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Das Gespensterglöckchen vom Orchheimer Tor
Studentenulk von Anno dunnemals - Lausbubenulk in der Mainacht 1953





Münstereifel. - Es war ungefähr vor einem halben Jahrhundert. Da wurde der ganzen Oberstadt in einer stockfinsteren Nacht ein Schrecken eingejagt, der sich tief in die Hirne einfraß. Gerade, als die Uhren in den Schlafzimmern der Bürger anhuben, zum Mitternachtsschlag auzuholen, da wimmerte es vom Orchheimertor zwölfmal. Die Fenster taten sich auf, notdürftig bekleidete Menschen stürzten auf die Straße, fragten sich, wie wohl das Glöckchen anfangen könne zu läuten, zu dem doch niemand herankönne, da der Turm verschlossen sei.

Die letzten Angsthasen waren noch nicht wieder in den Häusern verschwunden, als es wieder bimmelte: Eins! Ende der Gespensterstunde. Drei Nächte lang ging das so. Die Polizei - damals noch aus einem einzigen Mann bestehend - lag auf der Lauer. Vergebens. Es war einfach niemand zu erwischen. Nur einem schwante etwas: „Kobes“, dem damaligen Gymnasialdirektor Professor Dr. Jakob Meyer. Der kannte seine Pappenheimer und wußte, wo er sie zu suchen hatte. Seinem Verständnis für einen gut ausgeheckten Studentenulk und seiner Zusicherung auf Straffreiheit gelang es, die Missetäter zum Bekenntnis zu veranlassen. Öffentlich preisgegeben hat er die Namen nie, bestraft wurden die Jungen auch nicht. Aber man frage einmal nach, wenn kurz nach Pfingsten die alten Schüler des Gymnasiums sich zu ihrem Jahrestreffen einfinden, wie viele von ihnen dabei gewesen sind!

Natürlich wurde im Städtchen bald bekannt, daß „Studenten“ die Urheber waren. Daß sie sich auf irgendeine halsbrecherische Weise Zugang zum luftigen Glockentürmchen verschafft, ein dünnes Seil am Klöppel befestigt, es in den nahegelegenen Radberg und sich selbst drei Nächte eine geschlagene Stunde lang auf die Lauer gelegt hatten. Und das alles, um den Frieden eines geruhsamen Städtchens einmal gründlich zu stören!


Dieses steile Dach auf dem Orchheimer Tor mußte dreimal erklommen werden, um das Seil zu befestigen. (Foto: Elbern)

Und wieder wimmerte das Glöckchen. Zum ersten Male wieder seit dem Studentenulk. Diesmal in der Mainacht 1953. Wieder - es war viel später als Mitternacht - stand die Orchheimer Straße voller Menschen, die aber den Streich nicht wie Anno dunnemals mit Furchtschlottern und Angstzittern, sondern mit Lachen quittierten. Wer's gewesen ist, wie die Burschen durch ein schmales Loch in der Eichentüre hinauf, durch das Dachfensterchen hinaus auf den schmalen First, dann über eine schräg von Haken zu Haken gelegte Leiter auf die Dachkante und von da zum Glockentürmchen gelangten, das ist stadtbekannt. Einige von der Feuerwehr sollen nicht allzu weit weggewesen sein. Die Polizei war wieder zur Stelle, diesmal aber mit bedeutend größerem Aufgebot, als vor 50 Jahren.

Beim ersten Male ergriffen die „Glöckner vom Orchheimertor“ das Hasenpanier - nichts wie ab in den Radberg. Die scharfen „Augen des Gesetzes“ entdeckten die Strippe und rissen sie humorloserweise ab. Beim zweiten Male aber blieben die Übeltäter stehen, es gab einen freundschaftlichen Disput mit viel Gelächter. Kaum war die Luft wieder rein, wieder rauf auf das Dach. Als das Läutewerk wieder in Gang gesetzt werden sollte, riß die Schnur. Noch ein drittes Mal mußten sie den lebensgefährlichen Weg nehmen. Der Wir von der Hölle hatte ihnen einen Draht gegeben. Der wurde nun vorsichtshalber auf „Schörzens“ Dach gelegt, damit die Polizei nicht wieder störend eingreifen konnte. Polizeimeister Ackermann stellte sachlich fest: „Kein Sachschaden - also auch keine Anzeige! Ruhestörung? Niemand fühlte sich gestört!“

Wer aber in der Mainaht den silbernen Klang des Glöckchens auf dem Orchheimertor hörte, das noch aus der längst verschwundenen Barbara-Kapelle stammt, muß bedauern, daß es für alle Zeiten stumm bleiben soll. So lieblich ist seine Stimme, so ganz - wie man sagt „glockenklar“. Ob sich da keiner fände, der wenigstens mittags ein paar Züge an einem schnell und mühelos anzubringenden Seil täte, damit das Glöckchen seine silberhelle Stimme weit über das Tal und die Dächer der Oberstadt erklingen ließe?





Euskirchener Volksblatt vom 9. Mai 1953





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