Technische Beschreibung des ALWEG - Systems

al-lg2.JPG (4151 Byte)     ALWEG Firmenprospekt

al-p1a.JPG (39264 Byte)

Einführung

Das ALWEG-System ist nach seinem Urheber, dem schwedischen Großindustriellen Dr. Axel Lenard Wenner-Gren, benannt. Er gab im Jahre 1951 einer deutschen Ingenieurgruppe den Auftrag zur Entwicklung eines neuen Verkehrssystems. Dabei ging er von der Erkenntnis aus, daß die derzeitigen Verkehrsmittel die ständig zu nehmenden Anforderungen in wirtschaftlicher Weise nicht mehr voll befriedigen können.

Das auf Grund dieses Auftrages entwickelte System hat einen Bahnkörper aus Balken mit rechteckigem Querschnitt, die gleichzeitig als Fahrbahn und Träger dienen und normalerweise alle 15 m unterstützt werden. Die Stützenhöhe ist veränderlich, so daß die Balkenfahrbahn sowohl auf langen Stützen als Hochbahn, wie auch auf kurzen Stützen als Oberflächenbahn oder Untergrundbahn verlegt werden kann.

Die Fahrzeuge umgeben mit ihren Fahrwerken die Balken sattelförmig so, daß auf der oberen Fläche die Tragräder und auf den beiden Seitenflächen der Balken die Führungs- und Stabilisierungsräder abrollen.

Das ALWEG System kann unter Berücksichtigung der jeweiligen Erfordernisse bei Stadtbahnen, Industriebahnen und Fernbahnen Verwendung finden.

Eine ALWEG-Stadtbahn bietet z.B. dort wirtschaftliche und verkehrliche Vorteile, wo es notwendig ist, ein Massenschnellverkehrs-System in der zweiten Ebene zu errichten oder wo ein bereits bestehendes Massenschnellverkehrs-System zu ergänzen ist.

Eine Industriebahn nach dem ALWEG-Prinzip ist dann wirtschaftlicher als andere Industriebahn-Systeme, wenn größere Transportmengen in der zweiten Ebene befördert werden müssen oder wenn andere Vorteile des ALWEG-Systems (z:B. die große Steigfähigkeit) voll ausgenutzt werden können.

Eine ALWEG-Fernbahn wird dort möglich sein, wo die Verwendung anderer Bahn-Systeme wegen der örtlichen Verhältnisse hohe Aufwendungen für die festen Anlagen und für deren Unterhaltung verursachen (z.B. bei stark bergigem, unerschlossenem Gelände oder in Sand- und Schneeverwehungsgebieten).

Da die Verkehrsprobleme in den Städten am dringendsten einer Lösung bedürfen, wurde die Entwicklung des ALWEG-Systems für den städtischen Personenschnellverkehr bevorzugt behandelt.

Entwicklung in Köln-Fühlingen

Das ALWEG-System traf zum ersten Male in die Öffentlichkeit am 8. Oktober 1952, als nach einer rund einjährigen Entwicklungs- und Bauzeit der erste Versuchszug im Maßstab 1:2,5 (40 % der Normalgröße) auf einer ovalen Strecke von ca. 1.700 m Länge in Köln - Fühlingen vorgeführt wurde.

Die folgenden Jahre waren der technischen Erprobung und Weiterentwicklung des neuen Bahn-Systems gewidmet. Drei weitere Versuchszüge wurden gebaut, in Meßfahrten von vielen tausend Kilometern getestet und die hierbei gesammelten Erfahrungen ausgewertet. Neuartige Fertigungsmethoden für die Fahrbahn des ALWEG-Systems wurden entwickelt, so daß dann Ende 1956 mit dem Bau einer Strecke in normaler Größe in einer Länge von etwa 1,8 km begonnen werden konnte. Seit dem 23. Juli 1957 wird dort der erste für den Stadtverkehr entwickelte Zweiwagen - Zug den interessierten Kreisen gezeigt.

