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Das Münstereifeler Rathaus
im Wandel vor 600 Jahren

Die Erbauung des Rathauses fällt in das 14. und 16. Jahrhundert. Der mit vielen Zierstücken versehene Bau besteht aus zwei über dem Fibergässchen zusammenstoßenden Flügeln. Der von vorne gesehene linke oder östliche Bau aus dem 16. Jahrhundert erstreckt sich tief in die Gasse hinein; er hat an der Straßenseite zwei rundbogige Portale mit spätgotischen Profilen. Über dem größeren Tor prangt das in Stein gehauene Doppelwappen der Stadt und des Herzogtums Jülich. Der rechte Flügel aus dem 14. Jahrhundert öffnet sich im Erdgeschoß in drei Spitzbogen, deren erster und größter den Durchgang zur Fibergasse bildet, Ueber dem mittleren Bogen befindet sich ein mit schmiedeeisernem Gitter geschützter Balkon. Daneben sind als Hoheitszeichen die eindrucksvollen Figuren zweier Landsknechte angebracht. Als zepter- und Standartenträger versinnbildlichen sie die städtische Gewalt und Gerichtsbarkeit des Mittelalters. Von den beiden über dem Mittelfenster stehenden Löwen ist der eine gekrönt und stellt neben Jülich das Bergische Wappen dar. Zwischen den Fenstern des Obergeschosses stehen noch zwei Wappen, rechts das Stadtwappen, links das fünfteilige Wappen Jülich-Kleve-Berg-Mark und Ravenberg.

Der Aufbau des westlichen Flügels ist von dem östlichen innen wie außen verschieden. Jener hatte die dem Marktverkehr und besonders der Stadtwage dienliche offene Halle, dieser dagegen einen einzigen nicht unterbrochenen und geschlossenen Raum im Erdgeschoß, der vermutlich zum Aufbewahren der unter Zollverschluß lagernden Waren und gelegentlich als Küche oder Theaterraum gedient hat. Ebenso verschieden sind die Dachformen. Im Obergeschoß waren die Zimmer für Magistrats- und Gerichtssitzungen. Auch die Wollweberzunft hatte hier ihr Beratungszimmer. Ein kleiner Raum in der Halle wurde abwechselnd als Wachtstube und Arrestlokal benutzt. An der äußeren Ecke der Halle stand ehedem ein mannshohes, drehbares Gitterhäuschen, Käks genannt, das zur Aufnahme von Sträflingen diente, die dem allgemeine Gespött preisgegeben waren. Der Ostflügel hatte nach der Ueberlieferung einen Turm mit einer Glocke, die bei Bränden und zur Einberufung von Bürgerversammlungen geläutet wurde.


Das Rathaus

Wegen der verschiedenen Bauart können die beiden Teile nicht gleichzeitig erbaut sein. Das zeigt auch die Durchführung der Fenster in der Fibergasse bis unter die Halle, das erkennt man aber am besten an den später entstandenen Widerlagern, auf denen die Bogen der Hallenüberwölbung ruhen. Die Wappen am Giebel könnten bezüglich der Entstehungszeit der beiden Teile irreführen, aber die Ungewißheit der Zeit ihrer Anbringung kann gegen die deutliche Sprache der Stilverschiedenheit nichts besagen. Das Doppelwappen am Ostflügel enthält nur den einfachen Jülicher Löwen, während der über den Landsknechten am Westflügel stehende gekrönte Bergische Löwe erst in der Zeit der Vereinigung der beiden Länder (1423 bis 1524) maßgebend war. Johann I. vereinigte 1524 Jülich und Berg mit Kleve, Mark und Ravensberg, sodaß das fünfteilige Wappen zwischen den oberen Fenstern mindestens hundert Jahre späte seine Gültigkeit erlangte, als das einfache Jülichsche Wappen am Ostflügel.

Im Jahre 1821 hat die Obrigkeit der Stadt das alte Rathaus für 800 Taler auf Abbruch verkauft. Man hat sich oft gefragt, was die damalige Verwaltung veranlaßt haben könnte, ein so ansprechendes Haus zu verlassen, das noch fast ein Jahrhundert Brauereizwecken dienen konnte. Der Grund dafür kann nur die ehemalige Ueberlassung des noch in bestem Zustande befindlichen und größere Räume bietenden Karmelitessenklosters gewesen sein. Freilich hat bei dem allgemeinen Niedergange jener Zeit den Bürgern der Sinn gefehlt, die Stätte richtig zu bewerten, an der die freigewählte Obrigkeit seit vielen Jahrhunderten ihres Amtes gewaltet hatte. 1912 hat die Stadt das Gebäude für 12000 Mark wieder erworben. Die Mittel zur Wiederherstellung als Rathaus waren von privater und städtischer Seite sowie von der Provinz bereitgestellt, auch die Baupläne lagern fertig und genehmigt vor, als der Ausbruch des Weltkrieges im August 1914 die Ausführung der Arbeit jäh unterbrach. Die plötzliche Geldentwertung der Nachkriegszeit hatten den Baufonds vollends erschöpft.


Blick durch das Heisterbacher Tor

In den schlimmen Nachkriegsjahren hat man den Plan, das Rathaus wieder herzurichten, nicht aufgegeben. Nach vielen Bemühungen gelang es von Provinz und Staat Zuschüsse zur Rathausrenovierung zu erhalten. So konnte im Jahre 1926 mit dem Umbau nach den Plänen von Regierungsbaumeister Stahl (Düsseldorf) begonnen werden. Doch allzu bald war das Geld aufgebraucht. Unter den größten Schwierigkeiten und Opfern hat die Stadt den Bau in Jahresetappen durchgeführt. Von Provinz und Staat sind in der Stadt im Laufe der Jahre etwa 40000 Mark für den Umbau zugeflossen. Wenn man bedenkt, daß die Arbeiten und besonders die Fertigstellung in die Zeit größter Geldknappheit fiel, so muß es Bürgermeister und Stadtverordnetenkollegium und letzten Endes der Bürgerschaft, die ja die Mittel aufbringen muß, hoch angerechnet werden, den Bau konsequent zu Ende geführt zu haben. Freilich ist der Lohn auch kein geringer, reicht doch das Rathaus in seiner neuerstandenen Pracht in erster Linie der Stadt, in zweiter der weiteren Heimat zur Zierde und gibt Zeugnis von dem echten Bürgersinn, der auch in schwerster Zeit die alten Baudenkmäler pflegt und würdigt, eingedenk der Worte Schillers:

„Was du ererbt von deinen Vätern,
erwirb es, um es zu besitzen!“


Aus: Euskirchener Volksblatt Nr. 178 vom 3. August 1932





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