem Feld die Zuckerrüben ausgepflügt und an einer Stelle zusammengefahren, um sie danach, je nach Liefermöglichkeit (die während der Campagne u.a. von der spezifischen Kapazität der Fabrik bestimmt wird) aufzuladen und nach Elsdorf zu fahren.

Die Firma Pfeifer & Langen mußte sich, um sich im Wettbewerb weiter behaupten zu können, auch marktstrategisch, wie man heute sagt, einiges einfallen lassen.

Bewußt und folgerichtig wird daher in dieser Zeit die marke KÖLNER ZUCKER aufgebaut. Qualitativ hochwertige Sorten werben um den Absatz beim Verbraucher. Die 1- und ½ -kg - Kleinpackung sowohl für Würfel- als auch raffinierten Kristallzucker findet die Gunst des Handels und der Hausfrau, in der Gastronomie wird der Würfelzucker als Einzelpackung zum millionenfachen Werbeträger, der KÖLNER ZUCKER als Gütezeichen im Bewußtsein des Verbrauchers verankert.

Doch die Erfolge dieser Jahre müssen hart errungen werden. Als es der Wirtschaft trotz aller Erschwernisse 1932 gelingt, eine Wende zum Besseren einzuleiten, glaubt die Masse der Bevölkerung nicht mehr daran. Das Schicksal Deutschlands nimmt seinen Lauf.

In der Chronik heißt es im Hinblick auf die Jahre des Nationalsozialismus:

„Verfassungspolitisch vernichtet das Totalitätsprinzip des Regimes alle demokratisch - parlamentarischen Einrichtungen. An die Stelle einer freiheitlichen Ordnung des Wirtschaftslebens tritt eine straff gelenkte Organisation (Reichsnährstand), die freie Marktwirtschaft wird in zunehmendem Maße durch ein auf Autarkie abzielendes System ersetzt.

Die Machtübernahme ist nur vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weimarer Republik zu verstehen. Das Heer der Arbeitslosen ist ein williges Instrument zur Erzielung der dem Volke versprochenen Erfolge. Im Rahmen eines großangelegten Arbeitsbeschaffungsprogramms und einer bald anlaufenden Aufrüstung gelingt die Eingliederung der Erwerbslosen in den Wirtschaftsprozeß. Man hat Arbeit und Brot - die Barriere gegen die nunmehr rücksichtslose Verwirklichung außen- und innerpolitischer Zielsetzungen ist weggeräumt. Sechs Jahre genügen, um das Reich von den übrigen Völkern zu isolieren, um im Inneren einen Organisationsapparat und eine Macht aufzubauen, die die Anschluß- und Expansionspolitik einleiten. Am 1. September 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg, den anfänglichen Siegen folgt der totale Krieg, der im Frühjahr 1945 mit der totalen Niederlage endet.

Im Werk Elsdorf ist der Anfang dieses Zeitabschnittes nicht weniger dramatisch. Durch eine Staubexplosion ausgelöst vernichtet ein Großbrand das Schnitzellager. Noch im gleichen Jahr erfolgt ein Neubau.

Der Ausbruch des Krieges löst automatisch eine Verschärfung der Bewirtschaftungsvorschriften aus, jedoch können Rübenerzeugung und –verarbeitung auf Vorkriegshöhe gehalten werden. Was Belegschaft und Bauern bei der Erfüllung ihrer Arbeit abverlangt wird, soll sich bald zeigen. Schon im Mai 1940 fallen die ersten Bomben auf das Fabrikgelände in Elsdorf. Als der Luftkrieg nicht Frankreich und England, sondern Deutschland trifft, muß die schwere und verantwortungsvolle Arbeit in den Kampagnen bei totaler Verdunklung der Fabriken erbracht werden. Als schließlich 1944 nach der Invasion der Alliierten die Front im Westen zusammenbricht, finden noch schwere Kämpfe an der Rur statt. Ein einziger Luftangriff legt noch im November die Städte Düren und Jülich in Schutt und Asche. Die Werke Elsdorf, Euskirchen und Ameln liegen im Frontbereich. Zwar läuft die Kampagne 1944/45 noch an, die Rübenanlieferung kommt jedoch zum Erliegen, als die Bauern und deren Fuhrwerke beim Abernten der Rübenfelder und an den Rübenschwemmen in den Fabriken mit Bordwaffen beschossen werden. Von einem geordneten Fabrikationsablauf ist nicht mehr zu sprechen.

Noch am 22. Februar 1945 zerstören Bombentreffer zahlreiche Bauten, wie Produktions- und Versorgungsanlagen des Werkes Elsdorf; zwei Tage später besetzen amerikanische Truppen die Fabrik. Am 5. März 1945 trifft die Fabrik Dormagen als letzte das gleiche Schicksal.

Die bedingungslose Kapitulation ganz Deutschlands beendet am 9. mai 1945 schließlich das Grauen des Zweiten Weltkrieges.

Die Unternehmensführung von Pfeifer & Langen beklagt in diesem Zeitraum nicht nur den Verlust zahlreicher Mitarbeiter, die an der Front ihr Leben lassen. Auch in den Reihen der Inhaber und Geschäftsführer reißt der Tod schmerzhafte Lücken. 1940 stirbt im Alter von 82 Jahren der Senior der Gesellschaft Gottlieb v. Langen, 1941 folgte ihm völlig unerwartet Haus Eugen v. Langen, im Februar 1942 fällt Herbert Pfeifer, der jüngste der Geschäftsführer, in Rußland.“

Als die Waffen schweigen, bricht die Stunde Null in de Geschichte des deutschen Volkes an. Unter Schutt und Asche liegt begraben, was in Jahrhunderten eine Kulturnation an sichtbaren Zeugnissen schuf. Nach der militärischen Kapitulation übernehmen die alliierten Siegermächte die Macht in Deutschland, erst der Deutschland-Vertrag von 1952 löst später das Besatzungsstatut ab.