Diese ALWEG - Strecke in Normalgröße hat einen eingleisigen und einen zweigleisigen Streckenabschnitt mit den dazugehörigen Weichen und ist als Hochbahn aus Stahlbetonbalken (1,40 m hoch, 0,80 m breit und 15,0 m lang), deren Seitenflächen in der Mitte zur Aufnahme der Stromschiene eingezogen sind. Die Balkenfertigung erfolgte in einer eigens hierfür konstruierten einstellbaren Vorrichtung unter Verwendung des Vacuum - Concrete - Verfahrens. Diese Art der Balkenherstellung ermöglicht schnelle Fertigung, größte Maßgenauigkeit und Wirtschaftlichkeit, auch bei Balken für überhöhte Kurven und Übergangsbögen, die in zwei Ebenen verformt sein müssen.

Auf dem eingleisigen Streckenabschnitt der ersten ALWEG-Strecke in Normalgröße sind jeweils 6 Balken ausdehnungsmäßig zu einer 90 m langen Einheit zusammengefaßt. Die zusammenstoßenden Enden der beiden mittleren Balken sind auf einer Feststütze verankert. Die übrigen Enden der 6 Balken sind auf Pendelstützen befestigt, die den durch Temperaturschwankungen hervorgerufenen Längenänderungen der Balken - auf ihren Fundamenten in Balkenlängsachse pendelnd - folgen können. Die Längenausgleichsstelle für die 6 Balken befindet sich jeweils am Anfang bzw. Ende eines 90 Meter - Abschnittes.

Die nebeneinander liegenden Balken des zweigleisigen Streckenabschnittes ruhen mit ihren Enden auf einer jeweils gemeinsamen Fest-Stütze in T-Form. Einige der T-Stützen sind aus Stahlbeton, einige aus Stahl hergestellt. Alle Stützen der ersten ALWEG - Strecke in Normalgröße - mit Ausnahme der T-Stützen aus Stahlbeton - sind fabrikmäßig vorgefertigt und dann an Ort und Stelle montiert worden.

Der Transport und die Montage der Fertigteile für die Fahrbahn der Normalstrecke in Köln - Fühlingen erfolgte durch Spezialgeräte, wobei ein Baufortschritt bis zu 15 m pro Stunde erzielt wurde.

Für die erste ALWEG - Strecke sind zwei verschiedene Weichen - Systeme in der Fertigung. Die Gliederweiche besteht aus zwei seitlich verschiebbaren Balkenstücken, wobei die kontinuierliche Kurvenführung für die Seitenräder des Fahrzeuges in der Abzweigstellung durch seitlich angebrachte biegsame und sich automatisch einstellende Stahlbänder gewährleistet wird. Die Biegeweiche ist ein in sich federnder Leichtmetall - Hohlträger, der in seiner Gesamtheit in die Abzweigstellung gebogen wird.

Der in Köln - Fühlingen laufende ALWEG - Stadtbahnzug besteht aus zwei Triebwagen mit einem Fassungsvermögen von zusammen etwa 200 Personen. Die Länge eines Triebwagens beträgt 11,0 m, die Breite 3,0 und die Höhe ca. 4.0 m. Jeder der beiden Triebwagen hat zwei Fahrwerke mit je einer angetriebenen zwillingsluftbereiften Tragachse und je vier horizontal liegenden ebenfalls luftbereiften Führungs- und Stabilisierungsrädern. Die verwendeten Luftreifen haben Standardabmessungen. Aus Sicherheitsgründen sind zusätzlich vollgummibereifte Notlaufrollen angebracht, die bei evt. Reifenschaden mit der Balkonfahrbahn in Berührung kommen und die Kräfteübertragung übernehmen. Auch die übrige Fahrzeugausrüstung, wie z.B. Motore, elektrische Steuerungseinrichtung, Bremsen mit Kompressor usw., wurde der normalen Produktion der Herstellerwerke entnommen.

