Kölner Stadt-Anzeiger vom 17. Januar 1958


Jetzt auch Weichen auf der Alweg-Bahn

Engländer und Hamburger bei Probefahrten in Fühlingen
Von unserem Redaktionsmitglied Horst Schubert

Auf der Alweg-Versuchsstrecke in Fühlingen ließen sich gestern zwei verschiedene Besuchergruppen über den Betonbalken schaukeln. Die eine kam aus Hamburg an, die zweite nachmittags aus England. Beide hatten Gelegenheit, eine Novität zu besichtigen: Die Versuchsstrecke weist neuerdings auch Weichen auf, deren Konstruktion den Einschienenbahn-Ingenieuren Kopfschmerzen bereiteten.

Die Konstrukteure fanden für die Lösung des Weichenproblems zwei Systeme. Das eine hat als Grundlage einen biegsamen Metallbalken, der angeblich aus einer Legierung von Aluminium und Hartaluminium besteht. Das zweite basiert auf einer starren Verschiebung eines Betonbalkens.

Spannt sich wie eine Sehne

Um eine Weiche zu stellen, wird ein zukünftiger Alweg-Stationsvorsteher einen Schaltknopf drehen. Darauf zieht eine Kurbel, angetrieben durch die Kraft zweier Motoren von 6 kW, die auf je einer Stütze installiert sind, die Weiche in die gewünschte Richtung. Dreißig Meter des Weichenbalkens bestehen aus dem Metall, fünfzehn Meter aus Beton. Der Metallteil ist fest mit der starren Strecke verbunden, er spannt sich, durch die Kurbel gedrückt, wie eine Sehne, bis das Betonende an den Balken in der neuen Richtung einrastet. Erfahrungen mit dieser Weiche konnten noch nicht gesammelt werden. Noch fährt der Zug im Schrittempo über sie hinweg.

Weichen stellen: 14 Sekunden

So gab das das „Hamburger Abendblatt“, das vorige Woche eine erste Probefahrt über die Weichen mitmachte, der Hamburger Kommission, die gestern in Fühlingen die neue Anlage besichtigte, in einem Artikel mit auf den Weg nach Köln: „Besonders für die Technik dieser Weichen wird sich die Kommission interessieren, denn eine Bahn mit schwerbeweglichen und reparaturanfälligen Weichen ist als Nahverkehrsmittel für Hamburg undenkbar.“

Das Stellen der Alweg-Weichen dauert etwa vierzehn Sekunden.

An Stelle der U-Bahn?

Die Hamburger suchen einen Ersatz für eine sehr kostspielige Ausweitung ihres U-Bahn-Netzes. Der Bau einer Alweg-Strecke ist billiger, allerdings stehen finanziellen Vorteilen auch Nachteile solcher Art gegenüber, wie sie die Hamburger Zeitung vermerkt! „Ein Alweg-Wagen ist wesentlich teurer als ein U-Bahn-Wagen. Zudem bietet ein Alweg-Wagen weniger Plätze als ein gleich großer U-Bahn-Wagen.“

Zum Londoner Flugplatz

Während die Hamburger nun prüfen werden, ob Alweg zur Entlastung auch des innerstädtischen Verkehrs dienen kann, hat die englische Kommission, die unter Führung des parlamentarischen Staatssekretärs im Verkehrsministerium G.R.H.Nugent nach Köln kam, die Zweckmäßigkeit der Einschienenbahn für eine schnelle Verbindung zwischen dem Stadtzentrum und dem Flugplatz Londons zu untersuchen.

Den Engländern war es versagt, wenigstens im Schrittempo über die Weichen zu fahren. Just als der Wagen mit ihnen an der Montagestation hielt, blieb der Strom weg. So konnten sie nur von der Plattform der provisorischen Haltestelle die Bewegung der Weichen verfolgen. Da der Strom auch nach einiger Wartezeit nicht mehr wiederkam, mußte die Fahrt abgebrochen werden. Glücklicherweise stand der Zug gerade an der Holztreppe der Montagestation, so daß die Gentlemen nicht auch einen vorgesehenen Notausstieg mit Strickleitern zu erproben brauchten; eine Sache, zu der das „Hamburger Abendblatt“ die Frage stellt: „Aber kann man beispielsweise einer Greisin ein derartiges „Fallreep“ zumuten? Nicht auszudenken, was bei einer Panik im Zuge passiert!“

Ruhe bewahren

Nun wären allerdings Paniken in U-Bahn-Schächten auch nichts, was man ohne Besorgnis in Betracht ziehen kann. Bei Pannen hilft am besten Ruhe, wie sie vorige Woche der Mäzen der Alweg-Bahn und Multimillionär Wenner-Gren gezeigt hat. Bei seiner Weichenprobefahrt blieb ebenfalls der Strom weg, noch dazu, als der Wagen sich mitten auf der Strecke befand. Er muße geraume Zeit warten, ehe die Fahrt weitergehen und er über eine Treppe zur Erde niedersteigen konnte.


Melonenträger unter den Engländern ließen auch Uneingeweihte die Herkunft der Kommission ahnen. Sie soll prüfen, ob die Alweg-Bahn als schnelle Verbindung zwischen Londons Zentrum und dem Flughafen geeignet ist.




Die Alweg-Weiche: Auf zwei Stützen (hier ist nur eine zu sehen) ziehen Kurbeln, von Motoren getrieben, das Ende des Metallbalkens (Mitte) in die gewünschte Richtung.


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