Die Zeit der bittersten not nach dem Zusammenbruch ist bereits Geschichte geworden. Statt Lebensmittel werden Kalorien verteilt, zum Leben zu wenig, zum völligen Verhungern zu viel. In den nächsten Rundblickausgaben wird ja davon weiter die Rede sein.

Bei Pfeifer & Langen versucht man zunächst, überhaupt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Kampagne 1945/46 stattfinden kann. Dafür ist zuallererst einmal die Beschaffung von Rübensamen für die Bauern und die noch rechtzeitige Bestellung der Anbauflächen erforderlich. Der Wiederaufbau vollzieht sich bis 1948 unter einer zerrütteten Währung. Die Reform vom 20. Juli 1948 beendet die zurückgestaute Inflation.

Der geradezu untrennbaren Verbindung von Rübenanbau und Zuckerfabrikation widmet Pfeifer & Langen auch in den Nachkriegsjahren ihre erhöhte Aufmerksamkeit. Die Bauern in unserer Gegend wissen dieses Engagement zu schätzen, schließlich hängt manche landwirtschaftliche Existenz davon ab. Daher war es auch von einiger Bedeutung, daß bereits im Jahre 1947 eine Außenstelle des Instituts für Hackfruchtkrankheiten der Biologischen Bundesanstalt, bei der Zuckerfabrik in Elsdorf eingerichtet wurde.

In der Zeit, die man später das Wirtschaftswunder nannte, vollzog sich der weitere Aufbau des Unternehmens Pfeifer & Langen, und somit auch der der Zuckerfabrik hier in Elsdorf. Heute muß es sich in den Agrarmarkt eines immer enger zusammenrückenden Europas einbringen, es werden laufend neue Maßstäbe gesetzt. Die Zuckerfabrik in Elsdorf, nicht nur zentral in unserem Gemeindegebiet gelegen, sondern auch recht günstig für den europäischen Markt, ist immer noch das Kernstück des Unternehmens. Der heranrückende Tagebau Hambach I, der einmal bis nahe an die Fabrikationsanlagen gelangen wird, machte es zwar notwendig, die Klärteiche vom Bürgewald in die Nähe Mönchskauls zu verlegen, auch für den Fortfall er erwähnten Bahnstrecke Düren - Neuss ist er verantwortlich, doch er nimmt nur geringe Ackerflächen weg, so daß der Rübenanbau hier bei uns nur im geringen Maß beeinträchtigt wird. (Hauptsächlich das alte Waldgebiet der Bürge ist vom Braunkohleabbau betroffen.) Doch bei den heutigen Transportmöglichkeiten stellte auch die Anlieferung von Zuckerrüben über weitere Entfernungen kein sonderliches Problem dar. Doch bei allem muß bedacht werden, daß der Erfolg des Unternehmens unmittelbar mit dem Ergebnis der Landwirtschaft verbunden ist. Mißernten und Schlechtwetterperioden wirken sich hier aus. Zum anderen besteht stets eine Abhängigkeit von den weltwirtschaftlichen Rohstoff- und Preisbewegungen, denn es besteht keine Möglichkeit, wie es andere Industrien können, auf neue Rohstoffe auszuweichen. Denn der Grundstoff ist und bleibt die Zuckerrübe. Deshalb muß ein Unternehmen von dieser naturgesetzten Abhängigkeit besonders auf Leistungssteigerung der bestehenden Anlagen bedacht sein, und in technische Neuerungen entsprechend investieren.

Manches ließe sich sicher noch zur Zuckerfabrik in Elsdorf sagen, in 125 Jahren hat sich viel ereignet. Neben den geschilderten Kriegsereignissen gab es auch schlimme Unfälle, die in den Zeitungen ihren Niederschlag fanden. Eine Fabrikationsanlage dieser Größenordnung, bei der während der Zuckerrübencampagne im Herbst und Winter soviel fremde Menschen mit ihren Fahrzeugen verkehren, ist stets besonderen, oft vorher schwer einzukalkulierenden Gefahren, ausgesetzt. 125 Jahre sind heutzutage aber auch ein stolzes Jubiläum, zeugt es doch von einer Kontinuität, die man nicht oft vorfindet. Sie war nicht nur verantwortlich für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens selbst, sondern auch für den Bestand vieler bäuerlichen Betriebe, und dem Broterwerb vieler Arbeitnehmer in dieser langen Zeit, und für das Allgemeinwesen insgesamt. Wie erwähnt, waren die Firmeninhaber bekannt für ihr gesellschaftliches und soziales Engagement, so daß auch von daher eine enge Bindung an die Menschen in unserem Gemeindegebiet stets vorhanden war.

Manche Episode und manch „Vezällscher“ rankt sich um die Zuckerfabrik Elsdorf, und um alles, was mit dem Zuckerrübenanbau in unserer Region zusammenhängt.

So schließt sich der Kreis der Betrachtungen zur Geschichte des alten Familienunternehmens Pfeifer & Langen, das im Auf und Ab von politischem, wirtschaftlichem und sozialem Geschehen sich behauptete, im Wandel der Zeit wuchs und in 125 Jahren auch die Geschichte unserer heutigen Gemeinde weitgehend mitbestimmt hat.



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