Kölnische Rundschau vom 26. Juni 1996
Vor genau 100 Jahren fuhr erstmals ein Zug der Bergheimer Kreisbahn - Niedergang begann nach dem Zweiten Weltkrieg

Satte Gewinne auf der Schiene
Von Heinz - Ludwig Kanzler, Elsdorf ©


Elsdorf. Von diesen Verbindungen kann man heute nur träumen: Mit dem Zug von Elsdorf nach Bergheim, von Horrem nach Liblar, von Blatzheim nach Frechen fahren. 1899 besaß der damalige Kreis Bergheim ein eigenes Streckennetz mit einer Länge von 62,8 Kilometern. Kerpen hatte ebenso einen Bahnhof wie Niederembt oder Blatzheim. Startschuß für den ersten Zug der Kreisbahn war vor genau 100 Jahren am 26. Juni 1898: Er fuhr von Kerpen nach Frechen.

Bis zu diesem Tag querten lediglich zwei große Eisenbahnen den Kreis: Seit 1841 die Strecke Köln - Aachen mit den Stationen Horrem und Buir sowie seit 1869 die Strecke Neuss - Düren mit den Haltestellen Elsdorf, Bedburg und Harff. Vor allem an dieser Linie siedelten sich rasch Großbetriebe an: in Elsdorf die Zuckerfabrik (1870), in Bedburg die Zuckerfabrik (1883), die Wollindustrie (1887) und die Linoleumwerke (1897).

Einen Nahverkehr auf der Schiene gab es zunächst nicht. Die Kreisstadt Bergheim zum Beispiel, so klagten die Politiker damals, habe keinen Bahnanschluß. Die Bemühungen um weitere Eisenbahnlinien begannen 1882 mit Bergheims Bürgermeister Josef Commer. Es folgten langwierige Verhandlungen mit dem Staat über Streckenverlauf und Finanzierung.

Erst das am 28. Juli 1892 erlassene preußische Gesetz über Kleinbahn- und Privatanschlußbahnen ermöglichte den Bau einer kreisweiten schmalspurigen Bahn, die für die Gemeinden kostengünstiger war als die normalspurige Bahn und sie mit den Hauptstrecken und den Zuckerfabriken verband. Die angrenzenden Kreise hatten sich ebenfalls für die Schmalspurbahn entschieden.

Der Kreistag beschloß am 26. Mai 1894 den Bau der Kleinbahnen mit Ein-Meter-Spuren auf Kreiskosten. Bau und Betrieb übernahm die Firma Lentz aus Stettin, die Bahnnetze in Euskirchen und Frechen betrieb.


26. Juni 1896: Die erste Bergheimer Kreisbahn fuhr von Kerpen nach Frechen. In den folgenden drei Jahren entstand ein Bahnnetz mit einer Länge von 62,8 Kilometern, das dem damaligen Kreis Bergheim gehörte.
Repro: Kanzler

Aus ihr entwickelte sich die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft. Bis 1899 entstand im Kreis Bergheim ein Kleinbahnnetz mit einer Länge von 62,8 Kilometern, das Anschluß an Euskirchen und Frechen hatte.

Die Kreisbahn hatte fünf Linien: Bedburg - Bergheim - Horrem mit dem Abzweig Bergheim - Elsdorf, Horrem - Mödrath - Liblar mit Anschluß an die Frechener Bahn nach Köln, Bergheim - Rommerskirchen sowie die Strecke von Bedburg nach Ameln, wo ebenfalls eine Zuckerfabrik existierte.

Eine Reise von Bedburg nach kerpen, so lobte ein Bericht der damaligen Kreisverwaltung, dauere mit der Bahn nur noch eine Stunde, während früher zu Fuß oder mit dem Wagen ein halber Tag verloren gegangen sei. Die Personenzüge ermöglichten jetzt auch direkte Verbindungen nach Köln und an die großen Staatsbahnen.

Gleich im ersten Betriebsjahr zeigte sich die wirtschaftliche Bedeutung des Güterverkehrs auf der Schiene. Die Zuckerfabrik Bedburg ging als erster Betrieb von Steinkohlen- auf Braunkohlenfeuerung über. Da sie dadurch enorme Heizkosten sparte, stiegen auch die anderen Betriebe auf Braunkohle um.

Den Transport der Kohle übernahm die Kreisbahn. Sie holte sie aus den Gruben Ichendorf, Quadrath, Grefrath und Horrem, die sich zu einem Braunkohlen-Syndikat zusammenschlossen, um solch große Mengen transportieren zu können. Befördert wurden pro Tag 40 Doppelwagen, in der Rübenkampagne gar 75 Doppelwagen Braunkohle. Die Bahn transportierte außerdem Rüben und Baustoffe.

Zu teuer war jedoch für Industrie und Landwirtschaft das Umladen ihrer Güter von der Klein- auf die normalspurige Staatsbahn. Auf Drängen des Kreises Bergheim baute der Staat deshalb bis Ende 1904 die meisten Bahnlinien auf Normalspur aus.

Die Kreisbahn erzielte satte Einnahmen. 1900 erwirtschaftete sie 562.000 Mark, 1907 schon fast 927.000 mark. 1906 erzielte die Kreisbahn einen Überschuß von 328.000 Mark. Ein solch lukratives Geschäft weckte den Appetit der Preußischen Staatsbahn. 1913 kaufte sie die Bergheimer Kreisbahn für 9,6 Millionen Mark. Das Schienennetz hatte damals eine Länge von 66,7 Kilometern.




Bahnhof Kerpen: Wo einst Züge hielten, steht heute das Rathaus der Kolpingstadt. Das alte Bahnhofsgebäude wurde Anfang der 80er Jahre abgerissen. Auch Niederembt und Blatzheim hatten damals eigene Bahnhöfe, in Elsdorf gab es sogar zwei davon. Fast alle Strecken der damaligen Kreisbahn wurden stillgelegt.
Repro: Kanzler

Horrem entwickelte sich zum Bahnknotenpunkt

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Niedergang der alten Kreisbahn. Zunächst zerschnitten die Tagebaue die Bahnlinien, dann legte die Bundesbahn nach und nach Strecken still. Zum Beispiel Horrem - Erftstadt 1961, Kerpen - Nörvenich 1966 oder Bergheim - Niederaußem 1971. Oft war der Personenverkehr schon jahre zuvor eingestellt worden.

Zum wichtigsten Bahnknotenpunkt entwickelte sich Horrem an der Strecke Köln - Aachen. Die ehemalige Staatsbahn Neuss - Düren verlor dagegen ihre Bedeutung, und 1995 legte die Bahn wegen des Tagebaus Hambach den Teilabschnitt Bedburg - Düren still. Übriggeblieben von der alten Kreisbahn ist die Strecke Bedburg - Bergheim - Horrem. Sie wird vielleicht in den nächsten Jahren an den Wochenenden von der Dürener Kreisbahn (DKB) bedient: Bahn AG und DKB verhandeln.

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