Die erste ALWEG-Bahn in Normalgröße wird mit 1.200 Volt Gleichstrom betrieben. Die 4 Fahrmotoren, die je eine Tragachse des ALWEG - Stadtbahnzuges über ein Getriebe antreiben und mit je 75 kW Stundenleistung und 1.200/2 Volt installiert sind, ermöglichen eine maximale Beschleunigung von 1,5 m/sec². Das ruckfreie Anfahren wird durch automatische Betätigung eines feinstufigen Schaltwerkes gewährleistet. Der Zug wird elektrisch gebremst; außerdem ist jede Tragachse mit einer Scheibenbremse versehen. Die Bremsen sind für eine maximale Verzögerung von 2,5 m/sec² bei vollbesetztem Zug ausgelegt.

Ergebnisse

Die fabrikmäßige Herstellung der Baufertigteile ermöglicht wegen der weitgehenden Rationalisierungsmöglichkeiten eine Kostensenkung und gestattet außerdem, eine ALWEG - Bahn in bedeutend kürzerer Zeit zu errichten, als andere Bahnen.

Der schienenlose Fahrbalken ist gleichzeitig Fahrbahn und Träger. Seine Vorteile sind:

Die Stützen der ALWEG - Hochbahn beanspruchen in einem Abstand von 15 m auch bei zweigleisiger Strecke in der Straßenoberfläche nur eine Bodenfläche von ca. 1,2 m². Damit ist die Behinderung des übrigen Verkehrs im Vergleich zu anderen Hochbahn - Systemen sehr gering. Außerdem sind die Stützen leicht den örtlichen Bodenunebenheiten anzupassen, was ohne wesentlichen Aufwand einen erheblichen Vorteil für die Trassierung einer ALWEG - Bahn bietet. Die Eigenfahrbahn des ALWEG - Systems gewährleistet einen vom übrigen Verkehr vollkommen ungestörten Betrieb und schafft so die Voraussetzung für die Einhaltung fester Fahrpläne.

Die Wahl des Materials für die Herstellung der Stützen als Fertigteile (Stahl oder Stahlbeton) ist in erster Linie abhängig von wirtschaftlichen Überlegungen und richtet sich außerdem nach städtebaulichen und architektonischen Gesichtspunkten. Alle gewünschten Formen und Höhen sind möglich.

Die Fahrzeuge können wegen der mit hoher Maßgenauigkeit hergestellten und verlegten Balkenfahrbahn und er dadurch erreichten geringen Stoßbeanspruchung mit niedrigerem Eigengewicht gebaut werden. Die sattelförmige Ausbildung ihrer Fahrwerke bietet praktisch vollkommene Sicherheit gegen Entgleisung.

Die große Steigfähigkeit, die (wie auch das hohe Anzugs- und Bremsvermögen) durch den guten Haftwert zwischen den Fahrzeugreifen und den Stahlbeton - Fahrbalken erzielt wird, bietet die Möglichkeit, ein Schnellverkehrs - System günstiger zu trassieren (kürzere Rampen beim Wechsel vom Untergrund zu Hochbahnlage, Einschaltung von kurzen Steilstrecken statt längerer Umgehungsstrecken).

Die ALWEG - Züge können je nach den vorliegenden Verkehrsbedürfnissen mit einer beliebigen Anzahl Wagen ausgestattet werden. Die kleinste Zugeinheit besteht aus zwei Wagen; die Zahl der angetriebenen Achsen richtet sich nach den jeweils vorliegenden betrieblichen Verhältnissen.

Bei Einschaltung von antrieblosen Mittelwagen und einer Veränderung des Verhältnisses von Stehplatz- zu Sitzplatzzahl können je nach den wirtschaftlichen Erfordernissen Wagen mit anderen Abmessungen, so z.B. mit kleinerer Wagenbegrenzungslinie und dem zugehörigen Lichtraumprofil, verwendet werden, so daß längere unterirdisch geführte Strecken im Hinblick auf die Tunnelquerschnitte und die wirtschaftlich günstigsten Bahnsteiglängen anderer Bahn - Systeme und den örtlichen Erfordernissen angepaßt werden können.

