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Wassernot in früheren Zeiten

Innerhalb der vollständig erhaltenen Stadtmauer nimmt das sogen. „Werk“ zwischen der Stadtmühle und dem Heisterbachertor eine Sonderstellung ein. Heute ist an dieser Stelle nur ein eigenartiges, halb oder noch mehr zerfallenes Bauwerk sichtbar, das seinen früheren Charakter kaum noch erkennen läßt. Der immer noch gebräuchliche Name „Das Werk“ besagt sehr Vieles über die Funktionen, die es im Rahmen der städtischen Befestigungswerke zu erfüllen hatte. Auf den noch stehenden Resten erhob sich früher ein wehrhafter Turm, dessen Inneres die mechanischen Vorrichtungen beherbergte, nämlich zum Schutz der Bürgerschaft gegen nächtliche und unliebsame Eindringlinge ein mächtiges Fallgatter ins Erftbett hinunterzulassen. Ausserdem war vom Werk aus eine vollständige Stauung des Erftwassers möglich, die von Zeit zu Zeit zur Füllung der Wallgräben mit Wasser notwendig war. Jetzt noch ist im Gewölbe der beiden, auf einem Mittelpfeiler ruhenden Bögen der diesen Zwecken dienende Spalt sichtbar. Eine ähnliche Vorrichtung befand sich an der Ausflußstelle der Erft aus der Stadt, hinter dem abgebrannten Postgebäude.

So sehr wesentliche Dienste beide Anlagen für die Stadtverteidigung zu leisten imstande waren, so verderblich konnten sie sich auch bei Unachtsamkeit der bestellten Wächter und Bedienungs-Mannschaften bei Hochwasser auswirken. Brachte beispielsweise die durch Wolkenbruch oberhalb der Stadt oder bei Schneeschmelze hochgehende Erft einmal Eisschollen, Reisig oder gar Heuhaufen mit sich, sperrte sich damit selbst den Zu- oder Abfluß und verursachte so bald oberhalb, bald innerhalb des Stadtgebietes verheerende Ueberschwemmungen, von den Hürtens „Geschichte der Stadt Münstereifel“ allein 14 aufzuzählen weiß.


Das Münstereifeler „Werk“ - Foto: Elbern

Von der besonders unheilvollen Wassernot des Jahres 1416 berichtete eine noch heute sichtbare Tafel. In der Johannisstraße, dem Burgaufgang von der Stadtmitte aus, ist in etwa 10 Meter Höhe über dem Erftspiegel eine früher lateinische, jetzt deutsche Inschrift angebracht, die besagt, daß sich am „6. Juli des Jahres 1416 eine derartige Ueberschwemmung ereignete, daß 1500 Menschen und ungefähr 7000 Stück Vieh umkamen. Das Wasser stieg bis zu dem hier errichteten Kreuze“. Wenn die Historiker auch den angegebenen Zahlen äußerst skeptisch gegenüberstehen, so erhellt doch daraus, daß eine große Zahl Menschenleben zu beklagen waren.

Auch im 19. Jahrhundert kamen immer noch solche verheerenden Ueberschwemmungen vor. Bis vor wenigen Jahren stand an der Erftmauer gegenüber dem Kurheim Hoever ein Steinkreuz mit der Inschrift „1818, den 2. Mai ertrank hier in der Wellen Schoß Anna Katharina Sturm, eine liebefolle Mutter tief betrauert von den Ihrigen.“ 1848 und 1853 ereigneten sich wiederum ähnliche Katastrophen, die jedoch nicht die riesenhaften Ausmaße annahmen und auch keine Menschenleben forderten, immerhin aber noch Schäden anrichteten, die die preußische Regierung zur Hilfeleistung veranlaßten.

Mit all diesen Ueberschwemmungen steht das „Werk“ in ursächlichem Zusammenhang. Daß es durch hohen Eisgang und durch natürlichen Verschleiß im Verlaufe langer Jahre erheblich gelitten haben und in seiner Verwendungsfähigkeit beeinträchtigt worden sein muß, zeigt ein Bericht des Amtsmannes von Goltstein, der auf schleunige Renovierung drang. Erst nach der großen Ueberschwemmung von 1818 ist das hochinteressante Bauwerk bis zur heutigen Höhe niedergerissen worden.

Die gesamte Anlage steht in der Geschichte des Städtebaues ziemlich vereinzelt da. Oft un gerne wird Münstereifel mit anderen mittelalterlichen Städten, deren Stadtmauern ebenfalls mehr oder weniger erhalten sind, in Vergleich gezogen. Immer aber wird anerkannt, daß Münstereifel den Vorzug des Wasserlaufes durch die Stadt als Besonderheit ins Treffen führen könne, der an Ein- und Ausflußstelle einen Bau wie das „Werk“ erforderlich gemacht hat.


Aus: Euskirchener Volksblatt vom 1.7.1950





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