Als Signal- und Sicherungsanlagen werden die im Stadtschnellbahnbetrieb bewährten modernen Systeme verwendet. Auch die Bahnhofsanlagen sind in ihrem betrieblichen und verkehrlichen Teil nach den bekannten Grundsätzen für moderne Stadtschnellbahn - Anlagen ausgebildet. Das gleiche gilt für die Anlagen und Einrichtungen zur Unterhaltung und Pflege der Fahrzeuge.

Eingehende Baukostenberechnungen haben ergeben, daß die ALWEG-Bahn mit Abstand den niedrigsten Kapitalbedarf unter den Eigenfahrbahn - Systemen erfordert.

Setzt man den Wert der festen Anlagen einer zweigleisigen Unterpflaster-Straßenbahn im Grundwasser auf 1 km

umgerechnet =                                                                                       100

dann beträgt er

Für Straßenbahn-Leistung (166-20.000 Pers./Std. und Richtung)

 

für U-Bahn-Leistung (50-60.000 Pers./Std. und Richtung)

bei der U-Bahn im Grundwasser, Bahnhöfe ohne Fahrtreppen                     140

bei der U-Bahn außerhalb des Grundwassers,
Bahnhöfe ohne Fahrtreppen                                                                     120

bei der Zweischienen - Hochbahn auf Pfeilern mit
U-Bahn-Profil, Bahnhöfe mit Fahrtreppen                                                     75

bei der ALWEG-Bahn, Bahnhöfe mit Fahrtreppen                                         35


für Schwebebahn (4.000 Pers./Std. und Richtung)
Bahnhöfe ohne Fahrtreppen                                                                        40

Für alle oben angeführten Bahnarten gelten die gleichen Voraussetzungen (Haltestellenabstände, Bahnhofsausführungen usw.). Die angeführten Zahlenwerte sind auf 5 ab- bzw. aufgerundet.

Auch die Selbstkosten (Kapitalkosten plus Betriebskosten plus Allgemeinkosten) der ALWEG  - Stadtbahn müssen auf Grund eingehender Untersuchungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen für vorliegende Projekte und nach Gutachten neutraler Stellen niedriger als die der konkurrierenden Systeme sein. Denn:

Das ALWEG - System bietet in betrieblicher und verkehrlicher Hinsicht alle Vorzüge eines Bahn - Systems mit Eigenfahrbahn, zum Beispiel einer U-Bahn oder Hochbahn, insbesondere sicherer und ungestörter Verkehr sowie die damit verbundene Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und hohe Reisegeschwindigkeit.

Systembedingte Vorteile gegenüber anderen Bahnen sind Verhältnismäßig niedriges Anlagekapital, geringe Selbstkosten, niedrigere Unterhaltungskosten für den Bahnkörper, kurze Bauzeit, geringe Behinderung des Oberflächenverkehrs während des Baues, günstige Trassierungsmöglichkeiten, geringer Platzbedarf in der Straßenoberfläche, Geräuscharmut, völlige Sicherheit gegen Entgleisen.

November 1957

al-quer2.JPG (20530 Byte)
Schematische Querschnittszeichnung eines ALWEG - Stadtbahnwagens mit Fahrwerksanordnung und Balkenfahrbahn


Vertikale Räder: Trag- und Triebräder
Horizontale Räder: Führungs- und Stabilisierungsräder

al-p1b.JPG (13236 Byte)
ALWEG - Strecke mit ALWEG - Stadtbahnzug

 

al-p1c.JPG (10597 Byte)
ALWEG - Stadtbahnzug (Zweiwageneinheit)

 

al-p1d.JPG (12270 Byte)
ALWEG - Wagen (Innenansicht)

al-p1e.JPG (14514 Byte)
Bahnsteig aus Baufertigteilen

 

Quelle: Firmenbroschüre - Sammlung Otterbach 

Ó
Copyright 1999, 2000
Rheinland-Team